Der neue ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm kündigt Einschnitte im Programm an, falls die Rundfunkbeiträge nicht wenigstens um einen Teuerungsausgleich ansteigen. Wie bewerten Sie das? Insbesondere auch da die KEF im Dezember verbreitete, dass die Öffentlich-Rechtlichen bis 2020 mit weniger Geld auskommen müssten, als sie angemeldet haben.
Die KEF überprüft die Anmeldung der Anstalten und nimmt Kürzungen dann vor, wenn Sie Einsparpotentiale identifiziert und oder wenn sie die Anmeldungen in Einzelpunkten als nicht schlüssig bewertet. Die KEF kann und darf aber keinen Einfluss auf die Programmgestaltung nehmen.
Die Frage, wie hoch der Rundfunkbeitrag ab 2020 sein wird, beschäftigt derzeit die Länder. Es ist in Betracht zu ziehen, dass der Beitrag seit 2009 nicht mehr erhöht (und 2015 sogar gesenkt) wurde und dass es dadurch auch zu einer Abkoppelung von der Teuerungsrate gekommen ist. Diese wachsende Lücke muss jedenfalls rein rechnerisch irgendwann zu einer Beitragsanpassung führen.
Um dem entgegenzuwirken, sind die Rundfunkanstalten aufgerufen, Sparpotentiale zu suchen und zum Beispiel durch verbesserte Kooperationen und durch eine Modernisierung der Verwaltungsabläufe Kosten zu sparen. Die Rundfunkanstalten haben den Ländern dazu erste Vorschläge unterbreitet, über die zur Zeit beraten wird. Anstalten und Länder müssen in den weiteren Diskussionen die richtige Balance finden zwischen den Zielen einer weitgehenden Beitragsstabilität und der Gewähr, dass die Rundfunkanstalten ihren Programmauftrag weiterhin in hoher Qualität erfüllen können. Beides ist essentiell für die Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
Programmlich sieht der neue ARD-Vorsitzende vor allem die Talkshows als „zu dominant“ an – sind diese Formate aus Ihrer Sicht überpräsent im öffentlich-rechtlichen Fernsehen?
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat den Auftrag, die Bevölkerung umfassend zu informieren und zum gesellschaftlichen und politischen Diskurs beizutragen. Die Kontrolle darüber, in welcher Weise und mit welchen Formaten dieser Auftrag erfüllt wird, obliegt den plural besetzten Rundfunkgremien in den jeweiligen Anstalten.
Bei vielen strukturellen Änderungen wie Sender-Zusammenlegungen oder -Kooperationen verweist der neue ARD-Vorsitzende auf die Rechtslage, wobei sich aus Rundfunk- und Kartellrecht Widersprüche ergeben. Welches sind die wichtigsten Veränderungen am Rechtsrahmen, die der öffentlich-rechtliche Rundfunk für seine Zukunft braucht?
Ob und welche Änderungen erforderlich sind, wird zur Zeit unter den Ländern diskutiert.
Die möglichen Reibungspunkte zwischen den gewünschten Kooperationen und dem Kartellrecht werden durch den 21. Rundfunkänderungsstaatsvertrag ausgeräumt, der sich gerade im Ratifikationsverfahren befindet.
Darüber hinaus besteht Einigkeit unter den Ländern, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk auch in einer konvergenten Medienwelt und in einer Zeit des sich wandelnden Nutzerverhaltens in die Lage versetzt werden muss, seinen Auftrag zu erfüllen und das Publikum zu erreichen. Die Modernisierung des Telemedienauftrags steht kurz bevor, die Länder sprechen auch über Regelungen zu Plattformen und Intermediären und über die Neudefinition des Rundfunkbegriffs.
Zur der Frage, ob Kapazitäten zusammengelegt werden können, halte ich es für unabdingbar, dass die Rundfunkregulierung auch weiterhin die Sicherung einer föderalen, dezentralen Berichterstattung im Blick behält. Das Erreichen aller relevanten Zielgruppen sowie das Aufgreifen von regionalen Themen und Identitäten sowie von Themen, die außerhalb des bundesweiten Mainstreams liegen, sind ein Wesenselement des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
Streit gibt es insbesondere auch um die öffentlich-rechtlichen Digitalangebote, insbesondere Presseverlage fühlen sich durch diese bedroht. Welche Inhalte sollten die Öffentlich-Rechtlichen im Netz verbreiten?
Die Bundesrepublik Deutschland hat mit der Einführung des privaten Fernsehens ein duales Rundfunksystem geschaffen, das sich in der Praxis sehr gut bewährt hat. Das Nebeneinander von öffentlich-rechtlichen und von privaten Programmangeboten sollte daher auch für die Zukunft gesichert werden. Nun entwickelt sich das Internet sei es in Form von Mediatheken, sei es über die sozialen Netzwerke oder über weitere Plattformen für eine zunehmende Zahl von Nutzern zur ersten Quelle für die Beschaffung von Informationen und Unterhaltung. Weder die privaten noch die öffentlich-rechtlichen Anbieter werden daher mit ihren herkömmlichen linearen Angeboten dauerhaft ihr Publikum erreichen.
Aus diesem Grunde muss der Rundfunk sein gesamtes Angebot über die digitalen Ausspielwege zum zeitautonomen Abruf anbieten und seine Zielgruppen auch über soziale Netzwerke erreichen können. Den geänderten Rezeptionsgewohnheiten kann nur durch ein eigenes, Internet-spezifisches Angebot Rechnung getragen werden. Die gilt nicht nur für Nachrichtenportale, sondern auch für Unterhaltungsangebote, so wie es zum Beispiel Radio Bremen mit seinem crossmedialen Jugendangebot „Bremen Next“ erfolgreich vormacht.
Soweit dadurch Interessenkollisionen mit privaten Anbietern entstehen, seien es private Rundfunkunternehmen oder Zeitungsverleger, ist jeweils ein Ausgleich zu suchen, der den Interessen beider Seiten entgegenkommt. So haben sich die Länder ja auch bei den jüngsten Auseinandersetzungen zwischen Rundfunkanstalten und Presse mit dem Entwurf für eine neue Telemedienregulierung um einen ausgewogenen Kompromiss bemüht und stehen hier kurz vor dem erfolgreichen Abschluss der Diskussion.
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