Neue Zielgruppen, individuellere Lehre, schlankere Verwaltung – wo stehen die Hochschulen in Ihrem Bundesland in Sachen Digitalisierung?
Die Digitalisierung der Hochschulen und der Wissenschaft ist eine der entscheidenden Herausforderungen der Bildungs- und Innovationspolitik des 21. Jahrhunderts. Sie ermöglicht eine Stärkung von Lehre, Studium und Forschung in der gesamten Breite und Tiefe des Wissenschaftssystems. Dezentrale Datennutzung mit Hochleistungsrechnern und der weltweite Zugriff auf Studien, Experimente und Buchbestände bieten dabei enormes Potential für Forschung und Lehre.
Schon seit den 90er Jahren haben die Hochschulen in Rheinland-Pfalz durch Gründung von Weiterbildungs- und Fernstudienzentren die Entwicklung und den Ausbau flexibler berufsbegleitender Studienmöglichkeiten strategisch vorangetrieben. Das Zentrum für Fernstudium und universitäre Weiterbildung der Universität Koblenz-Landau, das Distance and Independent Studies Center der TU Kaiserslautern und das Zentrum für Fernstudien im Hochschulverbund in Koblenz, das die Fernstudienangebote aller Hochschulen für angewandte Wissenschaften in Rheinland-Pfalz bündelt, sind hierfür gute Beispiele.
Die gute Infrastruktur basiert im Wesentlichen auf drei Säulen: Der Virtuelle Campus Rheinland-Pfalz (VCRP) ist eine gemeinsame wissenschaftliche Einrichtung aller Hochschulen und leistet die zentrale Dienstleistungs-, Unterstützungs- und Koordinationsfunktion für alle rheinland-pfälzischen Hochschulen. So bietet der VCRP seit der Gründung im Jahre 2000 digitale Medien und digitale Lehr- und Lernformate für das gesamte Studienangebot der Hochschulen an. Das Wissenschaftsnetz Rheinland-Pfalz verbindet die Hochschulen mit einem leistungsfähigen und kostengünstigen Internet-Anschluss. Das redundante Glasfaser-Kernnetz liefert bidirektional eine Bandbreite von 40 GBit/s und ist nach wie vor eines der leistungsfähigsten Wissenschaftsnetze Deutschlands. Weiterhin ermöglicht eine direkte Leitung zwischen der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und der TU Kaiserslautern die Kopplung der dortigen Hochleistungsrechner mit einer Bandbreite von 120 GBit/s. Über die 2017 von den Hochschulen gegründete Rechenzentrumsallianz Rheinland-Pfalz (RARP) werden IT-Infrastrukturen und Dienstleistungen für die Hochschulen gebündelt und bereitgestellt. Beispielsweise wird mit dem Service seafile.rlp.net eine zentrale Plattform für kollaboratives Arbeiten für alle Studierenden und Hochschulmitarbeiter bereitgestellt.
Die Fachhochschulen haben zusätzlich zu den vorgenannten Strukturen gemeinsam das Zentrum für Hochschul-IT gegründet, über das zentrale Softwarelösungen für die Verwaltungen bereitgestellt werden, wie z.B. die E-Rechnung oder das Campus Management System.
Dank dieser guten Grundlage ist es den Hochschulen angesichts der gegenwärtigen Corona-Krise möglich, einen Großteil der Lehre digital anzubieten. So berichtet die Universität Trier und die Hochschule Koblenz, dass 90 Prozent der Lehre im bereits begonnenen Sommersemester 2020 online bewältigt werden können. Die Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen bietet aktuell 98 Prozent der Lehrveranstaltungen digital an. Die Mainzer Johannes Gutenberg-Universität geht sogar von einem nahezu vollständigen digitalen Lehrangebot aus, sieht man von besonderen Formen der Lehre, wie z.B. Labor-Praktika oder Exkursionen ab.
Über den schon erwähnten Virtuellen Campus Rheinland-Pfalz haben alle Hochschulen, alle Lehrende und alle Studierenden Zugang zu leistungsfähigen Lehr- und Lerninfrastrukturen. Seit dem Ausbruch der Corona-Krise hat sich die Zahl der Nutzerinnen und Nutzer auf den E-Learning-Plattformen des VCRP stark erhöht, so ist z.B. die Zahl der Lehrenden, die auf dem landesweiten E-Learning-System OpenOLAT digital Lehrmaterial bereitstellen, von März bis April um über 500 auf über 6.300 gestiegen. Auch die Zahl der Nutzenden der zentralen Videoserver und die Zahl der Zugriffe auf die Videoserver hat sich in den letzten Wochen um ca. 25 Prozent erhöht. So konnte die Plattform 180.000 Zugriffe auf Video-Formate verzeichnen. Diese Plattformen werden aktuell verstärkt für virtuelle Veranstaltungsformen anstelle von Präsenzveranstaltungen in den Hochschulen genutzt.
