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Interview02.05.2018

Steuerraub wird tatenlos zugesehen

Wie und wo Unternehmen besteuert werden sollten

Martin Schirdewan, Mitglied des Europaparlaments (Die Linke) Quelle: Serkis Martin Schirdewan MdEP Die Linke
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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"2014 zahlte Apple auf seine in der EU erwirtschafteten Gewinne 0,005 Prozent an Steuern", kritisiert der Linke Europa-Abgeordnete Martin Schirdewan. Deshalb weise die Einführung einer Digitalsteuer in die richtige Richtung. Doch letztlich müsse das Problem an der Wurzel angepackt werden.





In der EU wird debattiert über eine Digitalsteuer für Internetkonzerne, die hier viel Umsatz machen, ihre Gewinne aber anderswo versteuern. Wie stehen Sie zu dieser Idee?
Fakt ist, dass Konzerne wie Apple, Google oder Facebook europäische Staaten um ihre Steuereinnahmen prellen. Nur zur Erinnerung: 2014 zahlte Apple auf seine in der EU erwirtschafteten Gewinne 0,005 Prozent an Steuern. Diesem Steuerraub wird bereits zu lange tatenlos zugesehen. Deshalb weist die Einführung einer Digitalsteuer in die richtige Richtung. Klar ist aber auch, dass die Steuertrickserei sich nicht auf digitale Unternehmen beschränkt. Immerhin haben alle DAX 30 Unternehmen Tochtergesellschaften in Steueroasen. Zu bevorzugen wären daher Ansätze, die das gesamte Problem der Steuervermeidung von Konzernen an der Wurzel packen, anstatt sich nur einzelnen Ästen zu widmen.
 
Im Gespräch ist eine Steuer von 3 Prozent auf digitale Umsätze großer Konzerne. Ist das aus Ihrer Sicht eine angemessene Größenordnung?
Prinzipiell sind Umsatzsteuern eine heikle Sache. Wenn die Schwellenwerte zu klein sind, könnte diese schnell zu einer Substanzbesteuerung werden. Setzt man die Schwellenwerte zu hoch an, entgehen einem wiederum viele Unternehmen. Da sich außerdem das Verhältnis von Umsatz zu Gewinn von Unternehmen zu Unternehmen unterscheidet, trifft die Steuer unterschiedliche Unternehmen unterschiedlich hart. So sind die anvisierten 3 Prozent für Google wohl zu niedrig, für andere Unternehmen hingegen zu hoch. Die Treffsicherheit und Effektivität der Steuer sind voraussichtlich nicht gerade berauschend. Ziel muss daher sein, Gewinne von Unternehmen generell dort effektiv zu besteuern, wo sie entstehen.

Diskutiert wird auch eine neue Definition von „Betriebsstätten“, um die Digitalkonzerne mit herkömmlichen Unternehmen gleichzustellen. Inwieweit könnte das ein guter Ansatz zur gerechteren Besteuerung sein?
Dieser Schritt ist auf jeden Fall notwendig. Gewinne müssen dort besteuert werden, wo sie erwirtschaftet werden. Der derzeitige Begriff einer Betriebsstätte, der auf eine physische Präsenz abzielt, wird diesem Prinzip in Zeiten der Digitalisierung allerdings nicht mehr gerecht. Gleichzeitig ist die Einführung einer digitale Betriebsstätte aber auch kein Allheilmittel. Auch nicht-digitale Unternehmen nutzen bekanntlich Steueroasen, um ihre Steuern zu drücken. Es muss daher endlich mit dem schädlichen System von Transferpreisen gebrochen werden, das es Konzernen erlaubt, ihre Gewinne quer über Ländergrenzen hinweg zu verschieben. Zudem wird man abwarten müssen, ob die Einführung einer digitalen Betriebsstätte nicht von EU Steueroasen wie den Niederlanden, Irland oder Luxemburg blockiert werden wird.
 
Langfristig arbeitet die OECD an Steuergrundsätzen für die digitale Wirtschaft. Welche steuerlichen Regeln sollten für die digitalen Konzerne gelten?
Natürlich wäre es gut, wenn man sich auf internationaler Ebene auf progressive, ganzheitliche Lösungen einigen könnte. Ich schätze die Wahrscheinlichkeit dafür aber eher als gering ein,  da auf OECD-Ebene einfach zu viele unterschiedliche Interessen mitspielen. Wir haben ja schon massive Schwierigkeiten, uns auf EU-Ebene zu einigen. Ich hielte es daher für sinnvoll, wenn einzelne Staaten agierten und mit Ideen vorpreschten. So könnte beispielsweise ein Land wie Deutschland damit beginnen, Quellensteuern auf Finanzflüsse in Steueroasen zu erheben. Das wäre eine effektive Maßnahme und würde gleichzeitig Druck aufbauen.

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