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Anleger-Schützer regen supranationale Aufsicht an

Wie die Internet-Riesen noch zu kontrollieren sind

Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der DSW (Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz) Quelle: DSW/ Matthias Sandmann Marc Tüngler Hauptgeschäftsführer DSW (Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz) 07.02.2018
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Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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"Klar ist, dass die Internetökonomie das Kartellrecht vor völlig neue Herausforderungen stellt", sagt Fragen an Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der DSW (Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz). Für etwaige Verstöße gegen das Kartellrecht müssten ganz neue Maßstäbe entwickelt und angelegt werden.







Die Politik strebt angesichts der Marktmacht einzelner Internetkonzerne eine Modernisierung des Kartellrechts in Bezug auf die Digitalisierung und Globalisierung der Wirtschaftswelt an. Was wären Ihre wichtigsten Forderungen für eine solche Modernisierung?
Klar ist, dass die Internetökonomie das Kartellrecht vor völlig neue Herausforderungen stellt. Die Definition einer „marktbeherrschenden Position“ wird deutlich schwieriger. Der Ansatz, einen bestimmten regionalen Markt zu betrachten und dort die Verteilung der Markt- und Umsatzanteile zu analysieren, funktioniert im Netz nicht einmal ansatzweise. Im Internet sind Märkte immer international und oft äußerst heterogen. Auch die Fragen, ob Monopolrenditen abgeschöpft werden, oder die eigene Position zur Behinderung von Konkurrenten genutzt wird, etwa durch den Versuch den Markteintritt von Wettbewerbern durch einen ruinösen Preiskampf zu verhindern, sind nur schwer oder gar nicht zu beantworten. Dass schon deshalb, weil etwa die Leistungen im Social Media Bereich in der Regel nicht mit Geld sondern mit Daten vergütet werden. Zudem haben die Nutzer in vielen Fällen durchaus die Möglichkeit, das Angebot von Wettbewerbern zu nutzen.

Die Macht von Internetgiganten wie Amazon, Alphabet oder Facebook fußt auf ihrer Innovationskraft und der tiefen Durchdringung des Marktes, die sich in der schieren Zahl der aktiven Nutzer widerspiegelt. Hinzu kommen die fast unerschöpflichen finanziellen Mittel, die diese Unternehmen in den letzten zehn Jahren vereinnahmen konnten, mit denen nahezu jeder potenzielle Wettbewerber aufgekauft werden kann. Vor diesem Hintergrund gilt es, für die Beurteilung, ob ein Verstoß gegen Kartellrecht vorliegt oder nicht, ganz neue Maßstäbe zu entwickeln und anzulegen. So könnte es etwa sinnvoll sein, mögliche Aufkäufe / Unternehmenszusammenschlüsse nicht nur mit Blick auf Umsatzzahlen oder Marktanteile zu betrachten, sondern zusätzlich Nutzerzahlen und Kaufpreise zu analysieren. Schließlich misst sich die Marktmacht im Netz noch am ehesten an den von Usern abzuschöpfenden Datenmengen. Beispiele für solche Übernahme wären etwa die von WhatsApp durch Facebook oder der Kauf von Youtube durch Google.

Einige Experten fordern eine eigene Regulierungsbehörde für das Internet, weil die klassischen Institutionen inhaltlich, rechtlich und personell nicht für die schnelle digitale Welt geschaffen seien. Wie sehen Sie das?
Diese Idee hat durchaus Charme. Da die Internetökonomie national aber kaum zu fassen ist, wäre eine supranationale Behörde erforderlich. Ob hier ein Alleingang der EU zum Erfolg führt, ist zumindest zu hinterfragen. Ein weitgehender Konsens mit den USA, was die zukünftige Bewertung kartellrechtlicher Problemfälle betrifft, wäre eine wichtige Voraussetzung für eine sinnvolle Kontrolle der Märkte im Netz.

Soziale Netzwerken leben vom Austausch einer möglichst breiten Nutzerschaft. Wie könnten sich solche Angebote kartellrechtlich regulieren lassen, ohne ihren Sinn zu verlieren?
Genau darin liegt eins der großen Probleme. Sie können User kaum zwingen, ihre Social Media Kanäle zu wechseln und sie können auch Facebook oder Netflix nicht zwingen, ihre User-Zahlen zu begrenzen. Was aber möglich ist, ist ein Umfeld zu schaffen, das potenziellen Wettbewerbern die Chance eröffnet, organisch zu wachsen. Hierzu ist neben einem funktionierenden Kapitalmarkt für solche Unternehmen, die kritische Analyse geplanter Übernahmen/ Beteiligungen notwendig. Nur wenn sichergestellt wird, dass ein Konkurrent nicht sofort aufgekauft wird, sobald er eine signifikante Gefahr darstellen könnte, kann sich ein echter Markt entwickeln. Dabei ist zu beachten, dass die Marktgrenzen fließend sind. So kann etwa ein als Videochannel gestartetes Unternehmen sich durchaus zu einer Social Media Plattform entwickeln. Insofern konkurrieren im Netz grundsätzlich auch Unternehmen miteinander, die auf den ersten Blick recht unterschiedliche Geschäftsmodelle verfolgen. Am Ende geht es eben meist um die Zahl der aktiven User.

Die fünf größten Konzerne sind Wachstumstreiber an der Börse, die sogenannten FANG-Aktien haben Billionen-Werte. Welche Auswirkungen könnten regulatorische Maßnahmen auf die Finanzwelt haben?
Das ist zum aktuellen Zeitpunkt nur sehr schwer zu beurteilen. Klar ist, dass regulatorische Eingriffe, die die Wachstumsdynamik beeinträchtigen könnten, kurzfristig zu Bewertungsabschlägen führen würden. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Unternehmen mittlerweile fast alle keine klassischen Wachstumswerte mehr sind, sondern sich mehr und mehr in Richtung Valuewerte entwickeln. Ein Indiz dafür sind die jeweiligen Kurs-Gewinn-Verhältnisse (KGV), eine Kennzahl, die zeigt, mit dem wievielfachen des Gewinns ein Unternehmen an der Börse bewertet wird. Apple liegt mit einem KGV von deutlich unter 20 bereits im selben Bereich wie etwa Siemens. Facebook und Alphabet liegen zwischen 20 und 30 und damit etwa dort, wo hierzulande SAP zu finden ist. Lediglich Amazon und Netflix verfügen über die für Wachstumswerte eher üblichen dreistellige KGVs.

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