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Caritas fordert digitale Befähigungsinitiative für alle Altersgruppen

Wer Extra-Angebote für die digitale Teilhabe braucht

Dr. Peter Neher – Präsident des Deutschen Caritasverbandes Quelle: Caritas/ Anke Jacob Dr. Peter Neher Präsident Deutscher Caritasverband 27.01.2020
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Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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"Wir leben in einer Gesellschaft, in der digitale Teilhabe immer mehr zum Schlüssel für soziale Teilhabe wird", weiß Caritas-Präsident Dr. Peter Neher. Ein wichtiger Punkt ist die Weiterbildung. Die Caritas will sich hierbei auch als Bildungsanbieterin positionieren. Doch im Digitalen gibt es für Neher auch Risiken.







Nach einer Untersuchung im Vorfeld eines deutschlandweiten Digitaltages steht hierzulande einer digitalaffinen Mehrheit eine Bevölkerungsgruppe entgegen, die digitalen Technologien skeptisch oder ablehnend gegenübersteht. Was bedeutet das für die Gesellschaft?
Wir leben in einer Gesellschaft, in der digitale Teilhabe immer mehr zum Schlüssel für soziale Teilhabe wird. Wenn aber laut der Studie, die Sie ansprechen, 36 Prozent der deutschen Bundesbürger die Digitalisierung eher als Gefahr und nicht als Chance empfinden, ist es Zeit, einen kritischen Blick darauf zu werfen. Nutzt die Digitalisierung den Menschen? Werden Menschen in unserer Gesellschaft zu Verlierern der Digitalisierung? Vor uns liegt deshalb die große Aufgabe, digitale Angebote so niedrigschwellig zu gestalten, dass wirklich alle Menschen sie nutzen können: Auch Menschen die der Technik gegenüber skeptisch sind, die am Rande der Gesellschaft stehen, in prekären Verhältnissen leben oder eine Beeinträchtigung oder Behinderung haben.

Bezahlen per App, Terminvergabe online – private, aber auch öffentliche Institutionen setzen verstärkt auf digitale Lösungen. Wie lässt sich verhindern, dass Digital-Skeptiker aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden?
Um zu verhindern, dass Menschen ausgeschlossen werden, ist eine verlässliche `Breitbandversorgung für alle´ nicht die alleinige Lösung. Dazu gehört auch ganz wesentlich, Menschen die Angst vor digitalen Modulen zu nehmen und ihnen zu zeigen, wie sie damit umgehen und sie nutzen. Wenn beispielsweise zunehmend mehr Vorgänge der öffentlichen Verwaltung online erledigt werden sollen, brauchen alle Menschen einen Zugang zur Technik und die Fähigkeiten und das Wissen, um dem entsprechen zu können. Eine umfangreiche Befähigungsinitiative zum Erwerb digitaler Kompetenzen für alle Altersgruppen könnte eine Lösung sein. Das ist ja ein Teil der sozialen Daseinsvorsorge – die Teilhabe am digitalen Leben. Wir sind davon überzeugt, dass es zwingend erforderlich ist, die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse auch im virtuellen Raum zu gewährleisten.

Die Befragten schätzen ihre eigene digitale Kompetenz im Schnitt gerade einmal als ausreichend ein. Was muss diesbezüglich passieren?
Menschen, denen die Nutzung der neuen technischen Mittel zu kompliziert erscheint, brauchen Medien- und Technikkompetenz. Die Caritas setzt sich sozialpolitisch dafür ein, auch die Menschen digital weiterzubilden, die nicht über den Arbeitsplatz fortgebildet werden. Langzeitarbeitslose, niedrigqualifizierte und ältere Menschen brauchen unserer Ansicht nach Extra-Angebote, um nicht abgehängt zu werden. Jugendliche müssen auf die veränderte digitalisierte Arbeitswelt vorbereitet und auch die Menschen mittleren Alters erreicht werden. Das gilt aber nicht nur für die Arbeitswelt der Menschen, sondern auch damit sie souverän an einer zunehmend digital vernetzten Gesellschaft bei Behörden, bei der medizinischen Versorgung, beim Ehrenamt, bei Bankgeschäften usw. teilnehmen können. Innovativ wäre eine groß angelegte Bildungsoffensive von Bund und Ländern mit Bildungskonzepten für lebenslanges Lernen und innovativen Weiterbildungsmodellen. Auch die Caritas will sich hierbei noch stärker als Bildungsanbieterin positionieren: Von der Kita über die Schulsozialarbeit, von der Pflegeschule bis zum Mehrgenerationenhaus verfügt die Caritas über mögliche Lernorte, an denen die Vermittlung digitaler Kompetenzen befördert werden kann.

Bei Lösungen über Smartphone-Apps werden die Daten regelmäßig von großen (amerikanischen) Internet-Konzernen verwaltet. Was muss die Politik gegen den Missbrauch dieser Daten tun?
Risiken sehe ich im verantwortungslosen Sammeln persönlicher Daten. Dass einige Firmen in den digitalen Märkten massive Monopol-Stellungen erreicht haben, beobachten wir mit Sorge. Netzpolitik muss an dieser Stelle auch Sozialpolitik sein und den Menschen Vielfalt und Wahlfreiheit garantieren. Eine Kernfrage ist, wer reguliert die Algorithmen in automatisierten Entscheidungsprozessen und kontrolliert Systeme künstlicher Intelligenz und schützt die teils sehr persönlichen Daten und Profile, die dabei entstehen können? Die Aktivitäten und Haltungen von Menschen werden damit vorhersehbar und letztlich manipulierbar: es sind ja schon verhaltensbasierte Versicherungstarife auf dem Markt. Kunden- und Prozessdaten werden oft unter fragwürdigen Bedingungen gesammelt und vermarktet, denn die wenigsten Betroffenen haben die langen Bedingungen so gelesen und verstanden, dass von informierter Einwilligung die Rede sein könnte. Datensouveränität, die den Bürgerinnen und Bürgern mehr Macht über ihre Daten sichert, muss ein zentrales Ziel netzpolitischer Anstrengungen sein, um die Selbstbestimmung der Menschen zu erhalten.

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