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Alle Jahrzehnte wieder: Ein neuer Standard für Radio?

Eine Kolumne von Dr. Michael Weber, Geschäftsführer der Antennentechnik Bad Blankenburg GmbH

Dr. Michael Weber, Geschäftsführer der Antennentechnik Bad Blankenburg Quelle: ATBB Dr. Michael Weber Geschäftsführer Antennentechnik Bad Blankenburg GmbH 24.07.2019
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Einerseits gibt es nichts Beständigeres als unsere Rundfunkwelt, in der Technologiezyklen natürlich mit Rücksicht auf die Investitionen in die Infrastruktur sehr träge verlaufen. Andererseits scheint die Rundfunkwelt technikverliebter zu sein als jede andere digitale Branche. Wer die Entwicklung von DAB seit Ende der 90er Jahren begleitet hat, kennt den langen Kampf von Anwälten und Medienvertretern gegen jedes Digitalradioformat, was die Buchstaben DAB beinhaltet. Geradezu verwunderlich, dass diese wahrscheinlich sehr kostenintensive Dauerdebatte seit der Einführung von DAB+ im Jahr 2011 scheinbar eine vorläufige Pause genommen hat. Das „Plus“ war die Rettung, denn DAB durfte es ja nie werden, ein Politikum, unter dem Techniker und Entwickler viele Jahre gelitten haben, weil sie sich für jeden technischen Standard, dem sie folgten, vor dem Management rechtfertigen mussten, denn schließlich wurden ja zahlreiche neue Technologien ausgegraben, um DAB das Wasser abzugraben.

Aus gutem Grund haben sich daher Mitte 2000 gerade die Entwickler der großen Automobilhersteller gegen eine permanente scheinbare Technikrevolution im Rundfunk ausgesprochen und sich klar zu DAB+ bekannt, um hier Stabilität und vor allem Planungssicherheit für die gesamte Lieferkette zur Realisierung des DAB+ Empfangs in unseren Fahrzeugen herzustellen. Damals haben Anwälte und Medienpolitiker die theoretisch verfügbaren Standards aufmerksamkeitsheischend hoch und runter dekliniert, was nur Zeit und Geld gekostet hat, weil die Planungssicherheit unterbunden werden sollte. 

Es ist dabei keine Frage für eine Technologiefirma wie die unsrige, dass wir jeden technischen Standard auf der Antennenseite realisieren können und wollen - es ist nur absolut nicht zielführend, wenn wir in wirtschaftlich ohnehin angespannten Zeiten in der Politik Diskussionen führen, die einen nach langen Debatten endlich erfolgreich implementierten Digitalradiostandard wieder in Frage stellen sollen. Ich vermisse ganz klar die Energie in den Diskussionen, den Rollout endlich in den letzten weißen Flecken abzuschließen und sich dazu zu bekennen. Das schafft Sicherheit bei den Endnutzern, die schon heute mehr Digitalradiosender empfangen können als analoge UKW Sender, je nach Region. Es funktioniert also und es ist erfolgreich, fast 10 Jahre lang. Ist es nun schon veraltet? Ist Rundfunk der Mode unterlegen? Kann Rundfunk veralten?

Mit 5G kommt die neue Mobilfunkgeneration, die dringend benötigt wird, weil sie den ungebremsten Datenhunger und viele vernetzte Applikationen in beinahe Echtzeit ermöglichen soll. Auch wir freuen uns auf die technischen Herausforderungen, die 5G Antennensysteme auf der Endnutzerseite im Fahrzeug mit sich bringen werden, denn 5G ist ein Motor für autonomes Fahren und viele weitere vernetzte Anwendungen.

 Wird 5G nun der neue digitale Rundfunkstandard?

