Menue-Button
← FACHDEBATTE Summary

Wer braucht neue Musik?

Wie das Radio mit mangelnder Musik-Neugier umgeht

Uwe Schimunek, Freier Journalist Quelle: Meinungsbarometer.info Uwe Schimunek Freier Journalist Meinungsbarometer.info 09.11.2018

Eine Deezer-Studie meißelt in Zahlen, was alle schon immer geahnt haben: Junge Leute entdecken Musik für sich, mit zunehmendem Alter hören sie, was sie schon immer hören. Mit 31 Jahren erlischt die Neugier nach neuer Musik bei den Deutschen weitgehend.

Gregor Friedel, Musikchef von SWR3 kennt den Effekt: „Am liebsten hören Menschen die Musik, die sie in ihrer Teenagerzeit gehört haben“. Er führt andere Studien ins Feld, nach denen das Interesse an Musik bei Menschen ab 23 Jahren bereits um 80% abnimmt. „Mit Anfang 20 ist man im „Festival-Alter“, die Musik spielte und spielt eine zentrale Rolle in der Sozialisation und dem Erwachsenwerden. Mit Ende der Ausbildung/des Studiums, Auszug aus dem Elternhaus, Kinder usw. rücken andere Dinge in den Vordergrund, die Lebenssituation ändert sich grundlegend“, erklärt Friedel. Insofern überrascht ihn das Ergebnis der Studie von Deezer bestenfalls darin, dass der Altersdurchschnitt eher hoch liegt.

Auch Tanja Ötövs, Head of Music bei Radio Hamburg erscheinen die Ergebnisse plausibel. „Als musikinteressierter Mensch ist man mit 31 Jahren wahrscheinlich schon randvoll mit jeder Menge Lieblingstiteln“. Da lasse dann die Begeisterung für neue Musik vielleicht ein wenig nach. „Viele Musiktitel erfüllen ja auch eine Art Tagebuchfunktion und sind so emotional angereichert.“ Da wundert sie Ötvös nicht, dass neue Titel diese Erinnerung oftmals nicht mehr schaffen.

Die Deezer-Studie kommt außerdem zu dem Ergebnis, dass es u.a. gerade die Vielfalt ist, die Musikhörer verzweifeln lässt. Für Holger Lachmann, Musikchef von Antenne Brandenburg und radioBERLIN 88,8, ein wichtiger Fakt: „Die Flut von heute immer und überall verfügbarer Musik überfordert viele Leute.“ Zu groß sei die Auswahl, zu oft lande man bei qualitativ fragwürdigen Stücken. „Umso wichtiger wird hier meines Erachtens die Aufgabe eines Kurators“, fügt Lachmann an. Das sei im Übrigen eine Aufgabe, die das Radio seit vielen Jahrzehnten übernimmt.

Mark Schweitzer, Musikchef von RPR1 weist in diesen Zusammenhang darauf hin, dass es durch die Übersättigung es immer schwieriger werde über die Marktforschung mit den Probanden zu kommunizieren und z.B. bei Musiktests aussagekräftige Ergebnisse zu bekommen. Die meiste Musik sei immer erst dann statistisch wertig, wenn sie Monate alt ist. „Hier ist auch bei der Musikauswahl sehr viel Gefühl und „Bauch“ gefragt“, betont Schweitzer.

Robert Morawa, Musikchef BAYERN 3 sieht in den Ergebnissen auch Chancen für das Radio. „Die Vielfalt an sich führt nicht zum Ende der Neugier, aber der Zeitaufwand, nach neuer Lieblingsmusik zu suchen, wächst dadurch.“ Diese Zeitinvestition würden nur Menschen aufbringen, die richtige Musikfans seien. Denn diesen mache schon die Suche nach neuer Musik Spaß. „Das bedeutet für mich vor allem, dass sich viele Musikkonsumenten wünschen, durch den Dschungel an Veröffentlichungen geführt zu werden“, resümiert Morawa, „Radio tut genau das“.

