Internetbrowser und Suchmaschinen setzen zunehmend KI ein, um Inhalte direkt zusammenzufassen. Was bedeutet das für die Anbieter von Inhalten?
Die zunehmende Integration von KI in Internetbrowser und Suchmaschinen hat weitreichende Konsequenzen für Inhalteanbieter. Eine zentrale Erkenntnis aus dem von den Landesmedienanstalten in Auftrag gegebenen Gutachten ist, dass KI-gestützte Suchmaschinen zunehmend eigene Inhalte generieren, anstatt auf bestehende Inhalte zu verweisen. Systeme wie Bing Copilot Search, Perplexity oder ChatGPT verdrängen dadurch etablierte Informationsquellen.
Einerseits führt dies zu einer Verschiebung des Traffics: Studien belegen Traffic-Verluste für Inhalteanbieter in einer Spanne von 18 % bis über 50 %. Dies bedroht die Refinanzierung der Inhalteproduktion, die für eine vielfältige Informationslandschaft unerlässlich ist.
Zudem verstellt die prominente Platzierung KI-generierter Antworten in den Suchergebnissen die Sichtbarkeit etablierter journalistischer Quellen und verschärft die Konkurrenz durch KI-basierte Technologien. Recherchetiefe, Quellentreue und die Wahrung der Vielfalt in der Medienlandschaft sind in Gefahr.
KI können auch Inhalte hinter Paywalls rekonstruieren – wie sehen Sie diesen Trend?
Insgesamt ist dieser Trend mit Besorgnis zu betrachten, da er nicht nur die Geschäftsmodelle von Medienunternehmen bedroht, sondern auch die Vielfalt und Qualität der Informationslandschaft. Wenn qualitativ hochwertige Inhalte der Medienhäuser mittels KI rekonstruiert und kostenlos angeboten werden, erleiden die Erstanbieter erhebliche Einnahmeverluste und die wirtschaftliche Grundlage für die Erstellung hochwertiger, vielfältiger Inhalte ist gefährdet.
Parallel stellet sich immer dringlicher die Frage nach der Verantwortung für KI-generierte Antworten zumal Nutzende kaum nachvollziehen können, auf welche Quellen die KI zurückgegriffen hat. Das wirft u.a. Transparenzfragen auf.
Mit Werbeformen, wie gesponserten Folgefragen, gehen die Angebote auch den Werbemarkt an – was kann das für Auswirkungen haben?
Diese Werbeformen finden sich vermehrt in KI- Suchmaschinen und digitalen Anwendungen. Sie könnten tiefgreifende Auswirkungen auf den Werbemarkt und die Medienlandschaft haben:
a) Veränderte Wettbewerbsbedingungen auf dem Werbemarkt
Klassische Werbeformen wie Display-Ads oder Bannerwerbung werden durch die zunehmende Platzierung gesponserter, maßgeschneiderter Antworten ersetzt. Wenn KI-basierte Systeme gezielt Werbung in Form von Folgefragen einbinden, bauen die großen Plattformen die Kontrolle über die Präsentation gesponserter Inhalte in ihren Suchergebnissen aus und der Werbemarkt wird absehbar weiter zentralisiert.
b) Erhöhte Monetarisierung durch personalisierte Werbung
KI-gestützte Anwendungen wie ChatGPT oder Bing Copilot können durch maschinelles Lernen und datengetriebenes Targeting Verhalten und Interessen der Nutzenden vorhersagen und Werbung noch gezielter ausspielen. Dies könnte die Personalisierung von Werbeinhalten auf ein neues Level heben. Die Folgefragen-Werbung wird Klickzahlen und damit auch mehr Werbeeinnahmen für die Plattformbetreiber generieren.
c) Verzerrung der Informationsquelle und der Medienvielfalt
Gesponserte Folgefragen beeinflussen die Wahrnehmung und den Zugang zu Informationen.
