Die neue AVMD-Richtlinie soll die Regeln für klassisches Fernsehen und für Angebote im Internet annähern – inwieweit ist das mit der jetzigen Einigung gelungen?
Durch die partielle Angleichung der Regulierung linearer und nicht-linearer Dienste bzw. VoD-Dienste als auch die Aufnahme von Videosharing-Plattformen („VSPs“) wie z. B. Youtube und teilweise Social-Media-Plattformen wie Facebook folgt die neue Richtlinie schrittweise der technischen und inhaltlichen Konvergenz. Vor allem das Europäische Parlament und Deutschland hatten sich hierfür eingesetzt. Zum Beispiel müssen VSPs die für Mediendienstanbieter anwendbaren allgemeinen qualitativen Werbebeschränkungen künftig auch einhalten, soweit sie Inhalte selbst vermarkten. Dennoch hätte der Schritt zu einem Level-Playing-Field im audiovisuellen Sektor deutlich größer ausfallen müssen. TV bleibt das am stärksten regulierte Medium.
Die neue AVMD-Richtlinie schreibt VOD-Diensten eine 30-%-Quote für europäische Produktionen vor und sie sollen an der nationalen Filmförderung beteiligt werden können. Wie bewerten Sie das?
Der VAUNET hält rechtliche Vorgaben zur Förderung europäischer Werke auch im Sinne wettbewerbsfähiger europäischer Medienunternehmen nicht für zielführend. Vielmehr bringen sie weitreichende Eingriffe in die Programmfreiheit mit sich. In der heutigen Richtlinie wurde für den On-Demand-Bereich ein ausgewogener Regulierungsansatz unter dem Blickwinkel der praktischen Durchführbarkeit gefunden. Die Einführung einer verpflichtenden 30%-Quote in VoD-Angeboten wäre daher verzichtbar gewesen. Die Mitgliedstaaten verfügen außerdem über ausreichend Spielraum, eine sinnvolle Kombination aus Förderung, Anreizen und Weiterentwicklung der Maßnahmen zu wählen. Eine Filmförderungsabgabe für ausländische VOD-Anbieter, die gezielt ihr Angebot nach Deutschland ausrichten, ist bereits im Filmfördergesetz (FFG) geregelt. Sie wird nun durch die neue AVMD-Richtlinie bestätigt. Das Gericht der Europäischen Union (EuG) hatte erst vor wenigen Tagen eine Klage von Netflix gegen die Filmförderungsabgabe als unzulässig abgewiesen, da der Streamingdienst nicht dargelegt habe, wesentlich beeinträchtigt worden und individuell betroffen zu sei. Besonders kritisch sehen wirallerdings, dass auch lineare Dienste, die bereits vielfach in europäische Inhalte investieren, von solchen ausländischen Filmförderungsabgaben betroffen sein könnten. Der VAUNET erwartet, dass es im Wege der nationalen Umsetzung zu keiner Doppelbelastung der Fernsehsender kommt.
Mit der neuen Richtlinie werden die Regeln zu den TV-Werbezeiten gelockert – wie gut sind die neuen Vorgaben aus Ihrer Sicht?
Werbefreiheit ist die zentrale Voraussetzung für die Finanzierung von kreativen Medieninhalten und das Bestehen im internationalen Wettbewerb. Daher müssen die Unternehmen die Möglichkeit haben, Werbung flexibel einzusetzen. Einige Spielräume zur Deregulierung der Werbung z. B. bei Single Spots oder Unterbrechervorgaben wurden bedauerlicherweise nicht ausgeschöpft. Hier besteht großes Unverständnis, warum TV im Vergleich zu Online, wo Pre-, Mid- und Post-Rolls gelebte Praxis sind, restriktiver reguliert sein soll. Positiv bewerten wir die Abschaffung der stündlichen Werbezeitbegrenzung. Die Einteilung in zwei Fenster und darunter eine Hauptsendezeit von sechs Stunden, währenddessen die Ausstrahlung von Fernsehwerbespots und Teleshoppingspots einer zeitlichen Limitierung von 20% unterliegen soll, wird grundsätzlich mehr Flexibilität schaffen. Bund und Länder haben sich für diese bis zum Ende eingesetzt. Wir werden nun sehen, wie der nationale Gesetzgeber die Werbebestimmungen aus der AVMD-Richtlinie vor dem Hintergrund der Angebots- und Anbietervielfalt umsetzen wird.
Nach der Einigung sollen bis Juni letzte Details verhandelt werden, bevor Rat und EU-Parlament zustimmen sollen. Welche Änderungen wünschen Sie sich auf den letzten Verhandlungs-Metern noch?
Die zuletzt zu klärenden Details waren hauptsächlich die Erwägungsgründe, die aber bereits durch die Formulierung der Artikel bedingt waren oder sogar mit ihnen verhandelt wurden. Zu den besonders umkämpften Recitals gehörten die zur Signalintegrität und zu den Filmförderungsabgaben. Offen ist noch die Frist zur Implementierung der AVMD-Richtlinie in nationales Recht, auf die sich die Institutionen noch einigen müssen. Sie pendelt zwischen 18 und 24 Monaten. Wunsch wäre, dass sich die Konvergenz bald im nationalen Medienrecht widerspiegelt.