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Technischen Schutz gegen unerlaubte Werbung gibt es nicht

Was wer für den Jugendschutz bei digitaler Werbung tun muss

Dr. Daniel Hajok, Arbeitsgemeinschaft Kindheit, Jugend und neue Medien (AKJM) Quelle: AKJM Dr. Daniel Hajok AKJM 28.02.2018
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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"Werbung hat schon immer Grenzen ausgetestet, um Aufsehen zu erregen, Produkte und Dienstleistungen auf dem Markt einzuführen und in den Zielgruppen publik zu machen", konstatiert Dr. Daniel Hajok von der Arbeitsgemeinschaft Kindheit, Jugend und neue Medien (AKJM). Hajok ist auch Mitglied des Beschwerdeausschusses und der Gutachterkommission der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter e.V. (FSM).







Eltern beschweren sich nach Medienberichten häufig über nicht altersgerechte Werbung in Games oder auf Videoplattformen im Internet. An wen sollten sich Betroffene in so einem Fall wenden?
Kinder- und Jugendmedienwelten sind heute ohne Werbung gar nicht mehr denkbar. Das trifft insbesondere für die beliebten Welten von digitalen Spielen und Videoclips zu. Problematisch wird Werbung dann, wenn Sie direkte Kaufappelle enthält, die Leichtgläubigkeit und Unerfahrenheit von Kindern und Jugendlichen ausnutzt oder die Werbebotschaften nicht hinreichend vom eigentlichen Content des Spieles oder Videos getrennt sind. Keineswegs unkritisch wird auch gesehen, wenn Kinder auf YouTube erst einmal Werbung erdulden müssen, bevor sie ihr Video sehen können, sie zunächst also in ihrer eigentlichen Handlung gehemmt werden.

Fällt Eltern nicht altersgerechte Werbung auf, dann sollten sie sich im Bereich der Games, Online-Spiele und Apps an die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) wenden, die auch die entsprechenden Altersfreigaben vergibt. Für Webseiten, Onlinedienste und Videoplattformen ist demgegenüber die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM) die richtige Adresse. Sie unterhält eine Online-Beschwerdestelle und geht gemeldeten Verstößen gegen die Bestimmungen zum Kinder- und Jugendmedienschutz (dazu zählen auch die oben genannten Formen unerlaubter Werbung) nach. Gerade im Online-Bereich, in dem keine systematische Vorabprüfung stattfindet, ist es wichtig, dass die zuständigen Stellen Hinweise auf problematische Inhalte erhalten und diese entsprechend überprüfen und sanktionieren können.

Was empfehlen Sie Eltern, wie Sie ihre Kinder von nicht altersgerechter Werbung auf digitalen Plattformen schützen können?
Um es gleich vorweg zu nehmen: Einen wirksamen Schutz vor nicht altersgerechten Inhalten, wie wir ihn zum Teil aus dem Offline-Bereich kennen, gibt es in den Onlinewelten nicht. Und technische Schutzinstrumente, die Eltern auf den Endgeräten ihrer Schützlinge installieren können, bieten vieles, nur keinen zuverlässigen Schutz gegen unerlaubte Werbung. Bei der Nutzung digitaler Spiele- und Videoplattformen ist mehr denn je ein angemessenes medienerzieherische Handeln der Eltern gefragt. Eine gute Basis ist hier, wenn die Erziehenden die ersten Schritte ihrer Schützlinge in den digitalen Welten begleiten. Die verschiedenen Werbeformen, mit denen die Kinder dabei zwangsläufig konfrontiert werden, sind dann ein guter Ansatzpunkt für aufklärerische Gespräche. Ziel sollte hier ein kompetenter Umgang mit Werbung sein, bei dem Kinder und Jugendliche dafür stark gemacht werden, nicht altersgerechte Werbung als solche zu erkennen und im Ideal von selbst aus dem Weg gehen.

