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Das Momentum der kollektiven digitalen Lehrerfahrung aufgreifen

Wie digital die Hochschulen in der Pandemie geworden sind - und was jetzt zu tun ist

Josephine Sames - Projektmanagerin Hochschulforum Digitalisierung Quelle: CHE Centrum für Hochschulentwicklung gGmbH Josephine Sames Projektmanagerin Hochschulforum Digitalisierung 21.06.2021
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Dipl.- Journ. Nikola Marquardt
Founder & Herausgeberin
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"Die Corona-Pandemie hat auch die letzten Hochschulen gedrängt, schnelle Schritte in Richtung einer Digitalisierung von Studium und Lehre zu gehen und alle haben bewiesen, dass es grundsätzlich funktioniert", erklärt Josephine Sames vom Hochschulforum Digitalisierung. Nun bedarf es aus ihrer Sicht zielgerichteter Investitionen damit die Fortschritte nicht verpuffen.







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Aktuelle Untersuchungen zeigen in der Pandemie einen Digitalisierungsschub an den Hochschulen. Inwieweit sehen Sie die Einrichtungen nun auf die Zukunft vorbereitet?
Die Corona-Pandemie bewirkte eine Ad-hoc-Auseinandersetzung mit der Digitalisierung von Studium und Lehre an den Hochschulen. Dabei konnten diese insbesondere im Bereich der technischen Infrastruktur auf eine gute Basis zurückgreifen. Im Bereich der Lehre war die Ausgangssituation eine andere. Etwa die Hälfte der Lehrenden sammelte während der Pandemie die ersten Erfahrungen mit digitalen Formaten. Die Umstellung funktionierte überwiegend gut und durch den großen Einsatz aller Beteiligten konnten die Studierenden in der Regel ihr Studium fortführen. Die didaktische Vielfalt, welche die digitale Lehre bietet, wurde dabei zumeist jedoch nicht ausgeschöpft – häufig wurden Vorlesungen und Seminare einfach als Videokonferenzen angeboten. Jetzt gilt es, das Momentum der kollektiven digitalen Lehrerfahrung aufzugreifen und den Digitalisierungsschub nicht verebben zu lassen: weg von den technisch einfachen Lösungen des Notbetriebs hin zu didaktisch sinnvollen Formaten in zukunftsfähigen Blended-Formaten.

Kurz gesagt: Die Corona-Pandemie hat auch die letzten Hochschulen gedrängt, schnelle Schritte in Richtung einer Digitalisierung von Studium und Lehre zu gehen und alle haben bewiesen, dass es grundsätzlich funktioniert. Nun werden die Hochschulen zeigen müssen, ob sie auch ohne Druck die Richtung beibehalten und Unsicherheiten bald selbstbewussten und zielgerichteten Schritten weichen.

Viele IT-Experten an den Hochschulen befürchten, dass Mittel für Digitalisierung nach der Pandemie nicht mehr im gleichen Umfang zur Verfügung stehen - wie lässt sich der Digitalisierungsschub verstetigen?
Die abrupte Umstellung auf eine digitale Lehre konnten die Hochschulen vor allem durch die kurzfristige Bereitstellung oder Umwidmung von finanziellen Mitteln sowie die enorme Einsatzbereitschaft ihrer Mitarbeiter*innen bewerkstelligen. Dies ist jedoch keine Dauerlösung. Der Großteil der Mittel stand nur in der Krisensituation zur Verfügung, zudem fallen u. a. durch das Auslaufen des Qualitätspakts Lehre Mittel weg.

Von staatlicher Seite aus werden in den kommenden Jahren Milliardensummen über den Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken frei, eine nachhaltige Personalplanung soll hierbei berücksichtigt werden. Dies ist ein guter Startpunkt – in der Ausgestaltung haben sich jedoch nicht alle Bundesländer klar in Richtung einer Digitalisierung von Studium und Lehre positioniert. Inhaltlich enger gefasst war die Förderbekanntmachung der neugegründeten Stiftung Innovation in der Hochschullehre, die einen Fokus auf die Stärkung der Hochschullehre durch Digitalisierung setzt. Knapp 140 Projekte werden in diesem Rahmen gefördert. Dies ist ein guter Ansatz, reicht für eine flächendeckende Verstetigung der Maßnahmen jedoch ebenfalls nicht aus. Die Hochschulen und ihre Institutionen müssen entscheiden, wie sie sich strategisch positionieren wollen. Sollen die im Notbetrieb gestarteten Maßnahmen in nachhaltige Digitalisierungsvorhaben münden, dann müssen diese zügig in entsprechende Anschlussprozesse überführt werden. Dies ist nur mit einer
angemessenen finanziellen und personellen Ausstattung möglich und bedarf zielgerichteter Investitionen – jetzt! Andernfalls laufen die Hochschulen Gefahr, dass die erst kürzlich gemachten, mühevollen Fortschritte im Post-Corona-Hochschulalltag allzu schnell verpuffen.

