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Interview02.03.2018

Wo bleibt das Netflix für Musikvideos?

Moritz Eggert über Musik, Digitalisierung und Neoklassik

Moritz Eggert, Komponist und Pianist Quelle: Astrid Ackermann Moritz Eggert Komponist
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Alexander Hiller
Redakteur
Meinungsbarometer.info
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"Die Abrechnungen von „spotify“, „youtube“ und co. stehen in keinem Verhältnis zu dem, was früher mit dem Verkauf von Schallplatten und eine Weile auch CDs möglich war", sagt der preisgekrönte Komponist Moritz Eggert mit Blick auf den heutigen Musikmarkt. Eggert komponiert Orchester- und Kammermusik und Musiktheater-Werke. Er schuf auch die Musik für die Eröffnungszeremonie der Fußball-Weltmeisterschaft 2006.





Erleben wir gerade in der Klassik die Geburtsstunde eines neuen Genres? Komponisten wie Sven Helbig, Nils Frahm, Einaudi oder Max Richter gelten als neue Stars der Klassik, zu Recht? 
Ganz sicher nicht – was diese Komponisten machen, kann man weder als „neu“ noch als wegweisend bezeichnen, und das wäre ja für ein neues Genre essentiell. Im Grunde klingt im Vergleich zu dieser Musik z.B. ein Erik Satie (1866-1925) musikalisch unglaublich frisch und originell – er hat (vor hundert Jahren!) all das schon vorweggenommen, was heute Neoklassik ausmacht, übrigens auch, dass sie sich hervorragend als „musique d’ameublement“ eignet („Musik als Möbelstück“), also irgendwo im Hintergrund dudeln kann (weil konzentriertes Zuhören eh zu langweilig ist). Es scheint aber heute einen großen Bedarf an Musik zu geben, bei der man nicht zuhören muss und bei der man nicht überfordert wird. Diese Marktlücke machen sich diese Komponisten zunutze und sind daher kommerziell erfolgreich. Musikalisch wertvoll wird es aber dadurch nicht, und in 10 Jahren gibt es dann wieder irgendeine andere Mode und man hat das ganze öde Geklimper wieder satt. Ich sehe aber eine große Zukunft für die Neoklassik als Altersheim-Muzak, oder auch als „Gero-Klassik“. Und irgendwann wird man hoffentlich den Begriff „Neoklassik“ endlich wieder mit den Komponisten wie z.B. Stravinsky assoziieren, die den Begriff eigentlich geprägt und eine vollkommen andere und wesentlich interessantere Musik gemacht haben. Übrigens in den 40er und 50er Jahren des letzten Jahrhunderts.  Was anscheinend die Journalisten, die den doofen und schon besetzten Begriff „Neoklassik“ geprägt haben, schon nicht mehr wissen, weil sie im Musikunterricht anscheinend nicht aufgepasst haben.

Welches Potential hat die Klassik, die nach Pop klingt musikalisch aber auch aus Vermarktersicht?
Sowohl „Klassik“ als auch „Pop“ sind künstliche Hilfsbegriffe, die eigentlich wenig aussagen. Für gute Künstler haben diese Einteilungen keinerlei Bedeutung, da für sie alleine das Werk und die eigene musikalische Ästhetik zählt. Ein Stück wird nicht besser dadurch, dass die meisten es nicht gleich verstehen. Aber ein Stück ist auch nicht deswegen schlecht, weil es nicht jeder gleich zu würdigen weiß oder mitpfeifen kann (sonst würde niemand die „Goldberg-Variationen“ von Bach kennen). Sich dem Publikum anzubiedern und den niedrigsten gemeinsamen Nenner zu bedienen ist ebenso dumm wie nur für ein gehobenes akademisches Publikum zu komponieren.

Ein Stück wie „Rhapsody in Blue“ ist einerseits „Pop“, weil es populär ist und großen Wiedererkennungswert hat, gleichzeitig ist es aber auch qualitativ hochwertige Musik. Geht also!

Und was ist „Klassik“? Eine bestimmte Epoche der Musikgeschichte? Musik für Orchester? Viele Menschen hören Hans Zimmer und denken, das sei „klassische“ Musik, die meisten klassischen Musiker dagegen würden sich mit Hans Zimmer nicht identifizieren, und ich auch nicht.