Da sich in der Welt digitaler Medien Heranwachsende heute immer früher einer elterlichen Kontrolle entziehen, sollten die Erziehenden die beliebten Spiele- und Videowelten ihrer Kinder zumindest zum Thema machen. Gelingt es Eltern, eine diskursive Begleitung zu etablieren, steigt die Chance, dass ihre Kinder ihnen von selbst über negative (und positive) Erfahrungen berichten. Nicht zuletzt sollten die Eltern natürlich auch ein Auge darauf behalten, was ihre Schützlinge gerade spielen, welche Videos sie mögen und inwieweit nicht altersgerechte Werbung hier eine Rolle spielt. Mit spielbar.de gibt es für den Bereich der digitalen Spiele ein gut gemachtes Angebot der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), das Eltern über die Altersfreigaben hinausgehend eine kurze pädagogische Empfehlung für die angesagten Spiele und ggf. beinhaltete Werbung bietet.

Was sollte die Werbewirtschaft tun?
Ob mit gezielten Emotionalisierungen etwa nach dem Motto „Sex sells“ oder aggressiven Formen der Zielgruppenansprache – Werbung hat schon immer Grenzen ausgetestet, um Aufsehen zu erregen, Produkte und Dienstleistungen auf dem Markt einzuführen und in den Zielgruppen publik zu machen. Und seit dem Kinder nicht mehr nur als Konsumenten von morgen gesehen werden, sondern mit ihrer gestiegenen Kaufkraft und Einflussnahme auf die Kaufentscheidungen Erwachsener als Konsumenten von heute, geraten natürlich auch sie zunehmend in den Fokus von Werbung, die keineswegs immer altersgerecht ist.

Von der Werbewirtschaft ist dementsprechend zu fordern, dass mit einer funktionierenden Selbstkontrolle sichergestellt wird, dass Werbung unsere gesetzlichen Bestimmungen zum Kinder- und Jugendmedienschutz ohne Wenn und Aber einhält. Online-Dienste, Spiele- und Videoplattformen sind demgegenüber gefordert, mit ihrer spezifischen Kenntnis von ihren Zielgruppen darauf zu achten, dass Kinder- und Jugendliche nicht mit altersunangemessener Werbung konfrontiert werden. Aufgrund der vielen automatisierten Formen von zielgruppenspezifischer Werbung (Targeting) stellen sich zudem besondere Anforderungen an einen technischen bzw. algorithmenbasierten Schutz, mit dem anbieterseitig verhindert wird, dass Kinder und Jugendliche mit Werbung konfrontiert werden, die nach unseren gesetzlichen Bestimmungen eben nicht an sie adressiert werden darf.

Sehen Sie Regulierungsbedarf für nicht altersgerechte Werbung in der digitalen Welt?
Beim Thema nicht altersgerechter Werbung bewegen wir uns an der Schnittstelle von Verbraucherschutz auf der einen Seite, Kinder- und Jugendmedienschutz auf der anderen. Letzterer hat mit den für die Online-Bereich verbindlichen Bestimmungen des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (JMStV) auch Regelungen zum Kinder- und Jugendschutz im Bereich Werbung. Hier ist eigentlich kein weiterer Regulierungsbedarf erforderlich, die bestehenden Regelungen sollten allerdings konsequenter durchgesetzt werden.

In der öffentlichen Diskussion wie im Fachdiskurs standen in der Vergangenheit potenziell entwicklungsbeeinträchtigende und jugendgefährdende Medieninhalte im Spektrum von Sex, Gewalt und Extremismus im Fokus und eben nicht der Bereich unerlaubter Werbung. Das hat auch mit einer besonderen Sensibilität von Erziehenden sowie Kinder- und Jugendschützern für drastische Grenzüberschreitungen zu tun. Wenn Eltern sich nun offenbar vermehrt über nicht altersgerechte Werbung beschweren, dann deutet sich hier ein Kurswechsel an, der hoffentlich auch einen konsequenteren Umgang zur Folge hat.

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