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Dashcams bringen Juristen in die Bredouille

Wann die kleinen Kameras im Auto helfen und wann sie schaden

Arndt W. Kempgens, Rechtsanwalt Fachanwalt für Verkehrsrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht Quelle: Kanzlei Kempgens. Brunnengräber Arndt W. Kempgens Fachanwalt Kanzlei Kempgens. Brunnengräber 07.05.2018
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Alexander Hiller
Redakteur
Meinungsbarometer.info
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Die Kamera im Auto schade der Verkehrssicherheit nicht und die erlaubte Verwertung bei Gericht würde zu gerechteren Urteilen führen. Das sagt Arndt W. Kempgens, renommierter Fachanwalt für Verkehrsrecht. Allerdings müsse er als Strafverteidiger und Anwalt, der Geschädigte und Schädiger vertritt differenzieren. "Ich habe vor wenigen Tagen eine Zivilklage eingereicht, bei der es keine Zeugen gibt, nur eine Dashcam-Aufzeichnung meines Mandanten. Die zeigt deutlich einen Spurwechsel des Unfallgegners auf der Autobahn, was der aber bestreitet. Wenn die Aufzeichnung bei Gericht verwertet werden darf, werden wir den Prozess gewinnen, wenn nicht wird es wohl 50 zu 50 ausgehen ("Aussagen gegen Aussage"). Bei verschuldeten Unfällen meiner Mandanten wäre es mir bei einer polizeilichen Unfallaufnahme lieber, wenn die Kamera nicht an Bord ist."







In  vielen Ländern gehört die Dashcam längst zur Auto-Ausstattung. Machen Dashcams den Verkehr wirklich sicherer?
Jedenfalls machen Dashcams den Straßenverkehr nicht unsicherer. Die Kamera allein -mal Datenschutzerwägungen außer Acht gelassen- schadet nicht. Ich meine sogar, dass Dashcams zu bewußterem Fahren führen. Dabei meine ich vor allem zwei Aspekte. Zum einen muss jeder Autofahrer bei einer verbreiteteren Nutzung von solchen Aufzeichnungen damit rechnen, dass sein Fahrverhalten durch das Folgefahrzeug dokumentiert wird. Das dürfte dazu führen, dass die täglichen "Nickeligkeiten" nachlassen und Fahrer eher defensiv fahren, wie es ja auch § 1 StVO vorschreibt. Zum anderen müssen Autofahrer damit rechnen, dass bei einer möglichen Beschlagnahme der Aufzeichnungen durch die Polizei auch andere Verstöße auffallen könnten. Das ist beispielsweise auch bei LKW-Tachoscheiben oder Lkw-Fahrerkarten so. LKW-Fahrer sind meist über die dauerhafte Aufzeichnung nicht glücklich.

In Deutschland ist die Nutzung im europäischen Vergleich noch sehr gering. Wie erklären Sie sich die Zurückhaltung der deutschen Autofahrer?
Das liegt an der Problematik Datenschutz und außerdem daran, dass bei Gericht bisher sehr unterschiedlich die Zulässigkeit der Aufnahmen bzw. die Verwendbarkeit als Beweismittel bewertet wird. Der Autofahrer weiß derzit gar nicht, ob er mit den Aufzeichnungen etwas anfangen kann.

Was sollten Autofahrer ggf. beachten um Datenschutz- und Persönlichkeitsrechte Dritter einzuhalten?
Derzeit ist das dauerhafte Filmen von den Gerichten eher als unzulässig eingestuft worden (§ 6b BDSG = Bundesdatenschutzgesetz). Wenn aufgezeichnet wird, wäre es besser, wenn die Aufzeichnung nur anlaßbezogen  ausgelöst wird. Es wäre daher besser, wenn die Aufzeichnung erst einsetzt, wenn es auf der Straße eng wird und ein Unfall bereits droht. Dass das natürlich für die Fahrpraxis nur schwer umsetzbar ist, ist mir bewußt. Aus Rechtsgründen wäre das aber besser. Kameras, die erst mit einer Erschütterung -ähnlich Airbags- auslösen, wären zwar -aus datenschutzrechtlicher Sicht- viel besser, setzten dann aber ev. zu spät und zeigen die vorkollisionäre Entwicklung nicht. Aber: Besser ewas auf dem Film als gar nichts.

Das BGH prüft aktuell die Verwertbarkeit der Aufnahmen von Dashcams bsw. bei Unfällen. Geklärt werden soll, ob Aufnahmen von Videokameras an Armaturenbrett und Windschutzscheibe als Beweis vor Gericht genutzt werden dürfen. Welche Auffassung vertreten Sie?
Ich muss als Strafverteidiger und Anwalt, der Geschädigte und Schädiger vertritt etwas differenzieren. Ich habe vor wenigen Tagen eine Zivilklage eingereicht, bei der es keine Zeugen gibt, nur eine Dashcam-Aufzeichnung meines Mandanten. Die zeigt deutlich einen Spurwechsel des Unfallgegners auf der Autobahn, was der aber bestreitet. Wenn die Aufzeichnung bei Gericht verwertet werden darf, werden wir den Prozess gewinnen, wenn nicht wird es wohl 50 zu 50 ausgehen ("Aussagen gegen Aussage"). In diesem Prozess würde die Aufzeichnung also sehr helfen, würde meinem Mandanten also zu seinem Recht verhelfen. Bei verschuldeten Unfällen meiner Mandanten oder in Fällen, in denen sich der Fahrer verhalten hat wie die Axt im Walde, wäre es mir bei einer polizeilichn Unfallaufnahme lieber, wenn die Kamera nicht an Bord ist.

Mein Fazit:
- Kamera schadet nicht der Verkehrssicherheit.

- Die -erlaubte- Verwertung bei Gericht würde zu gerechteren Urteilen führen, da eine weitere Erkenntnisquelle zur Verfügung stünde.

- Jeder Autofahrer sollte aber genau überlegen, ob er eine solche Daueraufzeichnung "mitfahren" lassen will.

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