Der VPRT fordert bei der Digitalisierung besonderes Augenmerk auf die vielfältige private Radiolandschaft zu legen und verweist dabei auf das Grundgesetz. Muss und kann die Politik das Privatradio tatsächlich schützen?
Auch mir liegt die Vielfalt am Herzen, aber im konkreten Fall hilft das Grundgesetz nicht weiter. Der Gesetzgeber hat bereits eine Rundfunkordnung geschaffen, die einen öffentlichen Meinungsbildungsprozess mit größtmöglicher Vielfalt gewährleistet. Das Grundgesetz stellt aber nicht eine Vielfalt von Anbietern wirtschaftlich sicher, das bleibt Privatinitiative.
Wie lässt es sich gesellschaftspolitisch erklären, dass Radio für den Eintritt in die digitale Welt einen Rettungsschirm verlangt, während andere Branchen den Folgen der Digitalisierung schutzlos ausgeliefert sind?
Zunächst sollte man nicht unterschlagen, dass die Digitalisierung gerade den Medien viele neue Chancen bietet. Es besteht auch ein gesellschaftspolitisches Interesse daran, das Radio in die Digitalisierung zu begleiten. Vor allem Bayern hat schon viel finanzielle und ideelle Unterstützung in eine private Radiolandschaft mit einmaliger Vielfalt gesteckt. Das Radio braucht auch keinen „Rettungsschirm“. Wir müssen aber die Strukturen und Rahmenbedingungen schaffen, die es den Anbietern ermöglichen, im verschärften Wettbewerb zu bestehen.
Die privaten Radioveranstalter sehen sich finanziell gegenüber den öffentlich-rechtlichen Sendern benachteiligt und wollen „Positivanreize“ für den digitalen Umstieg. Welche Förderung könnten Sie sich vorstellen?
Ich kann natürlich gut verstehen, dass sich mancher private Radiobetreiber nach einer sicheren Beitragsfinanzierung sehnt, aber so ist das duale System nun mal gestrickt. Ich könnte mir „positive Anreize“ in vielerlei Hinsicht vorstellen, nicht nur finanzieller Art. Zuvor müsste aber ein Abschalttermin für UKW feststehen, der den Umstiegszeitraum begrenzt. Denn für eine Dauersubvention aus öffentlichen Haushalten ist aktuell aufgrund einer Vielzahl vordringlicher Aufgaben kein Spielraum.
Während Handel und Industrie einen klaren Abschalttermin für UKW fordern, wollen die Privatradios solange es geht an ihrem analogen Geschäftsmodell festhalten und auch die ARD will sich nicht festlegen, hat unter diesen Vorzeichen terrestrisches digitales Radio in Deutschland überhaupt eine Chance?
In Bayern ist DAB seit 1999 im Regelbetrieb. Wir haben uns für neue Programme eingesetzt und zusätzliche Kapazitäten an Frequenzen gesichert. Jetzt ist es Zeit, die Diskussionen und Planungen für einen Umstieg abzuschließen. Ich hoffe, dass es gelingt, alle Länder für ein Umstiegsszenario nach einem abgestimmten Kriterienkatalog zu gewinnen. Auf dieses Signal warten die privaten Anbieter ebenso wie ARD und DLR. Nur so erhalten die Beteiligten Planungs- und Investitionssicherheit, darauf haben sie einen Anspruch.
Während die Einführung von Digitalradio läuft, werden in Deutschland immer noch UKW-Frequenzen vergeben oder verlängert. Halten Sie das für zielführend, wenn es um die Zukunft des Radios geht?
In der Tat: die Verlängerung erscheint zunächst wie ein Widerspruch. Aber bis zur Einigung über den Umstiegszeitplan wird eine Verlängerung der UKW-Genehmigungen als wirtschaftliche Grundlage der Privatradios unverzichtbar sein. Zumal der öffentlich-rechtliche Rundfunk aufgrund der Beitragsfinanzierung beide Übertragungswege auch weiter nutzt. Der Wettbewerb soll nicht einseitig werden. Lösen können wir die Aufgabe nur gemeinsam und hoffentlich mit einer Digitalisierungsstrategie, die unseren privaten Anbietern wirtschaftlich tragfähige Angebote ermöglicht. Vor allem angesichts der wachsenden Konkurrenz für das klassische lineare Radio durch Internetdienste ist es höchste Zeit dazu.

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