Wie ist der aktuelle Stand beim Quantencomputing als Technologie, was kann sie potenziell leisten, was kann sie besser als herkömmliche Rechner?
Robert Axmann: Schon vor vielen Jahrzehnten haben unter anderem die Physiker Feynman, Cirac und Zoller die Grundlagen für den Bau von Quantencomputern gelegt. Der große Durchbruch kam, als Peter Shor 1994 einen Geschwindigkeitsvorteil des Quantencomputer gegenüber klassischen Supercomputern bei der Primzahlzerlegung nachwiesen hat. Das war nicht nur ein mathematisch interessantes Problem, sondern eine Quantenanwendung mit potenziell großen Auswirkungen. Das war ein Startschuss! Seitdem arbeiten weltweit Forschung und Wirtschaft daran, diese Idee eines radikal neuen, auf quantenmechanischen Effekten beruhenden Rechners - und den dafür geeigneten Algorithmen und Problemen - in die Realität umzusetzen.
Heute sind wir einen großen Schritt weiter: Wir wissen, wie man Qubits für eine Rechnung herstellen, manipulieren und miteinander verschränken kann. Und wir kennen viele Fragestellungen, die ein Quantencomputer potenziell mit exponentiellem Geschwindigkeitsvorteil im Vergleich zu einem klassischen Supercomputer beantworten kann.
Die Chancen, die sich daraus für Wirtschaft, Industrie und Forschung bieten, sind enorm. Doch noch ist viel Entwicklungsarbeit nötig - vor allem muss das Grundlagenwissen in die Industrie getragen und industrielle Fertigungs- und Nutzungskompetenzen für Quantencomputer ausgebaut werden.
Quantencomputer können auf vielfältige Weise realisiert werden, zum Beispiel mit Qubits auf Basis von Photonen, Ionenfallen, Supraleitern oder Fehlstellen in Diamant. Doch selbst die derzeit fortschrittlichsten Quantencomputer bieten zu wenige Qubits und zu schlechte Gattergüten (die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Berechnungsschritt fehlerfrei vollzogen werden kann), als dass sie einen wirtschaftlich relevanten Quantenvorteil erbringen könnten.
Und noch ist völlig unklar, welche Systeme gut skalieren, also höhere Anzahlen von Qubits erlauben, und welche Möglichkeiten zur Fehlerkorrektur sie bieten. Deswegen ist es umso wichtiger, dass viele dieser Qubit-Technologien erforscht werden.
Gleichzeitig ist es wichtig, dass erste Anwendungen in der Wirtschaft, insbesondere aber in der Industrie auf Quantencomputer realisiert, verstanden und ausprobiert werden. Das sind zum Beispiel besonders effiziente Such- und Optimierungsalgorithmen und Methoden der Quantenverschlüsselung. Davon können Logistik, Energiesysteme, die Industrie schon bald profitieren. Die Entwicklung eines aktiven Ökosystems Quantencomputing muss man immer als gleichzeitige Entwicklung der Quanten-Hardware und der darauf zugeschnittenen Anwendungen sehen.
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Welche Art der Förderung bzw. regulatorische Unterstützung benötigt das Quantencomputing noch?
Robert Axmann: In Deutschland und Europa wird das Ökosystem Quantencomputing auf viele verschiedene Wege unterstützt. In Deutschland stärken vor allem die Initiativen des Bundes die Entwicklung der Quantentechnologien: Bis 2025 entwickeln das Bundesministerium für Bildung und Forschung das Ökosystem Quantencomputing durch Förderung und das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz durch Beauftragung von Konsortien aus Forschung und Industrie.
Daraus setzt die DLR Quantencomputing-lnitiative auf: Als Ankerkunde ermöglicht sie es Startups, KMUs und der klassischen Industrie, gemeinsam mit dem DLR Gesamtsysteme, Teilaspekte oder Anwendungen im Bereich Quantencomputing zu entwickeln. Damit legen wir die Grundlage für ein weiteres Wachstum des Marktes in Deutschland. Das heißt, dass wir neben der Entwicklung der notwendigen Hardware und Software auch die Entwicklung des notwendigen Personals ermöglichen. Ein zentraler Aspekt ist dabei die Kontinuität, da der wirtschaftlich relevante Quantenvorteil sowie die Umsetzung von industriellen Geschäftsprozessen auf Quantencomputern noch einige Jahre dauern wird.
Welche Vorteile bietet die Suche nach neuen Werkstoffen mithilfe des Quantencomputing?
Eric Breitbarth: Als jemand, der Quantencomputer im Rahmen der DLR Quantencomputinglnitiative nutzt, um neue Materialien zu erforschen, kann ich sagen, die Materialforschung profitiert gleich doppelt von den Möglichkeiten des Quantencomputings. Durch ihr Rechenprinzip können Quantencomputer viel genauer und mit viel höherer Qualität Materialien simulieren - und das auch parallel. Das beschleunigt die Suche nach neuen und optimalen Materialzusammensetzungen. Wichtig ist aber auch hier immer stärker die Entwicklung geeigneter Quantenalgorithmen.
Um das Problem genauer zu beschreiben: Die heute technisch relevanten Werkstoffe können aus mehr als zehn chemischen Elementen in unterschiedlichen Konzentrationen bestehen und sind, allein für metallische Werkstoffe, das Ergebnis der Kombination von etwa 50 bis 60 häufig verwendeten Elementen. Damit sind mehr als 101° Kombinationen möglich, deren Wechselwirkungen mit den derzeitigen Berechnungswerkzeugen nicht analysiert werden können. Mit Quantencomputern werden wir Materialien simulieren können, die mit heutigen Näherungsmethoden nicht zugänglich sind. Das ist ein großer, wichtiger Fortschritt.
Wie lassen sich umweltbeeinträchtigende Produkte bzw. Verfahren oder auch Ressourcenverschwendung von Vornherein ausschließen?
Eric Breitbarth: Angesichts von Klimawandel, Rohstoffverknappung und steigender Energiekosten muss die Menschheit schnell nachhaltige Lösungen entwickeln, um das aktuelle Wohlstandsniveau auch für zukünftige Generationen zu erhalten. Ein Schlüssel dafür sind innovative und effiziente Materiallösungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Unser Ziel beim DLR-lnstitut für Werkstoff-Forschung bei der Anwendung von Quantencomputern sind Lösungen zur Entwicklung nachhaltiger und energieeffizienter Werkstoffe.
Neue Leichtbau- und Energiewerkstoffe sollen nicht nur bestimmte technische Eigenschaften erfüllen, sondern auch mit den gegebenen Ressourcen herstellbar sein. Gleichzeitig sollen deren Produktion und Einsatz zur Reduzierung von COrEmissionen beitragen. Der zukünftige Einsatz von Wasserstoff als Energieträger stellt dabei ganz besondere Anforderungen an Werkstoffe, die heute teils noch nicht hinreichend erforscht sind. Computergestützte Modellierung sind hierbei ein wichtiges Werkzeug um beispielsweise Wasserstoffversprödung oder das Materialverhalten bei kryogenen Temperaturen zu ergründen. Quantencomputer ermöglichen uns dabei, weit über die aktuellen Möglichkeiten hinaus, nachhaltige Lösungen zu finden.