Mit Förder-Milliarden soll Deutschland zur führenden Wasserstoffnation werden. Inwieweit ist das mit der nationalen Wasserstoff-Strategie der Bundesregierung erreichbar?
Die Bundesregierung will den Markthochlauf der Wasserstofftechnologie und die entsprechende Infrastruktur voranbringen. Im Corona-Konjunkturprogramm liegt der Fokus auf grünem Wasserstoff zur Dekarbonisierung der Industrie und in Teilen des Verkehrs. Glaubhaft ist das nur, wenn die Ausbauziele für Elektrolyseleistung und die dafür notwendige Erneuerbare Energie den echten Bedarfen entspricht. Die Bundesregierung erwartet bis 2030 einen Anstieg des Wasserstoffbedarfs auf 90 bis 110 TWh. Bis dahin soll eine nationale Produktion von 14 TWh grünem Wasserstoff bzw. 5 GW Elektrolyseleistung aufgebaut werden. Nach unseren Berechnungen braucht es zusätzlich 206 TWh Ökostrom im Kontext der Sektorenkopplung (davon 105 TWh für PtX-Anwendungen wie Wasserstoff) um die Klimaschutzziele der Bundesregierung für 2030 zu erreichen.* Hier muss die Wasserstoffstrategie der Bundesregierung nachgebessert und durch entsprechende Ausbauziele für heimische Erneuerbare Energien unterlegt werden. Hierfür ist das EEG anzupassen, aber auch Genehmigungen und Flächen auszuweiten.
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Insbesondere im Verkehrssektor könnte Wasserstoff eine wichtige Rolle spielen - in welchem Verhältnis stehen Wasserstoff-Technologien in diesem Bereich zur batteriebasierten Elektromobilität?
Grüner Wasserstoff hat vor allem in der Industrie, beispielsweise in der Stahlerzeugung, ein erhebliches Potenzial. Im Verkehrssektor macht Wasserstoff dort Sinn, wo ein direkter Einsatz von Erneuerbarer Energie, ob als Ökostrom oder flüssiger oder gasförmiger Biokraftstoff technisch schwierig, weniger effizient und volkswirtschaftlich teurer ist. Das betrifft insbesondere den Schwerlast-, Schiffs- und Flugverkehr, aber auch Teile von gewerblichen Fahrzeugflotten. Der Bedarf alternativer Antriebe und Kraftstoffe ist insgesamt riesig, denn im Verkehrssektor sind wir noch weit von den Klimazielen und Ausbauzielen für Erneuerbare Energien entfernt. Zudem hinkt Deutschland bei der Elektromobilität hinterher. Das ist für einen Automobilstandort im internationalen Wettbewerb ein Alarmzeichen. Dabei bietet gerade die intelligente Verbindung von Energie- und Verkehrssektor die Möglichkeit, Verkehr effizienter und sauberer zu machen und an einem innovativen Standort die Arbeitsplätze der Zukunft zu sichern. Hierzu sollten Elektroantriebe auf Basis Erneuerbarer Energien und der Einsatz von Grünem Wasserstoff beisteuern.
Bei der Erzeugung von Wasserstoff können auch fossile Rohstoffe zum Einsatz kommen - wie "sauber" ist Wasserstoff-Energie angesichts dessen?
Nur CO2-freier Wasserstoff ist grün und sauber. “Blauer Wasserstoff” auf Erdgasbasis ist ein mit falschem Etikett verkauftes Produkt der fossilen Welt und stellt lediglich eine Scheinlösung dar. Denn er ist mit hohen Treibhausgas-Emissionen aus der Förderung, Verarbeitung und dem Transport des Erdgases belastet. Zudem gelangen trotz CO2-Abscheidung je nach Abscheide-Verfahren unterschiedliche große Mengen CO2 in die Atmosphäre. Klimaneutralität lässt sich so nicht erreichen. Nur per Elektrolyseverfahren aus erneuerbarem Strom gewonnener grüner Wasserstoff verursacht keine CO2-Emissionen. Wind- und Sonnenenergie sind mittlerweile wettbewerbsfähig. Und auch die Kosten der gängigen Elektrolyse-Verfahren fallen derzeit rasant. Dank weiterer Innovationen und Verbesserungen werden sowohl bei den Kosten als auch bei der Effizienz der Elektrolyse sprunghafte Fortschritte erwartet. Voraussetzung für den Aufbau einer grünen Wasserstoffwirtschaft ist der beschleunigte Ausbau erneuerbarer Energien. In der von der Bundesregierung vorgelegten Wasserstoffstrategie wird das Thema CO2, das zur Synthese von PtX-Produkten verwendet wird, vollständig ausgeblendet. Es müssen ambitionierte und transparente Nachhaltigkeitskriterien für verschiedene H2-Produkte angelegt werden, welche den gesamten CO2-Fußabdruck der jeweiligen H2-Produkte einbeziehen und sichtbar machen.
Die Strategie setzt auch auf den Import von Wasserstoff, etwa aus afrikanischen Ländern. Wie bewerten Sie das?
Wasserstoffimporte, insbesondere aus Wind- und sonnenreichen Ländern werden in Zukunft im Rahmen von internationalen Energiepartnerschaften eine Rolle spielen. Trotzdem kommt es jetzt auf die richtige Reihenfolge an: Es gilt zunächst die heimischen Potenziale zu 100 Prozent auszuschöpfen und einen schnellen Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft zu organisieren. Diese liegen vor allem darin, die derzeit nicht im Strommarkt zu integrierenden Mengen aus der Erzeugung von Ökostrom sinnvoll aufzufangen und einzusetzen. Darüber hinaus schlummert auch in der Nutzung von Post-EEG-Anlagen ein großes Potenzial. Ein wirtschaftlich lohnender Weiterbetrieb von Anlagen, die Anfang 2021 aus der EEG-Förderung fallen, könnte genutzt werden, um grünen Strom in Elektrolyseure zu bringen. So könnte bereits zu Beginn des Jahres 2021 grüner Wasserstoff in großem Maßstab erzeugt werden. Hierzu bedarf es aber jetzt des notwendigen regulatorischen Rahmens. Grundsätzlich sollte in der Debatte um importierten Wasserstoff, beispielsweise aus afrikanischen Ländern die Frage berücksichtigt werden, dass diese Länder zunächst die Deckung des heimischen Bedarfs mit Grünstrom auf den Weg bringen müssen, bevor sie große Wasserstoffmengen in andere Länder exportieren. Und auch die Energie- und Kostenbilanz der Transport- und Umwandlungswege ist im Vergleich zur nationalen oder auch europäischen Produktion zu berücksichtigen. Es gab mit „Desertec“ schon mal ein Wüstenprojekt, das sich am Ende nicht lohnte.
* https://www.bee-ev.de/fileadmin/Publikationen/Positionspapiere_Stellungnahmen/BEE/20190606_BEE_Szenario_2030_online.pdf