Die E-Mobilität kommt jetzt auch beim Fliegen an, ein logischer Schritt?
Sicher! Strom ist im Gegensatz zu Öl ein zukunftsfähiger Energieträger und viel effizienter! Andere Industriebereiche sind schon dabei, sich umzustellen und auch in der Luftfahrt hat die Transformation trotz Komplexität und hoher Anforderungen der Branche bereits begonnen. Ganz so neu ist das Thema auch nicht, da elektrische Aggregate an Bord von Flugzeugen schon seit langem nicht mehr wegzudenken sind. Ohne Strom würde bereits heute kein Flugzeug mehr fliegen! Auch bei elektrischen Antrieben wurde der Nachweis schon im kleineren Maßstab erbracht, dass die in der Luftfahrt erforderlichen Leistungsparameter und Sicherheitsanforderungen erreicht werden können. Der Airbus E-Fan ist hier ein Beispiel von vielen. Insgesamt ist der "Spill-Over"-Effekt von anderen Industrien deutlich spürbar – wir stehen am Wendepunkt zur dritten Luftfahrt-Revolution!
Wie schätzen Sie aktuell Stand und Perspektiven für das E-Flugzeug ein? (sowohl ökonomisch als auch technisch)
Unsere vor kurzem veröffentliche Studie "Aircraft Electrical Propulsion – The Next Chapter of Aviation?" kommt hier zu einem klaren Ergebnis: Es ist nicht eine Frage des "Ob", sondern des "Wann". Und das "Wann" kommt viel schneller als es viele Experten prognostiziert haben. Dank der Automobil- und Unterhaltungselektronikindustrie haben sich Elektroantriebe und die Batterietechnologie zum Beispiel viel schneller weiterentwickelt als in unseren optimistischen Szenarien! Im vergangenen Jahrzehnt haben die E-Flugzeugdemonstratoren schon die Machbarkeit nachgewiesen. Aktuell erreichen uns fast täglich Nachrichten über neue Projekte. Die hierfür notwendigen Geschäftsmodelle, Vorschriften und Infrastrukturen werden in die kommenden Jahre weiterentwickelt werden. Wie bei jedem technologischen Wandel bringt das enorme Chancen aber auch Risiken mit sich – sowohl für etablierte Luftfahrtunternehmen wie auch für neue Marktteilnehmer.
In welchen Bereichen machen Elektro-Flugzeuge Sinn, wo sind Flugzeuge mit klassischen oder hybriden Antriebsformen im Vorteil? (Sind E-Flugzeuge überhaupt langstreckentauglich?)
Elektro-Flugzeuge haben einen Vorteil auf Kurzstrecken, wo die Umwelt- und Lärmvorschriften strenger sind. Auf längeren Strecken werden die klassischen sowie hybride Antriebsformen wegen der höheren Energiedichte von Kerosin vorerst noch im Vorteil sein. Der zu erwartende zukünftige Fortschritt bei der Energiedichte von Batterien könnte dieses Paradigma aber schon bald in Frage stellen. Wenn es so weitergeht, wie aktuell prognostiziert, werden wir im Jahr 2050 E-Flugzeuge in allen Segmenten sehen.
Ab wann ist mit E-Flugzeugen auch bei den großen Airlines zu rechnen? Welche Auswirkungen haben längere Ladezeiten ggf. für die Flugwirtschaft?
Die von uns befragten Experten sind sich weitgehend einig, dass die ersten Regionalflugzeuge mit hybrid-elektrischem Antrieb etwa 2030-35 eingesetzt werden könnten. Einige Flughäfen und Fluglinien haben sich hier in der Tat schon positioniert. So plant Avinor für 2040 vollständig elektrische Kurzstreckenflüge, und Easyjet hat sich mit Wright Electric zusammengetan, um in 10 bis 20 Jahren Kurzstreckenflüge mit Maschinen für 220 Personen zu ermöglichen. Beim Thema Ladezeiten ist vor allem die Infrastruktur gefragt. Flughäfen haben viel in Treibstoffdepots und Distributionsnetzwerke investiert um kerosinbetriebene Flugzeuge schnell betanken zu können. Für die Elektrofliegerei sind neue Lösungen bei Technologie, Geschäftsmodellen und Infrastruktur erforderlich, zum Beispiel Batterien in Form von Standard Frachtcontainern oder Turboladestationen am Flughafen. Hierzu werden sowohl die aktuellen Akteure der Luftfahrt wie auch neue Marktteilnehmer beitragen, zum Beispiel Stromanbieter, Verteilnetzbetreiber oder auch neue Anbieter von Abflug-, Lande- und Ladeplätzen in der Innenstadt, so genannten Vertiports.