Vergleicht man DAB+ mit dem uns bekannten LTE, so gibt es fast keine Unterschiede in der Übertragungstechnik. DAB+ basiert auf der OFDM Modulation, d. h. viele (bei DAB 1536) Unterträger übertragen seriell bitweise die Daten auf Basis einer Phasenmodulation. Damit ist DAB+ bestens geeignet für den mobilen Empfang, weil nur die dort verwendete digitale Phasenmodulation robust gegenüber den störenden Effekten sind, welche typischerweise bei bewegten Empfängern auftreten. Interessanterweise basiert auch 4G auf OFDM Verfahren, weil Robustheit gefragt ist. Natürlich ist bekannt, dass 4G auch höhere Modulationsverfahren einschalten kann, wenn die Verbindungsqualität sich verbessert. DAB+ und LTE haben also vergleichbare Technik, aber DAB+ ist veraltet und LTE nicht? Schließlich wird LTE evolutionär in den 5G Standard integriert, weil es selbstverständlich unwirtschaftlich ist, ein funktionierendes Mobilfunksystem nur der neuen Technik zu Liebe schlagartig umzubauen.

Wir dürfen auch nie den Auftrag von Digitalradio bzw. Rundfunk vergessen: robuste geographische Abdeckung und nicht die alleinige Abdeckung von Ballungszentren, was beim Mobilfunk immer priorisiert wurde und heute noch wird. Das kann auch nicht im Interesse der Rundfunkbetreiber sein.

Also, so alt und unmodern ist DAB+ eigentlich gar nicht. Dass es für die Musik bzw. Datenübertragung stets neue Komprimierungsalgorithmen gibt, ist klar, aber in einer komplexen Infrastruktur wie Rundfunk nicht permanent erneuerbar, es ist auch nicht notwendig.

Noch einen kurzen Ausflug in die ersten 5G Broadcastversuche: es ist richtig und wichtig, zu forschen und zu entwickeln. Und genau in diesem Stadium befindet sich 5G Broadcast, der sich im Übrigen auf die Digital-TV Standards stützt, die für bewegte Fahrzeuge im Vergleich zu DAB nur mit deutlich aufwendigeren Empfängerschaltungen stabil zu empfangen sind. Das hat man schon bei DVB-T erlebt und gesehen. Es versteht sich von selbst, dass es in diesem Stadium noch keine hochintegrierten kostengünstige Halbleiter gibt, die Empfängerschaltungen für den Massenmarkt ermöglichen.

DAB+ hingegen ist und bleibt der robuste Digitalradiostandard, der flächendeckend den Standard in Europa setzt, wie es Norwegen uns vormacht, auch den UKW-Rundfunk vollständig ersetzen könnte und dies auch sorgfältig geplant, tun sollte. Es ist geradezu absurd, den Rollout von DAB+ mit Warten auf einen neuen Standard ausbremsen zu wollen, der noch am Anfang der Entwicklung steht und schon gar keine Testtiefe hat und zumindest für Hörfunk nur bedingt geeignet ist.

Verbleibt für 5G nur noch der Charakter des Mobilfunks selbst, nicht Broadcastverbindungen aber Punkt-zu-Punkt Verbindungen zu schaffen. Das führt eigentlich zu dem unter den Rundfunkbetreibern ungeliebten Plattformbetrieb. Die Münchner Medientage waren Mitte 2000 voll von Diskussionsforen, die sich gegen Plattformen ausgesprochen haben, ist das in Vergessenheit geraten? Ist es nicht vielmehr komfortabler, in einem für Mobilfunk relativ unattraktiven niederen Frequenzband ein robustes Digitalradio zu kultivieren, das für Musik nicht die Datenmengen benötigt, die mit 5G in vielen Applikationen abgedeckt werden sollten?

Fazit: auch für ein Technologieunternehmen wie die Antennentechnik Bad Blankenburg, das sich über jede technische Herausforderung freut, gilt es, vernünftige gesamtwirtschaftliche Betrachtungen im Auge zu behalten, die nur dann gewährleistet erscheinen, wenn wir endlich DAB+ ausrollen und den Endnutzern die Sicherheit geben, die sie verdienen.

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