In der EU wird debattiert über eine Digitalsteuer für Internetkonzerne, die hier viel Umsatz machen, ihre Gewinne aber anderswo versteuern. Wie stehen Sie zu dieser Idee?
Die Europäische Kommission hat dazu am 21. März 2018 einen Richtlinienvorschlag vorgelegt. Die darin vorgeschlagene Digitalsteuer, die Digital Service Tax, soll auf Umsätze erhoben werden, die auf digitale Serviceleistungen, zum Beispiel Werbespots, entfallen. Die Digital Service Tax soll nachhaltige Steuereinnahmen für die Europäische Union sichern. Die damit erzielten Steuereinnahmen sollen anhand der IP-Nummern auf die Mitgliedstaaten verteilt werden, in denen die Nutzer dieser Serviceleistungen ansässig sind. Allein das ist schon äußerst komplex. Von dem Vorschlag ist jedoch aus anderen, vorgelagerten Gründen nichts zu halten. Erstens wären nicht nur Internetkonzerne betroffen, sondern auch herkömmliche Branchen wie zum Beispiel Zeitungsverlage, deren Umsätze bestimmte Schwellenwerte überschreiten. Die Beispiele ließen sich fortsetzen, es ist schlichtweg unmöglich, digitale und nicht-digitale Unternehmen zu unterscheiden. Zweitens führt eine solche Besteuerung der Umsätze zu gravierenden Doppelbesteuerungen, da neben der Digital Service Tax die volle Steuer auf die Gewinne im Sitzstaat der Konzernspitze anfällt. Die Kommission behauptet, dass digitale Unternehmen deutlich weniger Steuern zahlen würden als traditionelle Unternehmen. Diese Behauptung entbehrt einer Grundlage, die Realität zeichnet ein anderes Bild.
Im Gespräch ist eine Steuer von 3 Prozent auf digitale Umsätze großer Konzerne. Ist das aus Ihrer Sicht eine angemessene Größenordnung?
Die tatsächliche Belastungswirkung der Digital Service Tax hängt von der Umsatzrendite der davon betroffenen Unternehmen ab. 3 Prozent auf die Bruttoumsätze sind schon ein Wort. Bei einer Umsatzrendite von 10 Prozent wäre das gleichbedeutend mit einer Gewinnsteuer von 30 Prozent! Hinzu kommt noch die volle Gewinnsteuer im Sitzstaat der Konzernspitze. Nehmen wir die USA als Sitzstaat, kommen inklusive Bundesstaatensteuer, in Kalifornien rund 9 Prozent, 26 Prozent Gewinnsteuer hinzu, kumuliert also 56 Prozent. Bei einem deutschen Medienkonzern, der ja ebenfalls der Digital Service Tax unterliegen würde, fielen deutsche Gewinnsteuern – Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer – von sogar rund 30 Prozent an, in Summe somit 60 Prozent Gesamtsteuer. Das ist nicht nur grotesk, sondern zeigt gleichzeitig, dass sich die Europäische Union und insbesondere auch Deutschland mit diesem Vorschlag einen Bärendienst erweisen würden.
Diskutiert wird auch eine neue Definition von „Betriebsstätten“, um die Digitalkonzerne mit herkömmlichen Unternehmen gleichzustellen. Inwieweit könnte das ein guter Ansatz zur gerechteren Besteuerung sein?
Das Thema digitale beziehungsweise virtuelle Betriebsstätte ist genauso überschießend wie die Digital Service Tax. Vielmehr sollte es darum gehen, den herkömmlichen Betriebsstättenbegriff an digitale Geschäftsmodelle anzupassen. Es ist beileibe nicht so, dass Internetfirmen in den Marktstaaten nicht physisch präsent sind, denken wir doch an tausende Mitarbeiter im Bereich Salesforce. Es stellt sich die Frage nach der Gewinnzuweisung für diese wertschöpfenden Aktivitäten. Mein Eindruck ist, dass die Gesetzgeber die Digitalisierung der Wirtschaft noch nicht ansatzweise verstanden haben. Und: es ist keine Panik angesagt.
Langfristig arbeitet die OECD an Steuergrundsätzen für die digitale Wirtschaft. Welche steuerlichen Regeln sollten für die digitalen Konzerne gelten?
Arbeiten an digitalen Besteuerungsgrundsätzen sind mir nicht bekannt. Das macht auch keinen Sinn. Denn der Besteuerung unterliegt der Gewinn eines Unternehmens. Und das gilt unabhängig davon, ob ein Unternehmen digital ist oder nicht. Sondersteuern sind fehl am Platze. Man kann das außerdem nicht trennscharf unterscheiden. In einigen Jahren werden wir autonomes Fahren haben. Sind die Automobilindustrie und ihre Zulieferer digital oder nicht? Ich meine, sie sind zunehmend digital. Für andere Branchen gilt dies gleichermaßen.
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