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5G kann DAB+ ergänzen aber nicht ersetzen

Warum die digitale Terrestrik nicht mehr aufzuhalten ist

Helwin Lesch - Leiter Hauptabteilung Verbreitung und Controlling Bayerischer Rundfunk Quelle: BR/ Theresa Högner Helwin Lesch Leiter Hauptabteilung Verbreitung und Controlling Bayerischer Rundfunk 23.07.2019
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"Europaweit ist damit DAB+ nicht mehr aufzuhalten, wenngleich solche Debatten natürlich immer zu Irritationen führen", sagt Helwin Lesch, Leiter Hauptabteilung Verbreitung und Controlling beim BR. Auch die Zahlen in Deutschland zeigen ein wachsende Hörerinteresse an den Programmen, die über den digitalen Standard verbreitet werden. 







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Welche Auswirkungen hat der Beschluss des Niedersächsischen Landtags gegen DAB+ auf die Zukunft des digitalen Übertragungs-Standards in Deutschland?
Digitalradio ist ein Thema nicht nur für ein Bundesland oder Deutschland, sondern mittlerweile in ganz Europa und darüber hinaus. Weltweit sind bereits über 75 Millionen Empfänger verkauft, in 41 Ländern können die Menschen DAB-Angebote empfangen. Eine EU-Richtlinie verpflichtet alle Mitgliedstaaten, ab Anfang 2021 nur noch Autoradios mit DAB-fähigem Empfänger zuzulassen. Für Deutschland meldet die GFK zum März 2019, dass mehr als 30% der neu verkauften Radiogeräte DAB+-fähig sind, während übrigens weniger als 20% Internet-Radiogeräte sind. Auch im Nielsen-Gebiet Nord, zu dem Niedersachsen gehört, beträgt der Anteil der neuen Radios, die DAB+-Empfang ermöglichen, bereits über 25%.

Die Funkanalyse Bayern 2019 hat gezeigt: Fast jeder Dritte in Bayern (31,1 Prozent) hat Zugang zu mindestens einem DAB-Plus-Empfangsgerät (2017: 20,1 und 2018 26,1 Prozent). Während die Tagesreichweite der UKW-Sender bei der Bevölkerung ab 14 Jahren um 4 Prozentpunkte auf 71,1 Prozent fällt, steigt diese bei Nutzung von DAB Plus um 3,4 Prozentpunkte auf bereits 18,4 Prozent. Die neuen, exklusiv über DAB+ verbreiteten privaten Sender können bereits 8,7 Prozent (Vorjahr 4,7) der täglichen Hördauer auf sich ziehen.

Dementsprechend hat sich der Privatradioverband "Arbeitsgemeinschaft Privater Rundfunk" auch kritisch dazu geäußert, durch die Politik Verbreitungswege festlegen zu lassen. Auch der VAUNET hat in seiner zweiten Stellungnahme festgestellt, dass für Digitalradio der "Point of no return“ überschritten sei. Diese überwiegend kritische Bewertung, auch durch Industrie, Verbände und nicht zuletzt die Verbraucher, zeigt das Bedürfnis, die Diskussion mit dem Niedersächsischen Landtag fortzuführen, bevor Fehlentscheidungen den Prozess behindern oder verzögern.

Laut des Beschlusses ist DAB+ nur eine Übergangslösung und digitales Radio werde künftig über breitbandiges Internet wie den Mobilfunkstandard 5G übertragen. Welche Vor- und Nachteile hat IP-basierte Verbreitung von Radioprogrammen gegenüber Broadcast aus Ihrer Sicht?
Während die Verbreitung über Internet bzw. Mobilfunk mit wachsender Nutzung steigende Kosten für Verbraucher und Sender verursacht, Radio nicht regionalspezifisch gesendet werden kann und in einem ungeordneten Wettbewerb stattfindet, schreibt die Verbreitung über DAB+ das bestehende Geschäfts- und Ordnungsmodell des Hörfunks fort und erweitert dieses um neue Angebotsmöglichkeiten, welche die Hörerinnen und Hörer heute erwarten. 5G befindet sich in einem sehr frühen Entwicklungsstadium. Die enormen Investitionen, die hierfür getätigt werden müssen, lassen sich nicht über Hörfunk-, sondern nur über Videoinhalte refinanzieren, für die eine Zahlungsbereitschaft erhofft wird. Dementsprechend stellt die noch immer laufende Standardisierung von 5G ausschließlich auf Fernsehen bzw. Video ab. Und schließlich wird 5G nach den Wünschen und Anforderungen des Mobilfunks, möglicherweise noch des Fernsehens, sicher aber eher nicht nach den Anforderungen des Hörfunks ausgebaut werden. Eine flächendeckende, kostenfreie Verbreitung von Hörfunk über 5G ist also bis auf weiteres nicht erkennbar und auch hörfunkseitig nicht zu beeinflussen. Unter diesen Gesichtspunkten ist es möglich, dass 5G den digitalen terrestrischen Hörfunk über DAB+ ergänzt, keinesfalls aber ersetzt.

Der Beschluss verweist darauf, dass die Finanzierung der DAB+-Verbreitung der öffentlich-rechtlichen Radiostationen aus dem Rundfunkbeitrag die privaten Stationen benachteilige. Inwieweit sehen Sie hier eine Schieflage und ggf. Möglichkeiten diese zu beseitigen?
Wir bitten um Verständnis, dass wir die hierzu von VAUNET in die Diskussion gebrachten Zahlen weder bestätigen noch kommentieren können.

In Österreich sind gerade Ende Mai eine ganze Reihe Privatradios auf DAB+ on Air gegangen, in Norwegen ist UKW abgeschaltet. Wie bewerten Sie den Niedersächsischen Vorstoß im europäischen Kontext?
Die Schweiz und Südtirol sind ebenfalls dabei, die UKW-Abschaltung vorzubereiten. In Italien dürfen ab Januar 2020 nur noch Radios verkauft werden, die auch über DAB-Empfang verfügen. Auf dem italienischen Markt werben bereits jetzt viele internationale Automobilhersteller mit serienmäßig eingebauten DAB+-Radios. Auch in Frankreich dürfen nur noch Radios zum Verkauf angeboten werden, die auch DAB+ empfangen. Der erste nationale Multiplex wird 24 Programme enthalten, zusätzlich sind zahlreiche lokale und regionale Multiplexe schon jetzt verfügbar. Im Vereinigten Königreich sind fast 57% des Radiokonsums digital, knapp 72% davon über DAB+. Nach erfolgreichen Tests erwartet die Ofcom, ab nächstem Jahr hunderte neue Lokalradios, die erst durch Small Scale DAB+ möglich werden und die Programmvielalt weiter steigern werden. Auch dort gibt es Überlegungen in Richtung eines UKW-Ausstiegs. Europaweit ist damit DAB+ nicht mehr aufzuhalten, wenngleich solche Debatten natürlich immer zu Irritationen führen.

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