UNSER NEWSLETTER

Newsletter bestellen JETZT BESTELLEN

■■■ WEITERE BEITRÄGE DIESER FACHDEBATTE

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Dr. Florian Drücke
Geschäftsführer
Bundesverband Musikindustrie

Dr. Florian Drücke, Vorstandsvorsitzender Bundesverband Musikindustrie e. V. (BVMI)
Musik | Streaming

Algorithmen und persönliche Tipps für ■ ■ ■

Wie Streaming die Branche verändert

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Dr. Florian Drücke
Geschäftsführer
Bundesverband Musikindustrie

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Tanja Ötövs
Head of Music
Radio Hamburg

Tanja Ötövs, Head of Music Radio Hamburg
Musik | Streaming

Radio sortiert das Überangebot an Musik

Warum Musikinteressierte bei Radio Hamburg gut ■ ■ ■

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Tanja Ötövs
Head of Music
Radio Hamburg

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Holger Lachmann
Musikchef
Antenne Brandenburg

Holger Lachmann, Musikchef von Antenne Brandenburg und radioBERLIN 88,8
Musik | Streaming

Radio und Streamer nicht mehr nur ■ ■ ■

Wie klassische Sender und neue Dienstleister ■ ■ ■

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Holger Lachmann
Musikchef
Antenne Brandenburg

ZUR FACHDEBATTE

ÜBER UNSERE FACHDEBATTEN

Meinungsbarometer.info ist die Plattform für Fachdebatten in der digitalen Welt. Unsere Fachdebatten vernetzen Meinungen, Wissen & Köpfe und richten sich an Entscheider auf allen Fach- und Führungsebenen. Unsere Fachdebatten vereinen die hellsten Köpfe, die sich in herausragender Weise mit den drängendsten Fragen unserer Zeit auseinandersetzen.

überparteilich, branchenübergreifend, interdisziplinär

Unsere Fachdebatten fördern Wissensaustausch, Meinungsbildung sowie Entscheidungsfindung in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Medien und Gesellschaft. Sie stehen für neue Erkenntnisse aus unterschiedlichen Perspektiven. Mit unseren Fachdebatten wollen wir den respektvollen Austausch von Argumenten auf Augenhöhe ermöglichen - faktenbasiert, in gegenseitiger Wertschätzung und ohne Ausklammerung kontroverser Meinungen.

kompetent, konstruktiv, reichweitenstark

Bei uns debattieren Spitzenpolitiker aus ganz Europa, Führungskräfte der Wirtschaft, namhafte Wissenschaftler, Top-Entscheider der Medienbranche, Vordenker aus allen gesellschaftlichen Bereichen sowie internationale und nationale Fachjournalisten. Wir haben bereits mehr als 600 Fachdebatten mit über 20 Millionen Teilnahmen online abgewickelt.

nachhaltig und budgetschonend

Mit unseren Fachdebatten setzen wir auf Nachhaltigkeit. Unsere Fachdebatten schonen nicht nur Umwelt und Klima, sondern auch das eigene Budget. Sie helfen, aufwendige Veranstaltungen und überflüssige Geschäftsreisen zu reduzieren – und trotzdem die angestrebten Kommunikationsziele zu erreichen.

mehr als nur ein Tweet

Unsere Fachdebatten sind mehr als nur ein flüchtiger Tweet, ein oberflächlicher Post oder ein eifriger Klick auf den Gefällt-mir-Button. Im Zeitalter von X (ehemals Twitter), Facebook & Co. und der zunehmenden Verkürzung, Verkümmerung und Verrohung von Sprache wollen wir ein Zeichen setzen für die Entwicklung einer neuen Debattenkultur im Internet. Wir wollen das gesamte Potential von Sprache nutzen, verständlich und respektvoll miteinander zu kommunizieren.