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Interview08.03.2016

AvD warnt vor Risiken bei Car Entertainment

Warum der klassische Rundfunk auch im Connected Car wichtig ist

Johannes Th. Hübner, Automobilclub von Deutschland (AvD) Quelle: AvD Johannes Th. Hübner Pressesprecher Automobilclub von Deutschland (AvD)
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Uwe Schimunek
Freier Journalist
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Die Überflutung mit Car-Entertainment in modernen Connected Cars kann gefährlich werden, sagt Johannes Th. Hübner vom Automobilclub von Deutschland (AvD) und nennt eine Reihe von Anforderungen an die Technik. Auch beim Datenschutz bestehe dringender Handlungsbedarf. Und der klassische Rundfunk solle erhalten bleiben.





Im Jahr 2020 rechnet der VDA mit 16 Millionen sogenannten „Connected Cars“, die über eine Internetverbindung verfügen. Wie wird sich das Car-Entertainment im Zuge dessen verändern?
Der AvD sieht dieses Ziel mit gemischten Gefühlen, denn schon heute sind nur 4 der rund 18 Angebote im Connected Car dem Verkehr und der Verkehrssicherheit gewidmet. Alles überall tun zu wollen steht im Widerspruch zu der anspruchsvollen Aufgabe, bei steigendem Verkehrsaufkommen sicher zu fahren. Der AvD setzt sich deshalb für eine Art ethischen Codex ein, der definiert, was sein muss, sein darf und nicht sein sollte. Psychologen wissen, das 52% aller Menschen irgendeine Art von Suchtverhalten haben. Das sind jene, die die Meldungen der Bordsysteme auch dann sofort sehen und beantworten wollen, wenn es das Verkehrsgeschehen nicht zulässt. Eine Vielzahl von Unfällen durch Smartphone-Nutzung macht große Sorgen. Das Car-Entertainment sollte nicht nur ausschliesslich im Stand oder in Fahrt vom Beifahrer bedienbar sein, sondern auch damit zusammenhängen, ob die Mischung aus Musik, Infos, Nachrichten und Signaltönen zur Situation passt. Die Redundanz der einzelnen Infotainment-Ebenen sollte oberste Priorität haben, das heißt, das Radio schweigt beim Telefonieren, das Telefonieren wird von wichtigen Verkehrsinfos unterbrochen und Audio-Angebote müssen auf passende Slots warten. Dies vor allem auch deshalb, weil Mails, Smartphone-Abuse, SMS und anderes auch noch auf den Fahrer einstürmen. Die kommenden Head-Up-Displays sollten deshalb nicht erlauben, die eingehende Mail-Post über das Verkehrsbild zu legen, denn auch die Sprachsteuerung überfordert jene 51% der Bevölkerung, die keine Multitasker sind – die Hälfte aller Autofahrer sind latente Unfallopfer oder –verursacher. "Bitte nicht mit dem Fahrer sprechen" kann man nicht ohne Grund seit 80 Jahren in allen Bussen lesen.

Car-Entertainment spielt mit der Lust des Menschen. Das birgt das große Risiko, an der falschen Stelle Dinge zu tun, die man besser lassen sollte – solche Systeme brauchen deshalb täglich und bei jedem Start erneut die Warnung, dass die ungehemmte Nutzung tödliche Folgen haben kann.

Der AvD weist darauf hin, dass Car-Entertainment nicht zwingend fest ins Fahrzeug eingebaut werden müsste. In Zukunft werden die vorhandenen Schnittstellen entscheiden, ob der im Modal-Split jederzeit das Fahrzeug wechselnde Nutzer ein Fahrzeug akzeptiert. Der moderne Nutzer bringt schon heute seine Entertainment-Systeme „handheld“ mit, er zahlt ja schon die Nutzung des jeweiligen Verkehrsmittels via Electronic Device und unter jungen Menschen ist das „Quick Hopping“ zwischen Mobilitätsangeboten wichtiger als der Besitz eines eigenen Fahrzeuges, 25% der jungen Nutzer geben das heute schon zu Protokoll. In Zukunft wird nicht die Frage, was das Auto kann entscheiden, sondern was man MIT dem jeweiligen „individual mover“ tun kann. So, wie jeder Netzstrom im ICE und im Fernbus wie selbstverständlich erwartet, setzt man ab sofort in modernen Fahrzeugen Easy-Accessible-Schnittstellen voraus. Man gibt zu Hause seine Fahrtwünsche ein und folgt dem Weg, den das „Mobile Device“ vorgibt, egal welches Verkehrsmittel empfohlen wird. Schon heute erfährt man als User im Zug, ob ein Flinkster bereit steht, wo ein Bus ausfällt gibt’s sofort Car2go, man ist bei "Call a Bike", steppt in Car-Sharing-Angebote und weiß, da ist immer auch noch ein Taxi … Die Industrie ist sich hoffentlich der Tatsache bewusst, dass das mit Car-Entertainment vollgestopfte Eigentumsvehikel schon sehr bald nicht mehr State of the Art sein wird.     

