Ihre Stadt gehört zu den smartesten in Deutschland. Welche Anstrengungen haben Sie in der letzten Zeit dafür unternommen?
Für Ulm ist der digitale Wandel seit annähernd 10 Jahren ein Thema, das konsequent vorangebracht wird. Zunächst ging es um die Grundlagen, die sich in der Entwicklung und Verabschiedung unseres Datenethik-Konzeptes und unserer Smart City Strategie wiederspiegeln - Ulm hat damit als einer der ersten Städte bundesweit Leitplanken für den Umgang mit Daten gezogen sowie Ziele und Meilensteine auf dem Weg zur Smart City formuliert.
Auf diesem Weg haben wir die gesamte Stadt mit all ihren Institutionen einbezogen und die Ulmer Bürgerschaft stets mitgenommen. Deshalb ist es nicht treffend formuliert, dass wir besondere Anstrengungen unternommen haben, um als Stadt möglichst schnell möglichst smart zu sein. Vielmehr ist die digitale Transformation in Ulm ein gemeinsames Projekt des gesamten Stadtkonzerns, das wir alle Schritt für Schritt voranbringen um auch in Zukunft eine attraktive, lebenswerte Stadt zu sein.
Wir merken dabei, dass mittlerweile in immer mehr Bereichen die Chancen erkannt werden, die der digitale Wandel bringen kann. Wir müssen nicht mehr überzeugen, argumentieren und Vorteile aufzeigen - die Überzeugung wächst, den digitalen Wandel miteinander anzupacken. Entsprechend wächst auch die Motivation aller Stakeholder, Projekte zu entwickeln und voranzubringen. Das hilft spürbar, unsere Ziele zu erreichen.
Wir freuen uns natürlich darüber, dass dieser Weg Anerkennung findet - viel wichtiger ist aber, dass wir als Gesellschaft, den Wandel hin zur Smart City, zur Smarten Region und der vorteilsbringenden Vernetzung gemeinsam gut bewältigen. Wenn wir hier mit unseren smarten Impulsen und smarten Lösungen einen Beitrag leisten können, haben wir tatsächlich etwas geleistet.
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Das Ranking betrachtet deutsche Städte - wie sehen Sie Ihre Kommune im Europa-weiten Vergleich aufgestellt?
Kommunen in Europa im Smart-City-Kontext zu vergleichen ist schwierig, denn mehr noch als hier in Deutschland sind die Voraussetzungen für Europa höchst unterschiedlich, smarte Lösungen für Städte zu entwickeln und umzusetzen.
Wir in Ulm haben 2021 bewusst den Blick nach Europa gerichtet und den Austausch mit Städten und Regionen gesucht, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen wie wir. Dabei wurden wir Teil der ICC (Intelligent Cities Challenge), sind mittlerweile eine Euro-Town (eurotowns.org) und regelmäßig beim Smart City Expo World Congress zu Gast. Denn es ist unsere Überzeugung, dass der digitale Wandel keine nationale Angelegenheit ist.
Wir haben viele Impulse für unsere Arbeit gewonnen, es gab offenen Austausch, wir haben den Kreis der Experten erweitert, die uns helfen können - und es gab einige Themen, bei denen wir mit Kommunen in Europa zusammenarbeiten konnten: Etwa Terrassa, Spanien, im Bereich LoRaWAN - oder Cork, England, bei digitalen Lösungen für Senioren, wo wir mit dem Projekt "Daheim Dank Digital" gemeinsam mit der Agaplesion-Betheda-Klinik schon wichtige Erkenntnisse gesammelt hatten.
Zuletzt haben wir am Buch "Participation for Transformation" mit mehreren Beiträgen mitgewirkt, das im Zuge des Projekts "Zukunftsstadt Goes Europe" vom Bundesministerium für Bildung und Forschung herausgegeben und gefördert wurde. Erhältlich als Open Access über die Universitäts- und Landesbibliothek Münster* oder als Print on Demand bei Bookmundo,** ist das Buch wertvoll für alle, die an der Schnittstelle von Stadtentwicklung und Bürgerbeteiligung arbeiten oder forschen.