Ich persönlich finde, dass eher Begriffe wie „freie“ und „kommerzielle“ Musik taugen. Freie Musik kann alles, und kann auch überall hin, sie kann melodisch sein, mitreißend, emotional, muss aber eben auch keinen wummernden Primitivbeat und abgenutzte Akkordfolgen benutzen, keine Teeniegirls in die Ohnmacht schicken und sich nicht auf Teufel komm raus an ein möglichst großes Massenpublikum verkaufen. Denn so ist eigentlich noch nie gute Musik entstanden.
 
Merkmale der sogenannten Neoklassik ist auch der vermehrte Einbezug von digitalen Klängen. Wie stark verändert die Digitalisierung unserer Gesellschaft auch die klassische Musik, die heute komponiert wird?
Da die Welt auf das Komponieren Einfluss hat, hat natürlich auch die Digitalisierung Einfluss, und das halte ich auch für kein Problem. Was aber die Neoklassik macht, ist im Grunde unglaublich banale und abgedroschene Motive und Akkordfolgen (C Dur! a Moll! Und jetzt wieder C Dur! Und nochmal a Moll!) allein mit sehr ausgeklügeltem Sounddesign aufzuhübschen (was übrigens auch Hans Zimmer macht). Die eigentliche künstlerische Leistung liegt daher in der Produktion, nicht aber in der Erfindung. Ich denke aber, dass selbst in einer digitalisierten Welt - und auch beim Einsatz von Elektronik und digitalem Sounddesign - am Ende die Idee und die wirkliche Originalität zählt, und auch nur solche Musik dauerhaft interessant bleibt. Toll wäre also Musik, die einerseits wirklich gut erfunden ist, und andererseits die Medien unserer Zeit nutzt. Natürlich gibt es diese Musik auch, aber sie heißt halt nicht „Neoklassik“.

Was zum Beispiel eine Indie-Band wie „alt-J“ macht, ist auf jeden Fall hundert Mal origineller, und vor allem deswegen, weil sie ihre Musik nicht als kommerzielles Unternehmen sondern der Sache wegen betreiben. Mir ist diese ganze Neoklassik viel zu kalkuliert auf einen gesättigten Hipstermarkt, der etwas „besseres“ als Justin Bieber hören will, weil das besser zum eigenen Lifestyle passt. Und der Musik hören will, die nicht komplizierter ist als das, was sie selber so gerade noch auf dem Klavier klimpern können.
 
Welche Rolle spielen Musikvideos für die Neoklassik auch als ernstzunehmenden Einnahmequelle? Dazu pushen Fanvideos auf Apps wie Musically zusätzlich den Markt– wie können solche Trends die professionellen Musikvideos verändern?
Natürlich ist es schön, mit Musik Geld zu verdienen. Nach wie vor werden aber wir alle Künstler – auch die „Neoklassiker“ – von der Online-Verwertung von Musik abgezockt. Die Abrechnungen von „spotify“, „youtube“ und co. stehen in keinem Verhältnis zu dem, was früher mit dem Verkauf von Schallplatten und eine Weile auch CDs möglich war. Daher müssen Künstler sich heute sehr vielseitig aufstellen und alle Medien nutzen, wozu natürlich auch Videos gehören. Nach wie vor geschieht da künstlerisch viel Interessantes. Was aber schade ist, ist dass es keine „kuratierten“ Programme wie früher „MTV“ mehr gibt, die einmal eine Art Video-Leitkultur etablierten, was künstlerisch sehr spannend war, sondern nur noch „clickbait“-Videos, die möglichst auffallen und viel geklickt werden wollen. Daher bleiben die eher poetischen oder ruhigen wie auch künstlerisch ambitionierteren Videos meistens auf der Strecke. Wir bräuchten also eine Art „Netflix“ für Musikvideos!

Bei der „Neoklassik“ sind aber natürlich die Videos dringend notwendig, da man ohne visuelle Ablenkung bei der Musik alleine vor Langeweile verenden würde.

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