Es besteht die Gefahr, dass die Antworten nicht in erster Linie durch redaktionelle oder journalistische Qualität bestimmt werden, sondern durch kommerzielle Interessen. Die Vielfalt der Informationsquellen wird hierdurch eingeschränkt und der öffentliche Diskurs zunehmend von kommerziellen Interessen dominiert.
d) Verstärkter Einfluss von großen Tech-Unternehmen auf die Meinungsbildung
Die Kombination von KI, personalisierter Werbung und gesponserten Inhalten wird absehbar zu einer weiteren Konzentration der Medienmacht in den Händen großer Technologieunternehmen führen. Unternehmen, die gleichzeitig KI-Algorithmen und Werbeplattformen betreiben, können zunehmend bestimmen, welche Informationen den Nutzenden wie präsentiert werden.
e) Ethische und rechtliche Herausforderungen
Die Verbindung von Werbung mit KI-gesteuerten Systemen wirft ethische und rechtliche Fragen auf. Es wird schwieriger, zwischen unabhängigen Informationen und kommerziellen Inhalten zu unterscheiden und die erforderliche Transparenz, welche Inhalte gesponsert sind, zu wahren. Für die Medienaufsicht stellt sich die Herausforderung, klare Grenzen zu definieren, um die Integrität der Information zu erhalten und die Rechte der Nutzenden zu schützen.
Gesponserte Folgefragen und ähnliche Werbeformen in Verbindung mit KI-Systemen können den Werbemarkt im Hinblick auf Personalisierung und Zentralisierung revolutionieren und die Objektivität und Transparenz von Informationen gefährden. Um dem entgegenzuwirken, sind klare regulatorische Rahmenbedingungen erforderlich.
Welche Regulierung sollte die Politik auf diesem Gebiet aus Ihrer Sicht vornehmen?
Es sind sowohl rechtliche Anpassungen als auch strukturelle und technische Maßnahmen zu erwägen – unter anderem im Hinblick auf Transparenz, Haftung und Quellenschutz.
Zunächst müsste das Haftungsprivileg fallen: Mit dem Aufkommen generativer KI verschiebt sich die Rolle von Suchmaschinen und Medienintermediären als Vermittler externer Links und Webinhalte zu der Rolle von Anbietern KI-generierter Antworten in Fließtextform. Google, Microsoft & Co. tragen – wie alle anderen Inhalteanbieter auch – die Verantwortung dafür, dass diese KI-Inhalte den medienrechtlichen Vorgaben entsprechen.
Auch sollten die vielfaltsrelevanten Wirkmechanismen der KI-Technologie in den Blick genommen werden. Mittels Data-Mining und der gezielten Analyse großer unstrukturierter Datenmengen auf Basis von Deep-Learning erhalten (Medien-)Unternehmen entscheidungsrelevante Erkenntnisse und können z.B. Nutzerverhalten vorhersagen. Dies eröffnet eine Vielzahl an Möglichkeiten der Informations- und Meinungssteuerung einschließlich selbstlernender personalisierter Algorithmen und gezieltem ggf. manipulativen Targeting. Parallel beschleunigt die als AI-Stack bezeichnete KI-Wertschöpfungskette die Medienkonzentration und verschärft den Wettbewerb zuungunsten kleinerer Unternehmen und weniger marktkonformer Inhalte.
Beispielhafte Empfehlungen und Forderungen:
a) Anpassung von Rechtsgrundlagen:
Einführung der Haftung für Fehlinformationen und Rechtsverstöße (MStV/JMStV, DDG)
b) Durchsetzung bestehender Rechtsgrundlagen
Digital Services Act (DSA) – Art. 35 i.V.m Art 34 DSA (Risikominimierung)
KI-Verordnung (KI-VO) – Art. 50 KI-VO (Transparenzpflichten)
c) Politisch-strukturelle Maßnahmen
Forcierung eines Europäischen Mediendatenraums
Stärkung der Medienaufsicht
Förderung von KI- und Medienkompetenz
d) Technische und produktspezifische Maßnahmen – Selbstregulierung
Quellenbezug und Auswahlprozess transparenter machen