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Die Digitalisierung kann den Hochschulbetrieb effizienter machen – zunächst braucht es aber Investitionen. Wie unterstützen Sie die Hochschulen in Ihrem Bundesland dabei?
Ich bin sehr froh, dass die Hochschulen des Landes eine lange Tradition der Kooperation und Zusammenarbeit haben und darüber viele Aufgaben effektiver und effizienter lösen können, als wenn jede Hochschule für sich agieren würde.
Für die genannten zentralen digitalen Infrastrukturen stellt das Land jährliche Grundmittel in Höhe von 2,64 Mio. Euro bereit. Zusätzlich zur Grundfinanzierung werden im Doppelhaushalt 2019/2020 zentrale Mittel für projektbezogene Digitalisierungsmaßnahmen, wie z.B. im Bereich der Hochschuldidaktik oder der Förderung von Open Educational Resources im Volumen von 1,8 Mio. Euro zur Verfügung gestellt.
Die Hochschulen setzen im Rahmen der dritten Phase des Hochschulpaktes insbesondere in den Programmbereichen „Qualität der Lehre“ sowie „Erhöhung der Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung“ ca. 50 Projekte um, die sich mit Aspekten der Digitalisierung von Studium und Lehre befassen. Allein dafür hat das Land in den Jahren 2016 bis 2020 über 32 Mio. Euro bereitgestellt.
Aktuell werden aufgrund der Corona-Krise zusätzlich zur Grundfinanzierung sowie den vorgenannten Projekten oder Förderprogrammen 5,5 Mio. Euro aus dem Hochschulpakt bereitgestellt, um an den Hochschulen und den zentralen Infrastruktureinrichtungen die forcierte Umstellung auf digitale Lehrangebote zu unterstützen.
Sie sehen, dass das Land verschiedene Finanzierungsinstrumente für die Unterstützung der Digitalisierung an den Hochschulen einsetzt und damit die Voraussetzungen für den Aufbau effizienter und effektiver Strukturen und Programme schafft.
Das digitale Lernen braucht technisch gut ausgerüstete Studierende. Wie lässt sich dabei eine Verstärkung der sozialen Spaltung verhindern?
Mir ist es wichtig, dass ein Zugang zu Bildung nicht durch finanzielle Fragen behindert wird. Im Gegenteil: Ich möchte die Türen zu den Hochschulen öffnen. Gerade hier kann der Einsatz der Digitalisierung helfen. Durch die digitalen Angebote insbesondere in der Form von Open Educational Resources (OER) oder auch elektronischen Ressourcen wie E-Books und E-Journals entlasten wir beispielsweise direkt das Budget der Studierenden, da diese die zum Lernen und Arbeiten benötigte Literatur und Zeitschriften häufig nicht mehr kaufen müssen. Die Hochschulen stellen ihren Studierenden diese Materialien bereits sehr umfangreich in elektronischer Form zur Verfügung. Im Jahr 2018 wurden von den Hochschulen des Landes ca. fünf Mio. Euro für den Erwerb elektronischer Ressourcen verausgabt. Es erfolgten nahezu sechs Mio. Zugriffe auf diese Ressourcen. Diese elektronischen Angebote entlasten damit direkt die Budgets der Studierenden.
Die Rechenzentren der Hochschulen stellen vor Ort zudem PCs und sonstige technische Geräte in Pool-Räumen oder in begrenztem Umfang zur Ausleihe für die Studierenden zur Verfügung.
Bei der Digitalisierung setzen die Hochschulen häufig auf Kooperationen, zugleich sollen sie aber ihr Profil im Wettbewerb stärken. Wie lässt sich der Widerspruch von Kooperation und Konkurrenz auflösen?
Die Hochschulen stehen zunehmend in einem Wettbewerb um die klügsten Köpfe. Dieser Wettbewerb findet nicht nur regional, sondern bundesweit und international statt. Studieninteressierte können sich über das Internet umfassend über alle alternativen Bildungsangebote informieren und sich für das aus ihrer Sicht attraktivste Angebot entscheiden.
Vor diesem Hintergrund entwickeln die Hochschulen eigene spezifische, fachliche Profile, um im Wettbewerb sichtbar zu bleiben und zu bestehen. Meine These ist, dass dies umso besser gelingt, je intensiver die Hochschulen auf der anderen Seite miteinander kooperieren. Kooperation und Zusammenarbeit setzt Synergien frei, die genutzt werden können, um vorhandene inhaltliche Schwerpunkte auszubauen, neue Schwerpunkte zu entwickeln und das eigene Profil zu schärfen. Dies gilt insbesondere in der Digitalisierung, die mit erheblichem Ressourceneinsatz verbunden ist.
Ein großes Potential sehe ich vor allem bei Fernstudienangeboten oder digitalen Lehrangeboten. Sie bieten besonders flexible Möglichkeiten, hochschulübergreifend die unterschiedlichen fachlichen Kompetenzen zusammenzuführen und für die Entwicklung neuer innovativer Studienangebote zu nutzen. Dieses Potential sollte in Zukunft noch stärker genutzt werden.