Menue-Button
← FACHDEBATTE Interview

Ökosystem Quantencomputing entwickeln

Wie Wirtschaft, Industrie und Forschung gemeinsam die neue Chance nutzen können

Dr. Robert Axmann, Leitung DLR Quantencomputing-lnitiative (QCI) Quelle: DLR Dr. Robert Axmann Leiter DLR Quantencomputing-lnitiative (QCI) DLR 09.12.2022
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Uwe Rempe
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
ZUR FACHDEBATTE

Dank Quantenrechnern neue Materialien erschaffen? Im Prinzip kein Problem, aber... Dr. Robert Axmann, Leiter der DLR Quantencomputing-lnitiative (QCI) und Dr. Eric Breitbarth, Wissenschaftler am DLR-Institut für Werkstoff-Forschung, wissen um die Herausforderungen und arbeiten in ihren jeweiligen Fachgebieten Schritt für Schritt an Problemlösungen.







Wie ist der aktuelle Stand beim Quantencomputing als Technologie, was kann sie potenziell leisten, was kann sie besser als herkömmliche Rechner?
Robert Axmann: Schon vor vielen Jahrzehnten haben unter anderem die Physiker Feynman, Cirac und Zoller die Grundlagen für den Bau von Quantencomputern gelegt. Der große Durchbruch kam, als Peter Shor 1994 einen Geschwindigkeitsvorteil des Quantencomputer gegenüber klassischen Supercomputern bei der Primzahlzerlegung nachwiesen hat. Das war nicht nur ein mathematisch interessantes Problem, sondern eine Quantenanwendung mit potenziell großen Auswirkungen. Das war ein Startschuss! Seitdem arbeiten weltweit Forschung und Wirtschaft daran, diese Idee eines radikal neuen, auf quantenmechanischen Effekten beruhenden Rechners - und den dafür geeigneten Algorithmen und Problemen - in die Realität umzusetzen.

Heute sind wir einen großen Schritt weiter: Wir wissen, wie man Qubits für eine Rechnung herstellen, manipulieren und miteinander verschränken kann. Und wir kennen viele Fragestellungen, die ein Quantencomputer potenziell mit exponentiellem Geschwindigkeitsvorteil im Vergleich zu einem klassischen Supercomputer beantworten kann.

Die Chancen, die sich daraus für Wirtschaft, Industrie und Forschung bieten, sind enorm. Doch noch ist viel Entwicklungsarbeit nötig - vor allem muss das Grundlagenwissen in die Industrie getragen und industrielle Fertigungs- und Nutzungskompetenzen für Quantencomputer ausgebaut werden.

Quantencomputer können auf vielfältige Weise realisiert werden, zum Beispiel mit Qubits auf Basis von Photonen, Ionenfallen, Supraleitern oder Fehlstellen in Diamant. Doch selbst die derzeit fortschrittlichsten Quantencomputer bieten zu wenige Qubits und zu schlechte Gattergüten (die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Berechnungsschritt fehlerfrei vollzogen werden kann), als dass sie einen wirtschaftlich relevanten Quantenvorteil erbringen könnten.

Und noch ist völlig unklar, welche Systeme gut skalieren, also höhere Anzahlen von Qubits erlauben, und welche Möglichkeiten zur Fehlerkorrektur sie bieten. Deswegen ist es umso wichtiger, dass viele dieser Qubit-Technologien erforscht werden.

Gleichzeitig ist es wichtig, dass erste Anwendungen in der Wirtschaft, insbesondere aber in der Industrie auf Quantencomputer realisiert, verstanden und ausprobiert werden. Das sind zum Beispiel besonders effiziente Such- und Optimierungsalgorithmen und Methoden der Quantenverschlüsselung. Davon können Logistik, Energiesysteme, die Industrie schon bald profitieren. Die Entwicklung eines aktiven Ökosystems Quantencomputing muss man immer als gleichzeitige Entwicklung der Quanten-Hardware und der darauf zugeschnittenen Anwendungen sehen.

