Die E-Mobilität kommt jetzt auch beim Fliegen an, ein logischer Schritt?
Das macht sehr wohl Sinn. Und hat zunächst einen ganz einfachen Grund. Die EU hat festgelegt, bis 2050 einen Großteil des CO2-Austoßes, denn Flugzeuge verursachen, zu senken. Diese europäischen Emissionsziele sehen Einsparungen von 75 Prozent bis 2050 vor - verglichen mit dem Werten des Jahres 2000. Diese Ziele lassen sich nach unserer Einschätzung nur mit hybrid-elektrischen Technologien beim Flugzeugantrieb erreichen jedoch nicht mir herkömmlichen Motoren. Der zweite Treiber für hybride Antriebe ist das Thema Lärmemission. Ein Flugzeug, dass nicht mehr zu hören ist, wenn es den Flugplatzzaun überflogen hat, wäre natürlich ein Meilenstein für lärmgeplagte Anwohner eines Airports. Zudem wären auch für die Betreiber der Flughäfen hybride Technologien attraktiv, weil so unter Umständen das Nachtflugverbot gelockert werden könnte. Zum Dritten sind die Einsparmöglichkeiten bei den Kraftstoffen im hohen zweistelligen Rahmen gegenüber herkömmlichen Motoren ein kaum zu schlagendes Argument für die neuen Antriebe. Gerade vor dem Hintergrund weiter steigender Treibstoffkosten ist das ein Pfund mit dem man hier wuchern kann.
Siemens treibt aktuell sehr intensiv die Zukunftstechnik des elektrischen Fliegens voran. Wie sind Stand und Perspektiven der aktuellen Forschung?
Siemens war 2012 das erste Unternehmen, das ein Flugzeug mit einem hybrid-elektrischen Antrieb ausgestattet hat. Das war damals ein umgebauter Motorsegler in Kooperation mit Airbus und Diamond Aircraft. Damals konnten wir beweisen, dass ein solcher Motor in einem Flugzeug funktioniert, ähnlich viel wiegt wie ein herkömmlicher Antrieb aber weniger Kraftstoff verbraucht. Seitdem hat sich natürlich einiges getan. Was vollelektrische Antriebe betrifft haben wir 2015 unseren sogenannten Weltrekordmotor vorgestellt. Der Motor ist in etwa so groß wie ein größerer Spaghettikochtopf, bei einem Gewicht von nur 50 Kilogramm bei einer Dauerleistung von 260KW. Das ist fünfmal so viel wie bisherige vergleichbare Antriebe. Der Motor ist speziell für Flugzeuge konzipiert und hat ein Weltrekord-Leistungsgewicht, dass bis heute noch nicht erreicht wurde. Auf Basis dieser Technologie entwickeln wir seit 2016 zusammen mit Airbus hybridelektrische Antriebe. Und zwar in drei verschiedenen Klassen, von klein über mittel bis ganz groß.
In welchen Bereichen machen Elektro-Flugzeuge Sinn, wo sind Flugzeuge mit klassischen oder hybriden Antriebsformen im Vorteil?
Der künftige Einsatz ergibt sich aus Flugzeuggröße und Einsatzprofil des Flugzeugs. Mit rein elektrischen Flugzeugen haben wir bereits erste Erfahrungen gewonnen, etwa mit einem von uns ausgestatteten Kunstflugzeug, der Extra 330LE, die als Testplattform für den Elektroantrieb dient. Der Flieger kann ungefähr 20 Minuten in der Luft bleiben kann. Das reicht um wichtige Tests zu machen. Demnächst werden wir mit verbesserten Akkus die Reichweite erhöhen. Rein batterieelektrische Flugzeuge sind durchaus heute schon interessant gerade bei Nischenanwendungen. Denken sie etwa an Flugschulen, wo in der Regelnur kurz geflogen wird. Für längere Distanzen sind rein elektrische Antriebe aktuell technisch noch nicht sinnvoll abbildbar. Dafür ist unsere heutige Batterietechnologie einfach noch zu schwer. Mittelfristig ist für die Langstrecke der hybrid-elektrische Motor in unseren Augen die sinnvollste Technologie.
Ab wann ist mit E-Flugzeugen auch bei den großen Airlines zu rechnen? Wie sieht die Timeline bei Siemens aus?
Im Jahr 2030 könnte es durchaus soweit sein, dass wir bis zu 100 Passagiere über 1000 km mit hybrid-elektrischen Antrieb transportieren können. Unser Timing sieht so aus, dass wir in Kooperation mit Airbus bis 2020 diese hybriden Antriebe entwickeln werden. In ganz klein wird sogar dieses Jahr schon ein erster Flieger von Airbus unterwegs sein. Dabei handelt es sich um den City Airbus,eine Art fliegendes Lufttaxi von Airbus, dass gerade in Megacities hilfreich sein kann und den Traum vom fliegenden Auto wahrmacht. Ende des Jahres 2018 soll der Jungfernflug stattfinden. Im mittleren und größeren Bereich entwickeln wir ebenfalls hybride Antriebe. Im nächsten Schritt ist dann denkbar, dass man einen passenden Flieger dazu baut. Darüber hinaus haben wir noch eine weitere Kooperation mitAirbus undRolls-Royce. Ziel ist es, bis 2020 testweise ein vierstrahliges Flugzeug, eine BAe 146, in die Luft zu bringen, bei dem zunächst eines der vier Düsentriebwerk von uns elektrifiziert wird.