Die Bundesregierung will die Wirtschaft über ein Bürokratieentlastungsgesetz in Milliardenhöhe entlasten. Wie groß ist der Druck für die Unternehmen durch zu viel Bürokratie?
Gerade in konjunkturell schwierigen Zeiten, wie wir sie im Moment erleben, wird Bürokratie grundsätzlich als belastender empfunden, als dies in florierender Wirtschaft der Fall ist. Leicht übersteigt der bürokratische Aufwand den Unternehmensgewinn. Das durchschnittliche Unternehmen wendet etwa 3% seines Umsatzes für die Erledigung bürokratischer Pflichten auf. Im kleinen Mittelstand oder im Handwerk können dies leicht 7% werden.
Es ist aber nicht nur der finanzielle Aufwand, der belastet. Bürokratie wird in Unternehmerkreisen sehr oft als Hindernis oder Ärgernis empfunden, wenn die Erfüllung der Pflicht unnötig aufwändig oder kompliziert ist. Allzu oft stellt sich das Gefühl ein, dass der Aufwand nicht mehr in angemessener Relation zu dem erwarteten Nutzen steht. Die Betroffenen sehen sich dann von ihrer eigentlichen Aufgabe im Unternehmen abgehalten und fühlen Druck.
Der Entwurf für ein Bürokratieentlastungsgesetz IV sieht etwa kürzere Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege vor. Wie finden Sie das?
Grundsätzlich ist jede Maßnahme, die zu weniger Belastung führt, zu begrüßen. Davon gibt es im Bürokratieentlastungsgesetz eine ganze Reihe von Vorhaben. Bei der Aufbewahrung von Buchungsbelegen handelt es sich um eine Pflicht, die tatsächlich aber verhältnismäßig wenig Betroffenheit auslöst. Praktisch gesprochen fragt ein Handwerker, was er denn nun davon hat, wenn er neun oder zehn Jahre alte Belege jetzt wegschmeißen kann. Die müsse er im Keller ja erst einmal suchen. Und für die Unternehmen, die die Belege digital archivieren, macht es kaum einen Unterschied, ob die nun 10 oder acht Jahre gespeichert bleiben.
Mehr Verwaltungsvorgänge sollen digital möglich sein. Wie ist Deutschland darauf vorbereitet?
Bei der Digitalisierung des Gesetzesvollzugs muss Deutschland unbedingt mehr Fahrt aufnehmen. Alle bisherigen Bemühungen reichen nicht weit genug, und es geht zu langsam. Das Onlinezugangsgesetz hat seine erwartete Wirkung bislang nicht entfaltet. Sicher stehen auch immer ernstzunehmende Argumente im Raum, wenn Digitalisierung auf sich warten lässt, wie z.B. der Datenschutz. Aber wenn wir nicht auch bei dem Vollzug von bürokratischen Pflichten die Vorteile der Digitalisierung nicht schnell und verlässlich nutzen, verschenken wir Wettbewerbsfähigkeit.
Im Gesundheitswesen funktionieren ja mittlerweile die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und das E-Rezept nach Anfangsschwierigkeiten schon ganz gut. Auch wenn der Weg steinig ist, er muss gegangen werden.
Was sollte aus Ihrer Sicht noch in einem endgültigen Gesetz stehen - und was keinesfalls?
Der bürokratische Aufwand für Unternehmen in Deutschland ist in den letzten Jahren auf hohem Niveau nicht geringer geworden. Ganz im Gegenteil: Der Erfüllungsaufwand steigt schon wieder spürbar an. Und wenn gleichzeitig die Unternehmensgewinne stagnieren oder sinken, wird der bürokratische Aufwand relativ noch größer.
Das Bürokratieentlastungsgesetz IV ist eine Ansammlung von Entlastungsmaßnahmen, die jede für sich diskutiert werden kann und auch wird. Aber etwa 700 Mio. Euro Entlastungsmaßnahmen sind schon ein Entlastungspfund. Bürokratie kommt ja immer auch nicht ohne Grund. Irgendjemand ist stets für die Pflicht.
Ich halte den Gesetzgebungsansatz in Summe für gut. Hauptsache, das Gesetz kommt. Und Hauptsache, die Anstrengungen im Bürokratieabbau lassen nicht nach. Das ist wichtig für Deutschland, seine Unternehmen, seine Verwaltungen und seine Bürger.