Der VPRT fordert bei der Digitalisierung besonderes Augenmerk auf die vielfältige private Radiolandschaft zu legen und verweist dabei auf das Grundgesetz. Muss und kann die Politik das Privatradio tatsächlich schützen?
Bündnis 90/Die Grünen setzen auf Medienpluralisums, der in der Radiolandschaft aus einem gut austarierten System zwischen öffentlich-rechtlichem Rundfunk, freiem Radio und Privatradio entsteht. Im Zuge der Digitalisierung gilt es durchaus politisch ein Augenmerk darauf zu haben, in welchem Verhältnis Player aus den drei Säulen am Radiomarkt agieren und dass im Rundfunkbereich für alle klare Rahmenbedingungen gelten. Die Aufsicht über den privaten Rundfunk führt die Medienanstalt Berlin-Brandenburg, die dafür sorgen muss, dass Verstöße gegen Lizenzbedingungen nicht folgenlos bleiben.
Wie lässt es sich gesellschaftspolitisch erklären, dass Radio für den Eintritt in die digitale Welt einen Rettungsschirm verlangt, während andere Branchen den Folgen der Digitalisierung schutzlos ausgeliefert sind?
Grüne Medienpolitik steht für Medienvielfalt und qualitativen Meinungspluralismus. Wirtschaftlich und politisch unabhängige Medien sind für Demokratie und Gesellschaft von enormer Bedeutung. Im Zuge der Digitalisierung sollten spartenspezifische Instrumente bedacht werden, die die Folgewirkungen berücksichtigen. Dies sind im Fall von Radio
andere als z.B. von Games. Analog zu der TTIP Debatte gilt für Bündnis 90/Die Grünen den Rundfunk als Kulturgut zu schützen.
Die privaten Radioveranstalter sehen sich finanziell gegenüber den öffentlich-rechtlichen Sendern benachteiligt und wollen „Positivanreize“ für den digitalen Umstieg. Welche Förderung könnten Sie sich vorstellen?
Als Fraktion B90/Die Grünen unterstützen wir das Duale System in der Medienlandschaft und setzen uns für möglichst große journalistische Vielfalt unter den Medienprodukten ein, eingeschlossen die regionale Berichterstattung in Print-, Hörfunk- oder Fernsehformaten. Unbestritten sind regionale Sender auf die Einnahmen aus dem regionalen Werbemarkt angewiesen. Gleichzeitig ist der Werbemarkt durch die Verbreitung über digitale Kanäle stark im Wandel. Im Rahmen der Debatte über gesetzlichen Regelungsbedarf für regionale Werbung habe ich drauf hingewiesen, dass der Schutz regionaler Medienprodukte durch ein gesetzliches Verbot zur regionalen Werbeausstrahlung über Kabelsender zeitlich nur sehr begrenzt wirkungsvoll sein wird. Bisher argumentieren wir auf einem linearen Verständnis von Rundfunk. Dieses hat sich durch Real Time Bidding über regionalisierte und teils personalisierte Werbung, wie sie z.b. von Medienportalen, betrieben wird, mindestens teilweise bereits überholt. Wenn wir über die gesetzliche Regelungen regionalisierter Werbung nachdenken, müssen wir auf eine Gleichbehandlung der großen Medienplayer achten, die auch verfassungsrechtlich sauber argumentiert ist. Um regionale Medienprodukte langfristig zu schützen brauchen wir daher differenziertere Instrumente als nur ein Verbot für Kabelsender zur regionalen Werbeausstrahlung, denn diese orientiert sich sehr stark an den großen Verlegermodellen und beachtete zu wenig neue Technologien des Empfangs journalistischer Produkte auch im regionalen Gebiet.
Während Handel und Industrie einen klaren Abschalttermin für UKW fordern, wollen die Privatradios solange es geht an ihrem analogen Geschäftsmodell festhalten und auch die ARD will sich nicht festlegen, hat unter diesen Vorzeichen terrestrisches digitales Radio in Deutschland überhaupt eine Chance?
Bündnis 90/Die Grünen setzen sich für einen barrierefreien Zugang zum Rundfunk ein. Dies beinhaltet, die Vielzahl an technischen Geräten aufrecht zu halten und eine Teilhabe an gesellschaftspolitischer Meinungsbildung zu gewährleisten. Die Umstellung auf neue technische Geräte muss sozial und ökologisch verträglich gelöst werden. Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung wird der Umstieg auf digitale Verbreitungswege jedoch die Zukunft sein.