Derzeit nutzen hören laut MA 44 % der Autofahrer Radio. Haben die klassischen Sender und die Verbreitung über UKW/DAB+ noch eine Chance im „Connected Car“?
Zunächst kämpfen die Automobilclubs darum, den terrestrisch empfangbaren Rundfunk zu erhalten. Nicht nur, weil sonst Millionen Autoradios wertlos würden, sondern auch, weil wichtige Informationen unabhängig von der Netzstromversorgung Verbreitung finden müssen. Ein voll digitaler Rundfunk wird ebenso wie die Car-Connections ausfallen, wenn die Netzstromversorgung der Sender, Transmitter, Relais etc. ausfällt. Dazu genügen Schwankungen der Netz-Stabilität, Witterungsunbilden oder Katastrophen, ganz zu schweigen von gezielten Anschlägen auf die Energieversorgung. Eine Gesellschaft kann sich den Verzicht auf eine im Notfall funktionierende Kommunikation nicht erlauben. Davon abgesehen haben die klassischen Sender noch gute Chancen, denn sie bieten ein Angebot, wo Car-Entertainment von seinem Nutzer eine Auswahl verlangt. Features, Sendungen mit großem Wortanteil, aktuelle Berichte, Diskussionen, aber auch Nachrichten und Verkehrsinfos bleiben die Domäne des Rundfunks, auch wenn die Angebote auch im Car-Entertainment gewählt werden können. Der AvD wird sich deshalb für eine intakte Rundfunkstruktur einsetzen, die jeder ohne Zusatzgeräte nutzen kann, das heißt, auch der steigenden Zahl von  rund 3 Millionen Youngtimer- und Oldtimerfahrern bliebe dieser Bereich dann erhalten. Den digitalen Rundfunk kann man sich unabhängig davon via App auf die Schnittstelle Smartphone laden – auch nur eine Frage der Schnittstelle.

Beim „Connected Car“ fallen umfangreiche Daten an. Wie kann künftig ein hinreichender Schutz der Nutzerdaten gewährleistet werden?
Es beginnt damit, dass beim Fahrzeugkauf ein separater Vertrag zur Datennutzung vorgelegt und unterschrieben werden sollte, der die Rechte des Kunden wahrt, nicht die des Verkäufers. Desgleichen bei Fahrzeuganmietungen. Hier ist juristisch extremer Handlungsbedarf, denn schon die bei der IT-Nutzung übliche Vorgehensweise, einen Vertrag daran zu binden, dass man sein Einverständnis mit den Vertragsbedingungen bestätigt, wäre im Hinblick auf Connected Cars geradezu sittenwidrig. Anders als bei der IT-Nutzung muss der Kunde sein Fahrzeug auch dann nutzen dürfen, wenn er einzelnen Passagen des Vertrags, etwa zur Datenweitergabe, explizit widerspricht. Nötig ist ein Vertrag, der das Recht an den gewonnenen Daten ausschließlich in der Entscheidungsgewalt dessen belässt, der das Fahrzeug fährt.

Zusätzlich bedarf es technischer Voraussetzungen: die gewonnen Daten dürfen nicht automatisch an Dritte gesendet werden, sondern sollten in einem fahrzeuginternen Speicher abgelegt werden, den der Nutzer/Kunde allein auslesen kann, ohne dazu Dritte oder seine Werkstatt bemühen zu müssen. Er muss entscheiden, welche Daten er weitergibt, so wie er auch mit seiner Musik- oder Hörbuchauswahl entscheidet, was er bei Dritten bestellt.

Es gilt streng aufzupassen, dass die „offene“ E-Call-Schnittstelle nicht als Datensauger missbraucht werden kann, Entertainment-Angebote sollten deshalb strikt von Sicherheits-Applikationen getrennt werden. Der Grenzbereich zur GPS-Positionierung und dem Navigationssystem muss aufmerksam geschützt und abgeschirmt werden. Der AvD sieht deshalb auch schlüssellose Zugangssysteme als zwar komfortabel, aber unnötig an und weist darauf hin, dass sie die Gefahr missbräuchlicher Nutzung potenzieren!

Google und Apple haben bereits eigene Betriebssysteme fürs Auto. Wachsen hier neue Player auf dem Automobilmarkt heran?
Anders als vielfach angenommen gehen wir davon aus, dass Google und Apple keine eigenen Autos bauen, sondern ihre Betriebssysteme und Applikationen auf geeignete bestehende Fahrzeugangebote mit geeigneten Schnittstellen "aufpfropfen" werden. Beide Player wären schlecht beraten, sich den hunderte Millionen Dollar verschleißenden Umwelt- und Sicherheitstests zu unterziehen und der Gesamtgewährleistung für ein Fahrzeug aussetzen, nur weil sie unbedingt ein eigenes Auto bauen wollen. Nach AvD-Ansicht wird es zu Joint-Ventures kommen, in deren Rahmen etwa ein BMW i3, ein Tesla S, ein Golf oder auch Toyota Prius und Mercedes E-Klasse „geapplet“ oder „gegoogled“ werden, sodass diese alle Sicherheitsnormen erfüllende Zelle mit den zukünftigen Betriebssystemen Dritter aufgeladen wird. Auch diese Aspekte spielen bei unserer unter Frage1 geäußerten Einschätzung eine Rolle. Was man jetzt als Google-Car sieht, ist ein PR-Fahrzeug, das für die neue Sache steht. Entscheidend wird sein, was man mit diesen Fahrzeugen tun können wird.

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