Neue Zielgruppen, individuellere Lehre, schlankere Verwaltung - wo stehen die Hochschulen in Ihrem Bundesland in Sachen Digitalisierung?
Verschiedenste digitale Formate sind bereits seit einigen Jahren selbstverständlicher Bestandteil der Lehre an unseren bayerischen Hochschulen. Mit dem rein digitalen Start in das Sommersemester 2020, der aufgrund der Corona-Pandemie notwendig geworden ist, hat die Online-Lehre in den vergangenen Wochen zusätzlich einen enormen Schub erhalten. Unsere Hochschulen melden uns, dass sie abhängig vom Lehrangebot weit über 90 Prozent der Lehrinhalte digital anbieten können. Mit dem Programm BAYERN DIGITAL und der Innovationsoffensive „Hightech Agenda Bayern“ unterstützen wir sie beim Aufbau der notwendigen digitalen Infrastrukturen für die Lehre. Die Kooperation zwischen den Hochschulen sorgt für große Synergien bei der Weiterentwicklung der Digitalen Bildung. Die Verbundorganisation „Virtuelle Hochschule Bayern“ (vhb), im Jahr 2000 gegründet, bietet schon seit vielen Jahren curricular verankerte Online-Lehrveranstaltungen an, die die Lehre an einer einzelnen Hochschule um hochschulübergreifende digitale Angebote ergänzen. So erhalten unsere Studentinnen und Studenten die Möglichkeit, individuell örtlich und zeitlich flexibel ECTS-fähige Studieninhalte zu bearbeiten.
Bei aller Aufbruchsstimmung, die an den bayerischen Hochschulen herrscht, müssen wir aber immer eines mitdenken: Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sondern muss den Menschen dienen und einen Mehrwert für die Lehre bieten. Er muss sich dabei vor allem am Nutzen für die Studentinnen und Studenten und die Dozentinnen und Dozenten messen lassen: Der Mehrwert besteht aus meiner Sicht ganz klar in der Individualisierung, Flexibilisierung und Verbesserung der Reichweite der Lehrangebote.
Die bayerischen Universitäten und Hochschulen erreichen auch neue Zielgruppen: Seit Juli 2019 bietet die Plattform „OPEN vhb“ allen interessierten Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit, sich ganz bequem von zu Hause aus auf Hochschulniveau über ein umfangreiches Online-Angebot weiterzubilden – unabhängig von Schulabschluss und Wohnort.
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Die Digitalisierung kann den Hochschulbetrieb effizienter machen - zunächst braucht es aber Investitionen. Wie unterstützen Sie die Hochschulen in Ihrem Bundesland dabei?
Wir haben die erforderlichen fachlichen und strukturellen Rahmenbedingungen frühzeitig geschaffen – das kommt uns in der gegenwärtigen Situation natürlich zugute. Mit Unterstützung meines Ministeriums und gefördert über das Programm „Digitaler Campus Bayern“ haben die Hochschulen erhebliche Anstrengungen unternommen, um sich den Herausforderungen der Digitalisierung insbesondere auch in der Lehre zu stellen. Im Kontext des Programms wurden z.B. Online-Lehrformate für unterschiedliche Fachdisziplinen entwickelt. Sie werden bereits hochschulübergreifend eingesetzt.
Technische Basis für die Online-Lehre sind leistungsfähige Netzinfrastrukturen. Wir unterstützen die Hochschulen seit langem bei der Finanzierung leistungsfähiger und ausfallsicherer Netzanschlüsse innerhalb des Deutschen Forschungsnetzes (DFN). Dabei können sie auch auf die Expertise der beiden wissenschaftlichen Netzkompetenzzentren in Süd- und Nordbayern, des Leibniz-Rechenzentrums der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München und des Regionalen Rechenzentrums Erlangen der Universität Erlangen-Nürnberg, bei Aufbau und Management von Datennetzen und Netzzugängen (auch über WLAN) zurückgreifen.
Selbstverständlich arbeiten wir gemeinsam mit unseren Hochschulen weiter daran, die Digitalisierung voranzubringen.
Das digitale Lernen braucht technisch gut ausgerüstete Studierende. Wie lässt sich dabei eine Verstärkung der sozialen Spaltung verhindern?
Digitale Lehrkonzepte können Studentinnen und Studenten bei einem individuellen und flexiblen Studium unterstützen. Selbstverständlich ersetzen sie Präsenzveranstaltungen, persönliche Begegnungen und den regulären Lehrbetrieb nicht, aber sie können eine Brücke zum üblichen Studienbetrieb bauen. Im Sinne der Bildungsgerechtigkeit soll der Zugang zu den digitalen Lehr- und Lerninhalten jeder Studentin und jedem Studenten offenstehen. Fast alle jungen Menschen verfügen über Computer, Tablet oder Smartphone, wie aktuelle Ergebnisse zur Mediennutzung von Jugendlichen in Deutschland zeigen. Trotzdem reicht das manchmal nicht. Für Studentinnen und Studenten an staatlichen Hochschulen in Bayern, die aus finanziellen Gründen noch keinen Zugang zum digitalen Lehrangebot haben, gibt es die Möglichkeit, Fördermittel zu beantragen. So können bedürftige und begabte Studentinnen und Studenten beispielsweise aus Mitteln des Oskar-Karl-Forster-Stipendium-Fonds einmalige Beihilfen zwischen 100 Euro und 500 Euro zur Beschaffung von Lernmitteln erhalten. Die Vergabe der Beihilfen, die auch für die technische Ausstattung für die Inanspruchnahme der Online-Lehrangebote gewährt werden, erfolgt dann auf schriftlichen Antrag durch die zuständige Hochschule.
Bei der Digitalisierung setzen die Hochschulen häufig auf Kooperationen, zugleich sollen sie aber ihr Profil im Wettbewerb stärken. Wie lässt sich der Widerspruch von Kooperation und Konkurrenz auflösen?
Mit der bereits erwähnten Verbundorganisation Virtuelle Hochschule Bayern (vhb) stellen 31 bayerische Universitäten und Hochschulen seit 20 Jahren unter Beweis, dass hochschul- und hochschultypenübergreifende Kooperation in der Lehre möglich ist.
Die Hochschulen haben eigene Digitalstrategien und bieten ihren Studentinnen und Studenten sowohl hochschulinterne als auch hochschulübergreifende digitale Inhalte an. Die hochschulübergreifenden digitalen Lehrangebote werden von der vhb gefördert und von den Lehrenden an den einzelnen Hochschulen entwickelt. Damit bleibt das individuelle Profil von Hochschule und Lehrenden erkennbar. Konsortialpartnerschaften stellen sicher, dass die Lehrveranstaltungen bedarfsorientiert entwickelt werden und an mindestens zwei Hochschulen curricular verankert sind. Damit haben wir ein stabiles und wirksames Netzwerk. Die Online-Lehrangebote stehen allen Studentinnen und Studenten an den Trägerhochschulen kostenfrei zur Verfügung. Im vergangenen Studienjahr haben über 62.000 Studierende fast 200.000 Kursbelegungen vorgenommen. Das zeigt, dass das Modell funktioniert und attraktiv ist.