Welche Auswirkungen hat der Beschluss des Niedersächsischen Landtags gegen DAB+ auf die Zukunft des digitalen Übertragungs-Standards in Deutschland?
Studien zeigen, dass schon in wenigen Jahren Programmanbieter, die ausschließlich auf UKW setzen, Reichweitenverluste und damit Einbußen an ihrem werbefinanzierten Geschäftsmodell erleben werden. DAB+ und Internet-Radiostreams sind darum ein Muss. Das unterstreichen auch die Zahlen der aktuellen AGMA Studio ma Audio II. Die Nachfrage nach DAB+ wächst, wie die Bedarfsabfragen und Ausschreibungen in zahlreichen Bundesländern zeigen.
Niedersachsen droht, sich ein Stück weit von der Digitalisierung des terrestrischen Rundfunks in Europa und in Deutschland abzukoppeln. Das ist umso erstaunlicher, als die DAB+-Förderung als gemeinsames Ziel von Bund und Ländern verfolgt wird. Die Auswirkungen der Entscheidung dürfen aber nicht überbewertet werden. Es mag in Niedersachsen - anders als in den meisten anderen Bundesländern - sobald keine regionalen DAB+ Multiplexe geben. Hörer genießen aber auch in Niedersachsen bereits heute dank des ersten bundesweiten Multiplexes und der regionalen NDR-Multiplexe eine viel größere Programmvielfalt als mit UKW.
Laut dem Beschluss ist DAB+ nur eine Übergangslösung und digitales Radio werde künftig über breitbandiges Internet wie den Mobilfunkstandard 5G übertragen. Welche Vor- und Nachteile hat IP-basierte Verbreitung von Radioprogrammen gegenüber Broadcast aus Ihrer Sicht?
DAB+ ist keine Übergangslösung. Die Ministerpräsidentenkonferenz hat im Juni erst die Kapazitätszuordnung für den ersten bundesweiten DAB+ Multiplex bis 2035 einstimmig verlängert, übrigens auch mit der Stimme des Landes Niedersachsen.
5G wird noch viele Jahre nicht flächendeckend zur Verfügung stehen, selbst rund ein Jahrzehnt nach seiner Einführung klaffen selbst bei 4G (LTE) noch riesige weiße Löcher. Radio Broadcast ist im heutigen 5G-Standard nicht enthalten und es ist unklar, ob es überhaupt Eingang in den Standard finden wird. Broadcast über DAB+ ist hingegen eingeführt, stabil und es gibt bereits ein flächendeckendes Netz, sowie eine Vielzahl von Endgeräten. Technisch hat es keine Nachteile gegenüber 5G.
Broadcast bietet gegenüber IP etliche Vorteile, die wichtigsten davon: Stabilität, Skalierbarkeit bei der Massenverbreitung und Krisensicherheit z.B. im Katastrophenfall.
Der Beschluss verweist darauf, dass die Finanzierung der DAB+-Verbreitung der öffentlich-rechtlichen Radiostationen aus dem Rundfunkbeitrag die privaten Stationen benachteilige. Inwieweit sehen Sie hier eine Schieflage und ggf. Möglichkeiten diese zu beseitigen?
Media Broadcast arbeitet sowohl mit privaten wie mit öffentlich-rechtlichen Hörfunkanbietern eng zusammen. Das duale Prinzip aus gebührenfinanziertem öffentlich-rechtlichem und werbefinanziertem privatem Hörfunk hat sich bewährt. Das Beispiel Bayern zeigt, dass sich UKW und DAB+ genauso wenig ausschließen wie öffentlich-rechtliche und private Anbieter. Dass der VAUNET dafür eintritt, die Simulcast-Kosten seiner Mitglieder für UKW und DAB+ abgefedert zu bekommen, ist legitim. DAB+ aber als Übergangstechnologie zu bezeichnen und den Eindruck zu erwecken, 5G könne bereits mittelfristig eine Alternative darstellen, geht an der Realität vorbei.
In Österreich sind gerade Ende Mai eine ganze Reihe Privatradios auf DAB+ on Air gegangen, in Norwegen ist UKW abgeschaltet. Wie bewerten Sie den Niedersächsischen Vorstoß im europäischen Kontext?
Wie schon mehrere Redner im Rahmen dieser Debatte ausgeführt haben, ist DAB+ in Europa auf dem Vormarsch und in Deutschland weitgehend etabliert. Niedersachsen droht sich ein Stück weit von der Digitalisierung des terrestrischen Rundfunks in Europa und in Deutschland abzukoppeln.
Die Entscheidung verhindert mehr Vielfalt im Radioangebot Niedersachsens. Die Gründe dafür entziehen sich unserer Erkenntnis.