Ulm wird also in Europa wahrgenommen - und wir nehmen die Smart Cities in Europa wahr. Das öffnet Türen - und bietet Chancen, unsere Ziele auf breiterer Grundlage besser zu erreichen. Und wir freuen uns darüber, dass unser Netzwerk in Europa immer lebendiger wird.
Welche Projekte wollen Sie als nächstes angehen?
Der spürbare Klimawandel der vergangenen Jahre macht es notwendig, dass wir die Klimadatenerhebungen ausbauen - etwa mit Hilfe unseres KLUGA-Projektes.*** Bei KLUGA geht's ums Klima. Ziel des Vorhabens ist es, Daten aus Sensoranwendungen mit Hilfe des "Internet of things" (IoT) zur Anpassung an den Klimawandel im urbanen Raum nutzbar zu machen. Mit dem vom Bundesumweltministerium geförderten KLUGA-Projekt wird dieser Ansatz genutzt und gemeinsam mit der Ulmer Bürgerschaft sollen weitere Anwendungsfelder für Sensoren in Ulm definiert und umgesetzt werden. Speziell geht es um Sensoren, die darüber informieren, wo gerade welche Temperatur herrscht oder wie an ausgesuchten Orten die Luft- oder Wasserqualität ist - diese Daten helfen, mit den durch den Klimawandel verursachten Veränderungen besser zurechtzukommen.
Desweiteren wird der Glasfaserausbau in der Innenstadt vorangetrieben - eine echte Mammutaufgabe, die Ulm zum großen Teil auch aus eigenen Stücken stemmt.
Außerdem hat die Stadt eine Anlauf- und Koordinierungsstelle "Bürgerdialog" geschaffen. Sie entwickelt gerade die digitalen Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung weiter.
Wir müssen natürlich auch auf die rasant wachsende Bedeutung der Künstliche Intelligenz (KI) reagieren, die heute immer mehr Lebens- und Arbeitsbereiche durchdringt. Sie wird bekanntlich auch für das Erstellen oder Übersetzen von Texten und zur Automatisierung von Prozessen genutzt. Das ist ein Bereich, mit dem wir als Verwaltung besonders sensibel umgehen müssen, denn es geht hier um nichts anders, als um das Vertrauen der Bürger*innen in ihre Stadt. Um einen langfristigen Mehrwert für die Stadt Ulm zu erzielen, schaffen wir einen verantwortungsbewussten und funktionalen Rahmen, in dem die Potenziale von KI im Sinne des Gemeinwohls genutzt werden können. In diesem Zusammenhang möchten wir neue Kompetenzen entwickeln und ausbauen - und wir entwickeln gerade ein KI-Positionspapier.
Welche Unterstützung würden Sie sich bei Ihren Maßnahmen von Land, Bund und EU wünschen?
Die Stadt der Zukunft ist auf Daten aufgebaut. Sie lässt sich nur mit einer guten Datengrundlage gestalten. Intelligente Mobilität und nachhaltiger Klimaschutz funktionieren nicht mehr ohne umfassende, rechtssichere und nachvollziehbare Datennutzung. Öffentliche Daten müssen also für die öffentliche Hand nutz- und verwertbar sein, auch wenn sie von Dritten erhoben werden. Dies gilt etwa für die kommunale Wärmeplanung: Städte brauchen neben eigenen auch Daten von Externen - wie etwa Energieversorgern und Schornsteinfegern - um einen guten Wärmeplan zu erstellen.
Hier sollte der Bund einen sinnvollen Rechtsrahmen schaffen.
Mindestens ebenso wichtig ist die Einführung von einheitlichen Standards für Datensammlung und Datenaustausch - der aktuell vorherrschende Flickentepich von unzähligen Anwendungen auf technisch möglichst individuell aufgebauten Plattformen ist keine geeignete Lösung, den Smart City Gedanken in die Breite zu entwickeln.
Hier sind vor allem der Bund und die EU gefragt - einheitliche Standards und Schnittstellen erleichtern das Zusammenwirken und beschleunigen die digitale Transformation.
* https://doi.org/10.17879/68948702045
** https://publish.bookmundo.de/books/355084
*** https://www.ulm.de/leben-in-ulm/digitale-stadt/scgoeseu/kluga2023