Ab 2022 sollen Verwaltungsleistungen nach dem Onlinezugangsgesetz (OZG) über digitale Verwaltungsportale angeboten werden. Doch die einzelnen Einheiten sind aus Sicht von Prof. Dr. Robert Müller-Török von der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg äußerst unterschiedlich weit in diesem Prozess. Im Vergleich zu Verwaltungen außerhalb der Bundesrepublik Deutschland befinden sie sich gar im Rückstand. „Wenn ich mir egov.md ansehe, dann ist die Republik Moldau viel weiter fortgeschritten als sogar der deutsche Bund“, erklärt der Professor für e-Government. Innerhalb Deutschlands scheinen ihm die Stadtstädte die Führung zu haben, bei den Flächenländern sieht er gewaltige Unterschiede.
In der Debatte auf meinungsbarometer.info melden sich auch einzelne Spitzenpolitiker aus den Bundesländern zu Wort. So werden nach Aussagen der Staatsministerin für Digitales im Freistaat Bayern, Judith Gerlach, 50 der wichtigsten Verwaltungsleistungen bereits dieses Jahr angeboten – zwei Jahre vor der Frist. „Wir sind also voll im Plan – unserem eigens entwickelten OZG-Masterplan“, so die Ministerin. Neben den strategischen Leitlinien und den Zuständigkeiten unterstützt man in Bayern die einzelnen Verwaltungen auch bei der Priorisierung der Verwaltungsleistungen. Dazu zähle auch die Bereitstellung des OZG-Monitoring-Tools, das bei der Koordinierung und Steuerung der einzelnen Maßnahmen hilft. Zugute kommt den Bayern der enge Schulterschluss zwischen Staat und den Kommunen. Dafür gebe es ein eigenes Förderprogramm: das digitale Rathaus. „Damit fördern wir zielgerichtet die Beschaffung von neuen Online-Diensten bei den Kommunen. Wir sind also auf einem guten Weg.“
Das Land Hessen stellt den Kommunen u.a. mit ‚Civento‘ durch den IT-Dienstleister ekom21 eine Plattform zur Verfügung, mit der für alle Kommunen die Möglichkeit besteht, eingehende Anträge mit einem durchgängigen elektronischen Prozess zu bearbeiten. Dies schafft nach den Worten der Hessischen Ministerin für Digitale Strategie und Entwicklung, Prof. Dr. Kristina Sinemus, einen echten Mehrwert - sowohl bei der Behörde in Form von einer Reduktion des Aufwandes und der Fehleranfälligkeit als auch beim Antragsteller durch eine schnellere Bearbeitung. „Nach dem Standesamtsportal ist in Hessen mit dem Serviceportal ein weiterer Baustein zur Umsetzung des OZG bereits realisiert worden“, erklärt die Ministerin. Über die Plattform könne etwa die Übernahme von Kita-Gebühren bei den Jugendämtern vorgenommen werden. Hessen habe sich auch im Rahmen des OZG und seiner Digitalisierungsstrategie intensiv bei der digitalen Umsetzung des Arbeitslosengeld-II-Antrags eingebracht und frühzeitig die Federführung übernommen. Inzwischen könnten alle 104 kommunalen Jobcenter in Deutschland die erste Version des digitalen Antrags nutzen. Aktuell sei auch die digitale Beantragung des Führerscheins in Planung, die Pilotierung soll im Spätsommer starten.
Das Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration in Baden-Württemberg arbeitet an der Entwicklung einer Vielzahl digitaler OZG-Standardprozesse, die die hohen Anforderungen des OZG erfolgreich abbilden können. „Stand jetzt, besitzen zwischenzeitlich fast alle unserer Kommunen und Landkreise ein Behördenkonto auf unserer zentralen eGovernment-Plattform service-bw“, erklärt Minister Thomas Strobl. Damit könne man bereits jetzt digitale Anträge entgegennehmen und bearbeiten. Jeder potenzielle Antragssteller könne in wenigen Minuten ein Servicekonto einrichten, über welches unterschiedlichste Anträge gestellt und sicher mit der jeweiligen Behörde kommuniziert werden könne. Die ersten fünf OZG-Standardprozesse habe man bereits im Frühjahr 2020 auf service-bw allen 1101 Kommunen in Baden-Württemberg zur Verfügung gestellt. „Damit zählt Baden-Württemberg bereits jetzt bundesweit zu den Spitzenreitern in der OZG-Umsetzung - weitere Prozesse folgen im Sommer.“
Neben diesen Erfolgen konstatieren die Experten in der Fachdebatte aber auch Probleme. So prognostiziert DATABUND-Geschäftsführer Detlef Sander, „dass definitiv keine Kommune das gesteckte Ziel erreichen wird“. Selbst einige Länder kämpften noch mit der Einführung der eAkte, welche die Voraussetzung für einen digitalen Prozess sei. Neben lokal fehlenden Ressourcen fehle es oft auch an Knowhow und klaren Informationen von Bund und Ländern für die Umsetzungen in den Kommunen, am digitalfähigen Rechtsrahmen und Standards für die durchgängige Digitalisierung von Prozessen und der digitalen Identität, als Voraussetzung für die digitale Abwicklung von Anträgen. In den Ländern seien auch die schiere Größe der Verwaltungen und Projekte, sowie die nötigen Ressort-Abstimmungen problematisch. „Letztlich hat man vielerorts auch einfach die Entwicklung verschlafen und hat viel zu spät begonnen mit der Digitalisierung“, resümiert der Experte. Allerdings beobachtet er auch eine Beschleunigung vieler Digitalisierungsprojekte, nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie. Aus den Konjunkturpaketen kommen zusätzliche Mittel für die Digitalisierung. Am Geld werd die Digitalisierung nicht scheitern. „Es besteht eher die Gefahr des blinden Aktionismus und unkoordinierten Vorgehens in den Projekten.“
Als größtes Hindernis für eine weitere Digitalisierung der Verwaltung gelten derzeit tatsächlich Medienbrüche und Schnittstellenprobleme. Bei diesem Themenfeld setzt der Vorsitzende des Nationalen E-Government Kompetenzzentrums (NEGZ), Dr. Sönke E. Schulz, auf vermehrte Kooperation. Aufgrund des Vollzugs von vielen Aufgaben durch die Kommunen komme der Abstimmung von Land und Kommunen erhebliche Bedeutung zu. Kommunale Anforderungen müssten artikuliert und eingebracht werden können, ohne den Anspruch, dass jeder alles mache. Für ihn gilt: „Das Prinzip der Nachnutzung reduziert Schnittstellen.“