JETZT HERUNTERLADEN

DIE DOKUMENTATION DIESER FACHDEBATTE

DIE DOKUMENTATION ENTHÄLT

alle Debattenbeiträge ungekürzt im Original
Übersicht aller aktiven Debattenteilnehmer
Summary für Ihr Top-Management
MEHR ERFAHREN


Welche Art der Förderung bzw. regulatorische Unterstützung benötigt das Quantencomputing noch?
Robert Axmann: In Deutschland und Europa wird das Ökosystem Quantencomputing auf viele verschiedene Wege unterstützt. In Deutschland stärken vor allem die Initiativen des Bundes die Entwicklung der Quantentechnologien: Bis 2025 entwickeln das Bundesministerium für Bildung und Forschung das Ökosystem Quantencomputing durch Förderung und das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz durch Beauftragung von Konsortien aus Forschung und Industrie.

Daraus setzt die DLR Quantencomputing-lnitiative auf: Als Ankerkunde ermöglicht sie es Startups, KMUs und der klassischen Industrie, gemeinsam mit dem DLR Gesamtsysteme, Teilaspekte oder Anwendungen im Bereich Quantencomputing zu entwickeln. Damit legen wir die Grundlage für ein weiteres Wachstum des Marktes in Deutschland. Das heißt, dass wir neben der Entwicklung der notwendigen Hardware und Software auch die Entwicklung des notwendigen Personals ermöglichen. Ein zentraler Aspekt ist dabei die Kontinuität, da der wirtschaftlich relevante Quantenvorteil sowie die Umsetzung von industriellen Geschäftsprozessen auf Quantencomputern noch einige Jahre dauern wird.

Welche Vorteile bietet die Suche nach neuen Werkstoffen mithilfe des Quantencomputing?
Eric Breitbarth: Als jemand, der Quantencomputer im Rahmen der DLR Quantencomputinglnitiative nutzt, um neue Materialien zu erforschen, kann ich sagen, die Materialforschung profitiert gleich doppelt von den Möglichkeiten des Quantencomputings. Durch ihr Rechenprinzip können Quantencomputer viel genauer und mit viel höherer Qualität Materialien simulieren - und das auch parallel. Das beschleunigt die Suche nach neuen und optimalen Materialzusammensetzungen. Wichtig ist aber auch hier immer stärker die Entwicklung geeigneter Quantenalgorithmen.

Um das Problem genauer zu beschreiben: Die heute technisch relevanten Werkstoffe können aus mehr als zehn chemischen Elementen in unterschiedlichen Konzentrationen bestehen und sind, allein für metallische Werkstoffe, das Ergebnis der Kombination von etwa 50 bis 60 häufig verwendeten Elementen. Damit sind mehr als 101° Kombinationen möglich, deren Wechselwirkungen mit den derzeitigen Berechnungswerkzeugen nicht analysiert werden können. Mit Quantencomputern werden wir Materialien simulieren können, die mit heutigen Näherungsmethoden nicht zugänglich sind. Das ist ein großer, wichtiger Fortschritt.

Wie lassen sich umweltbeeinträchtigende Produkte bzw. Verfahren oder auch Ressourcenverschwendung von Vornherein ausschließen?
Eric Breitbarth: Angesichts von Klimawandel, Rohstoffverknappung und steigender Energiekosten muss die Menschheit schnell nachhaltige Lösungen entwickeln, um das aktuelle Wohlstandsniveau auch für zukünftige Generationen zu erhalten. Ein Schlüssel dafür sind innovative und effiziente Materiallösungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Unser Ziel beim DLR-lnstitut für Werkstoff-Forschung bei der Anwendung von Quantencomputern sind Lösungen zur Entwicklung nachhaltiger und energieeffizienter Werkstoffe.

Neue Leichtbau- und Energiewerkstoffe sollen nicht nur bestimmte technische Eigenschaften erfüllen, sondern auch mit den gegebenen Ressourcen herstellbar sein. Gleichzeitig sollen deren Produktion und Einsatz zur Reduzierung von COrEmissionen beitragen. Der zukünftige Einsatz von Wasserstoff als Energieträger stellt dabei ganz besondere Anforderungen an Werkstoffe, die heute teils noch nicht hinreichend erforscht sind. Computergestützte Modellierung sind hierbei ein wichtiges Werkzeug um beispielsweise Wasserstoffversprödung oder das Materialverhalten bei kryogenen Temperaturen zu ergründen. Quantencomputer ermöglichen uns dabei, weit über die aktuellen Möglichkeiten hinaus, nachhaltige Lösungen zu finden.

