Knick oder Kick? Verspielt die Industrie gerade unser Vertrauen für das autonome Fahren, nach dem tödlichen UBER-Unfall?
Man kann in diesem Fall nicht von DER Industrie sprechen. Die Unternehmen verhalten sich bei dem Thema sehr heterogen. Gerade amerikanische Platzhirsche wie Tesla und Uber agieren z.T. regelrecht aggressiv. Automatisierte Fahrfunktionen werden direkt im Realfahrbetrieb getestet und schnell in den Markt gebracht. Da sehen wir eine deutlich höhere Risikotoleranz als z.B. bei den europäischen OEM. Der Vertrauensverlust betrifft dann aber die ganze Branche. Dennoch wird dieser Vertrauensverlust sicher nur kurz- bis mittelfristig bestehen. Auch die Medien werden diesen schlimmen Vorfall bald nicht mehr thematisieren.
Inwieweit tragen überstürzte Entwicklungen neuer Technologien bei, dass der Mensch nicht mehr mit kommt? Oder anders gefragt, werden Technologien wie das autonome Fahren zu überstürzt eingeführt?
Auch hier gibt es eben die beiden Welten. Die meisten Automobilhersteller führen Schritt für Schritt so genannte Fahrassistenzsysteme ein zu denen z.B. bereits "adaptive cruise control" Systeme zählen. Die regeln den Abstand zum Vordermann und bremsen bei Bedarf automatisch ab. Solche Systeme erhöhen die Sicherheit und funktionieren sehr zuverlässig. Von "überstürzt" würde ich bei der Masse der Serienfahrzeuge deshalb nicht reden.
Was müssen die Hersteller tun, damit wir neuen Technologien wirklich vertrauen?
Studien zeigen, dass die meisten Menschen nicht wirklich zwischen Fahrassistenzsystemen und dem wirklich autonomen Fahren unterscheiden können. Viele denken, dass Serienfahrzeuge mit automatisierten Fahrfunktionen z.T. bereits völlig selbstständig agieren können. Die Hersteller - und das ist zugegeben nicht einfach - müssen bei der Vermarkung ihrer Dienste die richtigen Worte finden: Was kann das Fahrzeug und was kann es eben auch nicht? Das gilt übrigens gleichermaßen für die Medien, die oftmals pauschal vom "autonomen Fahren" sprechen.
Braucht es einen gesellschaftlichen Diskurs über die Folgen neuer Verkehrstechnologien?
Den braucht es ganz unbedingt. Die Technologie wird kommen. Das steht außer Frage. Unfälle wird es genauso mit autonomen Fahrzeugen geben. Wenn jedoch die Statistik zeigt, dass Zahl und Ausmaß geringer sind, als die durch Menschenhand verursachten Unfälle wird die gesellschaftliche und politische Akzeptanz steigen. Ungelöst dabei bleibt aber das ethische Dilemma. Was passiert wenn das Fahrzeug in einer Notsituation entscheiden muß? Überfährt es eine Fahrradfahrerin oder steuert es den Insassen gegen eine Mauer? Diese Fragen werden zur eigentlichen Herausforderung des Themas!
Inwieweit sollte sich die Politik in Tempo und Durchsetzung neuer Technologien einmischen? Was würde bsw. ein staatlich verordneter Zwang zum autonomen Fahren bedeuten?
Das ist glaube ich weniger eine Frage von sollte oder nicht sollte. Abhängig von Staats-/Regierungssystemen und nationalen Kulturen wird es in manchen Ländern solche Zwänge geben. Ich tippe auf autokratisch regierte und straff organisierte Stadtstaaten wie Singapur. Die werden für sich die verkehrs- und wirtschaftspolitischen Vorteile eines vollständig automatisierten Verkehrs erkennen und diesen dann auch sicher so umsetzen. In Deutschland wäre das, wenn überhaupt, erst in 2-3 Generationen denkbar. Da sind Freiheit und Fahrspaß im Individualverkehr noch viel zu stark in den Köpfen verankert.