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Umsatz der deutschen Musikindustrie wächst

Warum der Geschäftsführer vom Bundesverband Musikindustrie fest davon ausgeht, dass die Digitaliserung der Branche große Chancen eröffnet

Dr. Florian Drücke, Geschäftsführer Bundesverband Musikindustrie e. V. (BVMI) Quelle: BVMI/Markus Nass Dr. Florian Drücke Geschäftsführer Bundesverband Musikindustrie 28.04.2016
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Alexander Hiller
Redakteur
Meinungsbarometer.info
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Erstmals seit 10 Jahren ist der Umsatz der deutschen Musikindustrie wieder gewachsen. Für den Geschäftsführer des Bundesverbands Musikindustrie, Dr. Florian Drücke, ein Signal, dass auch die digitalen Angebote im Markt immer besser ankommen. Steht jetzt die Musikbranche vor glänzenden Zukunftsaussichten?







Wie hören wir in Zukunft Musik?
Wenn ich gezwungen werde, in die Glaskugel zu schauen, was gerade in der Musikbranche extrem schwierig ist, dann kann ich zumindest sagen: Wir werden auch künftig Musik auf ganz verschiedenen Wegen hören: Also physisch und digital. Sicherlich kann man aber auch davon ausgehen, dass der Status Quo des legalen Angebots im Jahr 2016 nicht das Ende der Geschichte ist. Spannend ist in dieser Hinsicht, dass die Musikbranche mit ihrer Diversifizierungsstrategie die digitale Welt schon sehr früh umarmt hat. Viel früher als andere Branchen, die jetzt erst die Digitalisierung entdecken.

Taugen die digitalen Geschäftsmodelle oder wird die Kostenlosmentalität so eher gefördert?
Der Umsatz in unserer Branche wird noch immer aus sehr verschiedenen Quellen gespeist. Da wurde nicht einfach der Schalter umgelegt, jetzt ist alles digital oder ab jetzt wird nur noch gestreamt. Wir haben uns als Branche sehr früh für das Modell „Paid Content“ entschieden, was ja in der Wahrnehmung Vieler erstmal eher einen negativen Effekt hatte, weil wir unsere Rechte entsprechend verteidigt haben, was richtig war. Weil wir von Beginn an daran geglaubt haben, dass Musik ihren Wert hat, der bezahlt werden muss. Das hieß im Umkehrschluss aber auch, dass wir etwas tun mussten gegen die illegale Verbreitung von Musik. Gleichzeitig haben wir die legalen Angebote immer weiter ausgebaut und verbessert und die Kunden darüber aufgeklärt, was legal und was illegal ist. Damit der Nutzer, der ja erst mal nur per se Musikhören will, weiß, wie er sich verhalten muss und das Angebot findet, das zu ihm passt.

Wie verteilen sich heute die Umsatzanteile aus dem Musikverkauf?
Erst einmal ist festzustellen, dass der Umsatz der deutschen Musikindustrie im Jahr 2015 zum ersten Mal seit über einem Jahrzehnt wieder deutlich, um 4,6 Prozent, gewachsen ist. Der Umsatz generiert sich heute aus knapp 69 Prozent physischen Tonträgern, wie CD, Vinyl und Musik-DVD und zu gut 31 Prozent aus digitalen Quellen, wie Download und Streaming. Vor allem der Streamingmarkt als wichtigster Neuzugang erlebt gerade ein besonders starkes Wachstum mit einem um 106 Prozent gewachsenen Marktanteil im Vergleich zum Vorjahr. Das heißt Streaming kommt jetzt in der Breite richtig an und generiert das Wachstum am Gesamtmarkt. Dennoch ist die CD mit fast 61 Prozent Gesamtmarktanteil noch immer sehr stabil. Weiterhin sehen wir gerade, dass in einer stark digital geprägten Welt, nicht nur die CD ihre Daseinsberechtigung hat, sondern auch Vinyl ganz stark wächst.

Wie erklären Sie sich den Boom der analogen Langspielplatte?
Zunächst müssen wir festhalten, Vinyl hat einen Marktanteil von 3 Prozent, es handelt sich also hier eindeutig um eine Nische. Dennoch ist der Umsatz mit den LPs von 2006 bis 2015 um das Achtfache von 6 Millionen Euro Umsatz auf 50 Millionen Euro gestiegen. Die Nachfrage nach Vinyl geht dabei quer durch alle Altersgruppen und quer durch die Genres. Die Musikliebhaber erkennen, dass dieser Tonträger einen ganz besonderen Reiz hat. Hier geht es nicht nur um den Retro-Aspekt, den analogen Sound oder Coverart, sondern sicher auch um ein Lebensgefühl, um den Aspekt der Entschleunigung. Alles in allem wird der Musikmarkt mit der Vinyl-LP um eine sehr schöne Facette bereichert.

Erkennen Sie in der Langspielplatte einen Gegentrend zur Digitalisierung?
Ich denke, man muss die verschiedenen Formate und Nutzungsformen additiv sehen. Analog und digital schließt sich nicht aus. Neben dem boomenden Streamingmarkt sehen wir, dass der Downloadmarkt leicht rückläufig und der physische Tonträgermarkt vergleichsweise stabil ist. Natürlich wird die CD unter Annahme der aktuellen Prognosen weiter abschmelzen, aber nicht in dem Maße, wie es oft beschrien wird - immerhin wurde die CD in den letzten 10 Jahren schon oft totgeschrieben. Es ist also nicht an uns, zu sagen, du bist ein schlechterer oder besserer Musikfan, weil du diese oder jene Art des Musikhörens bevorzugst. Wir glauben an die Vielfalt des Angebots und dabei durchaus auch an eine Mischnutzung. Musikhörer, die das Streaming nutzen, werden vielleicht zusätzlich CDs oder Vinylschallplatten kaufen.

Können neue digitale Geschäftsmodelle das klassische Musikbusiness adäquat ersetzen oder bleiben Künstler und Plattenfirmen auf der Strecke?
Letztlich bleibt es, wie bereits betont, auf absehbare Zeit bei einem Miteinander des physischen und digitalen Marktes. Ich denke wir haben als Branche längst eine gewisse anfängliche Langsamkeit, die vom Urknall der digitalen Revolution hervorgerufen wurde, hinter uns gelassen. Die Unternehmen haben sich verändert, die Sicht auf die Branche, vor allem aber auf die legalen Angebote hat sich grundlegend verändert. Insofern meine ich, dass gerade der digitale Markt auch in Zukunft große Chancen für die Branche eröffnet. Aber natürlich wird das Geschäft nicht aus dem Free-Bereich kommen, der soll und kann lediglich Appetit machen. Die Aufgabe wird sein, die Kunden im Bereich des Streamings als Premium-Abonnenten zu gewinnen. Wenn dann noch die Rahmenbedingungen auch die Interessen unserer Branche reflektieren, ist mir nicht bange zu behaupten, dass die Einnahmen auch im digitalen Markt deutlich weiter wachsen werden, an denen dann die Künstler und ihre Partner entsprechend partizipieren. Aber wie eingangs schon gesagt: Der Blick in die Glaskugel ist gerade in unserer Branche nicht leicht - wir leben in einer extrem spannenden Zeit.

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