UNSER NEWSLETTER

Newsletter bestellen JETZT BESTELLEN

■■■ WEITERE BEITRÄGE DIESER FACHDEBATTE

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Prof. Johannes Fink
Professor
Institute of Science and Technology Austria (ISTA)

Professor Johannes Fink, Institute of Science and Technology Austria (ISTA) Klosterneuburg
Quantencomputing | Materialforschung

Wie verbesserte Hardware das ■ ■ ■

Welche Fortschritte es gibt - und was noch fehlt

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Prof. Johannes Fink
Professor
Institute of Science and Technology Austria (ISTA)

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Dr. Johannes Zeiher
Gruppenleiter
Max-Planck-Institut für Quantenoptik Garching

Dr. Johannes Zeiher, Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für Quantenoptik Garching
Quantencomputing | Materialforschung

Forschung zu Quantencomputern steckt ■ ■ ■

Welche Erkenntnisse es auf fundamentaler Ebene gibt

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Dr. Johannes Zeiher
Gruppenleiter
Max-Planck-Institut für Quantenoptik Garching

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Dr. Michael Förtsch
CEO
Quant GmbH

Dr. Michael Förtsch - Chief Executive Officer, Q.ANT GmbH Stuttgart
Quantencomputing | Materialforschung

Quantencomputing als große ■ ■ ■

Wie man verantwortungsvoll mit der neuen Technik ■ ■ ■

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Dr. Michael Förtsch
CEO
Quant GmbH

ZUR FACHDEBATTE

■■■ DIESE FACHDEBATTEN KÖNNTEN SIE AUCH INTERESSIEREN

Uwe Rempe

INITIATOR
Uwe Rempe
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info

Dipl.- Journ. Thomas Barthel

INITIATOR
Dipl.- Journ. Thomas Barthel
Founder & Herausgeber
Meinungsbarometer.info

Simone Ulrich

INITIATORIN
Simone Ulrich
Freie Journalistin
Meinungsbarometer.info

ÜBER UNSERE FACHDEBATTEN

Meinungsbarometer.info ist die Plattform für Fachdebatten in der digitalen Welt. Unsere Fachdebatten vernetzen Meinungen, Wissen & Köpfe und richten sich an Entscheider auf allen Fach- und Führungsebenen. Unsere Fachdebatten vereinen die hellsten Köpfe, die sich in herausragender Weise mit den drängendsten Fragen unserer Zeit auseinandersetzen.

überparteilich, branchenübergreifend, interdisziplinär

Unsere Fachdebatten fördern Wissensaustausch, Meinungsbildung sowie Entscheidungsfindung in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Medien und Gesellschaft. Sie stehen für neue Erkenntnisse aus unterschiedlichen Perspektiven. Mit unseren Fachdebatten wollen wir den respektvollen Austausch von Argumenten auf Augenhöhe ermöglichen - faktenbasiert, in gegenseitiger Wertschätzung und ohne Ausklammerung kontroverser Meinungen.

kompetent, konstruktiv, reichweitenstark

Bei uns debattieren Spitzenpolitiker aus ganz Europa, Führungskräfte der Wirtschaft, namhafte Wissenschaftler, Top-Entscheider der Medienbranche, Vordenker aus allen gesellschaftlichen Bereichen sowie internationale und nationale Fachjournalisten. Wir haben bereits mehr als 600 Fachdebatten mit über 20 Millionen Teilnahmen online abgewickelt.

nachhaltig und budgetschonend

Mit unseren Fachdebatten setzen wir auf Nachhaltigkeit. Unsere Fachdebatten schonen nicht nur Umwelt und Klima, sondern auch das eigene Budget. Sie helfen, aufwendige Veranstaltungen und überflüssige Geschäftsreisen zu reduzieren – und trotzdem die angestrebten Kommunikationsziele zu erreichen.

mehr als nur ein Tweet

Unsere Fachdebatten sind mehr als nur ein flüchtiger Tweet, ein oberflächlicher Post oder ein eifriger Klick auf den Gefällt-mir-Button. Im Zeitalter von X (ehemals Twitter), Facebook & Co. und der zunehmenden Verkürzung, Verkümmerung und Verrohung von Sprache wollen wir ein Zeichen setzen für die Entwicklung einer neuen Debattenkultur im Internet. Wir wollen das gesamte Potential von Sprache nutzen, verständlich und respektvoll miteinander zu kommunizieren.