Viele Hochschulen haben die Krise genutzt, um neue Kooperationen einzugehen bzw. bestehende zu intensivieren. Welche Chancen und Herausforderungen sehen Sie in Kooperationen von Einrichtungen?
Sowohl interne als auch externe Kooperationen bieten vielfältige Chancen, sich Kosten und Arbeitsaufwand zu teilen und die Interdisziplinarität zu erhöhen. Insbesondere kleine Hochschulen profitieren von hochschulübergreifenden Kooperationen, beispielsweise wenn es um die Einrichtung technischer Infrastruktur wie Campus oder Learning Management Systeme geht. Bundesländer wie Sachsen oder das Saarland haben sich hier bereits vor der Pandemie auf den Weg gemacht und setzen landesweit gemeinsame Lösungen um. Neben dem Zusammenschluss von Rechenzentren können Kooperationen insbesondere für hochschuldidaktische Zentren spannend sein. Im Bereich der E-Learning-Initiativen gibt es ebenfalls bereits zahlreiche landesweite Zusammenschlüsse. Die Bedarfe sind weitgehend gleichförmig und so muss nicht jede Hochschule das Rad neu erfinden. Denkbar sind zudem themenbezogene Kollaborationen wie bei der juristischen Auseinandersetzung mit Online-Prüfungen.

Auch auf fachlicher Ebene können Synergieeffekte entstehen, wenn Lehrinhalte hochschulübergreifend bereitgestellt werden und sich Lehrende auf diese Weise zeitliche Ressourcen für einen intensiveren Austausch mit ihren Studierenden „herausarbeiten“. Obwohl flächendeckend der Wunsch nach größeren Zeitfenstern für die Betreuung besteht, werden gerade hier die Potenziale von Blended Learning-Formaten und Kooperationen oftmals noch nicht ausreichend in Betracht gezogen. Grundsätzlich gilt: Auch wenn die Pandemie als Treiber für Kooperationen gewirkt hat, benötigt es, wie so oft, den strategischen Rückhalt, u.a. von der Hochschulleitung, und die daraus resultierenden Ressourcen, um diese auch nach der Krise beizubehalten und sie im besten Fall zu verstetigen.

Neben der Digitalisierung der Lehre lassen sich insbesondere in der Hochschulverwaltung Prozesse digital effizienter gestalten - welche Potenziale sehen Sie auf diesem Feld?
Selbstredend sollten Digitalisierungsvorhaben immer mit einer ganzheitlichen Strategie einhergehen, beispielweise im Rahmen eines Hochschulentwicklungsplans. Die Hochschulverwaltung stellt dabei einen Kernbereich dar – ohne effiziente Handlungsketten lahmen viele Prozesse, was wiederum alle Hochschulangehörigen einschließlich Studierende und Lehrende betrifft. Je nach Bezugspunkt liegen in diesem Bereich unterschiedliche Voraussetzungen vor. Zwar waren Campus Management Systeme bereits vor der Pandemie in der Breite implementiert, dennoch existieren weiterhin partiell Insellösungen und es sind beispielsweise noch immer nicht alle Verfahren zur Studienplatzbewerbung oder für Prüfungs- und Notenbescheide vollständig elektronisch.

Nachholbedarf scheint es zudem im Bereich des Ressourcenmanagements zu geben, wo mitunter erst durch die Pandemie bestimmte Abläufe nicht mehr dem ausgedruckten Papierformular bedürfen. Elektronische Verfahren bieten erhebliche Potenziale zur Verschlankung und Optimierung von hochschulinternen Prozessketten, indem sie Zugang und Austausch von relevanten Informationen und Daten vereinfachen. Aber auch darüber hinaus: Möchte eine Hochschule durch eine effiziente Studienorganisation punkten und sich wettbewerbsfähig, serviceorientiert und kostenbewusst aufstellen, wird sie langfristig kaum um eine Digitalisierung der Hochschulverwaltung herumkommen.

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