Knick oder Kick? Verspielt die Industrie gerade unser Vertrauen für das autonome Fahren, nach dem tödlichen UBER-Unfall?
Von verspieltem Vertrauen kann man bei einem Unfall in der Erprobungsphase noch nicht sprechen. Die Mediendiskussion um den Unfall hat aber zwei Dinge gezeigt: Zum einen besteht Unsicherheit darüber, welche Sensorausstattung für das autonome Fahren als verkehrssicher gelten kann. Zum anderen wurde konstatiert, dass autonome Systeme in schwierigen kritischen Situationen genauso versagen können wie der menschliche Fahrer.
Inwieweit tragen überstürzte Entwicklungen neuer Technologien bei, dass der Mensch nicht mehr mit kommt? Oder anders gefragt, werden Technologien wie das autonome Fahren zu überstürzt eingeführt?
Das autonome Fahren ist keine überstürzte Entwicklung. Seit den neunziger Jahren arbeitet die Automobilindustrie an Fahrerassistenzsystemen mit Automatisierungsfunktionen. Diese erreichten in den vergangenen Jahren einen so hohen Entwicklungsstand, dass es ganz natürlich war, nach dem Loslassen des Lenkrades zu fragen. Für den Nutzer könnte das Autofahren dadurch künftig einfacher werden. Dennoch ist der Schritt zum autonomen Fahren ein großer, bei dem viele technische, ethische und rechtliche Fragen zu klären sind. Die Automobilindustrie und die Fachwelt war immer von einer Einführung des autonomen Fahrens in vier oder fünf Stufen ausgegangen. Durch die neuen Akteure aus dem Silicon Valley wird das Tempo allerdings forciert.
Was müssen die Hersteller tun, damit wir neuen Technologien wirklich vertrauen?
Die Hersteller müssen vor allem zuverlässige Produkte auf den Markt bringen und transparent kommunizieren. Sie sollten auf jeden Fall den Eindruck vermeiden, dass sie etwas verheimlichen und an der Sicherheit sparen. Vertrauen können die Hersteller bzw. Betreiber aber nicht aus sich heraus produzieren. Vertrauen entsteht durch Interaktion von Herstellern, Betreibern, Endkunden, der Politik, den Medien usw. Ein gesellschaftlicher Konsens und eine Weiterentwicklung unserer Mobilitätskultur sind gefragt.
Braucht es einen gesellschaftlichen Diskurs über die Folgen neuer Verkehrstechnologien?
Auf jeden Fall ist der gesellschaftliche Diskurs bis zum Konsens unerlässlich. Es ist zwar gut, dass es z. B. das Papier der Ethikkommission des Verkehrsministers zum autonomen Fahren gibt, jedoch muss sich die ganze Gesellschaft mit der Tatsache auseinandersetzen, dass autonome Systeme als Fahrzeugführer in einem hochkomplexen Verkehrsumfeld genauso wenig perfekt und hundertprozentig unfallfrei agieren können wie der Mensch. Es wird also weiter ein Lebensrisiko im Straßenverkehr geben. Wir werden aber darauf achten müssen, dass die Sicherheit untern dem Strich weiter zunimmt und die Zahl der Verkehrstoten und Verletzten weiter abnimmt. Das scheint mir wesentlich relevanter als die eher akademische ethische Frage nach der Lösung des sogenannten Weichenstellerdilemmas, wen von zwei oder mehr Personen ein autonomes Fahrzeug nun verletzten soll, wenn keine sichere Lösung in einer Verkehrssituation ohne Schaden für Leib und Leben besteht.
Inwieweit sollte sich die Politik in Tempo und Durchsetzung neuer Technologien einmischen? Was würde bsw. ein staatlich verordneter Zwang zum autonomen Fahren bedeuten?
Die Politik hat sich beim autonomen Fahren bereits eingeschaltet, weil dies unerlässlich ist. So wurde die Wiener Konvention über den Straßenverkehr 2016 geändert, um das automatisierte Fahren zu regeln. Gesetzgeber und Normengremien sind auch gefragt, Rechtssicherheit für alle Beteiligten zu schaffen und die Zulassungsverfahren entsprechend anzupassen. Sicherlich keine Option ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Zwangseinführung des autonomen Fahrens. Bis man darüber diskutieren kann, muss sich erst die Technik beweisen.