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Bürokratie als zentraler Hemmschuh

Welche Entlastungen gut für die Wirtschaft wären

Dr. Martin Wansleben - Hauptgeschäftsführer, DIHK | Deutsche Industrie- und Handelskammer Quelle: DIHK / Paul Aidan Perry Dr. Martin Wansleben Hauptgeschäftsführer DIHK | Deutsche Industrie- und Handelskammer 22.02.2024
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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"Ein Befreiungsschlag ist das für die Unternehmen noch nicht", erklärt DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben mit Blick auf das geplante Bürokratieentlastungsgesetz IV. Er fordert in vielen Details mehr Mut.







Die Bundesregierung will die Wirtschaft über ein Bürokratieentlastungsgesetz in Milliardenhöhe entlasten. Wie groß ist der Druck für die Unternehmen durch zu viel Bürokratie?
Neben den großen Herausforderungen durch hohe Energiekosten, geopolitisch bedingte Hemmnisse im internationalen Handel und dem Fachkräftemangel nennen uns die Unternehmen in den DIHK-Umfragen die Bürokratie immer wieder als zentralen Hemmschuh. Das gilt besonders für mittelständische Betriebe, weil hier oftmals die Ressourcen fehlen, um die umfangreichen Vorgaben zu bewältigen. Wir konnten mit einer Studie am Beispiel des Gastgewerbes zeigen, dass bürokratische Vorgaben Woche für Woche im Durchschnitt 14 Stunden Arbeitszeit in Anspruch nehmen. Dabei ist die „wahre“ Belastung noch viel höher, weil in dieser Analyse der positive Ertrag einer alternativen Nutzung dieser Zeit für betriebliche Zwecke noch gar nicht berücksichtigt werden konnten. Gerade wenn in kleineren Betrieben die Eigentümer selbst solche Aufgaben erledigen müssen, fehlt die Zeit für die Kernaufgaben in den Unternehmen. Der Druck auf die Unternehmen ist also groß, was nicht selten zu einer hohen Frustration führt, bei einigen sogar zur Resignation.

Der Entwurf für ein Bürokratieentlastungsgesetz IV sieht etwa kürzere Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege vor. Wie finden Sie das?  
Das ist eine gute Maßnahme, weil die Aufbewahrung steuerlich relevanter Unterlagen in physischer oder digitaler Form erhebliche Kosten verursacht. Noch besser wäre es, wenn die Aufbewahrungsfristen gleich auf fünf Jahre verkürzt würden, und das einheitlich in verschiedenen Gesetzen. Damit würde im übrigen zusätzlich ein klarer Anreiz gesetzt, die Betriebsprüfungen seitens der Finanzämter zu beschleunigen. Nach fünf Jahren müsste alles beendet sein und Unternehmen und Verwaltung hätten viel früher Rechtssicherheit.

Mehr Verwaltungsvorgänge sollen digital möglich sein. Wie ist Deutschland darauf vorbereitet?
Wir sind leider noch weit von einer Welt entfernt, in der die Prozesse zwischen Unternehmen und Verwaltung durchgängig digital abgewickelt werden. Die Unternehmen haben klare Vorstellungen, wie moderne Verwaltung in der digitalen Welt funktionieren sollte. Hier einige Beispiele: Anträge für neue Industrieanlagen, Glasfaserleitungen oder Mobilfunkmasten werden reibungslos und schnell genehmigt. Handel und Gastronomie bekommen per Mausklick Sondergenehmigungen für die Nutzung von Gehwegen für die Bewirtung. Unternehmen können allen Informations- und Meldepflichten digital nachkommen und müssen alle Daten nur einmal einreichen – also alles nach dem „Once-only“-Prinzip.

Im Onlinezugangsgesetz war vorgesehen, bis Ende 2022 sämtliche Verwaltungsleistungen online zugänglich zu machen. Hier hat sich zwar einiges getan, aber das Ziel wurde deutlich verfehlt. Aus Sicht der Unternehmen haben sich jedenfalls viele Erwartungen nicht erfüllt. Wir könnten vor allem schneller vorankommen, wenn Verwaltungsvorgänge in einem ersten Schritt viel radikaler vereinfacht würden, bevor Prozesse in einem zweiten digitalisiert werden.

Was sollte aus Ihrer Sicht noch in einem endgültigen Gesetz stehen - und was keinesfalls?
Im Gesetz stehen viele richtige Maßnahmen, aber ein Befreiungsschlag ist das für die Unternehmen noch nicht. Es gibt eine Reihe von Maßnahmen, bei denen nachgeschärft werden sollte. Ein Beispiel sind die Aufbewahrungsfristen, die noch kürzer sein könnten. Auch der Verzicht auf das Schriftformerfordernis sollte viel breiter zur Anwendung kommen. Aufgenommen werden sollte zudem ein Abbau von Bürokratie bei den Steuerverfahren. Wir hatten konkret vorgeschlagen, das Formular der Einnahmen- Überschussrechnung in der Einkommensteuer deutlich zu vereinfachen. Das wurde leider abgelehnt, weil dann der Finanzverwaltung angeblich wichtige Daten fehlen würden. Hier könnte man wesentlich mutiger sein. Das größte Problem ist derzeit allerdings, dass parallel zu den Bemühungen, Bürokratie abzubauen, viele neue Vorschriften auf die Betriebe zukommen. Die Bundesregierung hatte im Herbst 2022 ein Belastungsmoratorium angekündigt. Dieses Moratorium wurde bis heute nicht eingehalten.

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