Die öffentliche Hand fördert vielerorts den Einbau von Luftfiltern. Welchen Beitrag kann diese Technik dazu leisten, dass im Herbst Lockdown-Maßnahmen verhindert werden?
Technologien zur Luftfilterung können in Innenräumen einen hohen Beitrag zur Senkung des Infektionsrisikos leisten – selbst wenn sie in der Praxis meist nicht optimal eingesetzt werden. Wenn im Herbst Veranstaltungen wieder vermehrt in Innenräumen stattfinden, wird es gerade dort zu hohen Aerosollasten kommen, welche es konsequent zu minimieren gilt. Luftfilter helfen dabei, die Konzentration von Viren, Bakterien sowie Feinstaubpartikel in der Raumluft zu reduzieren und so das Gesundheitsrisiko bei Veranstaltungen für alle Beteiligten zu senken.
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Mobile Luftfilter sind flexibel und schnell einsetzbar – welche Vor- und Nachteile sehen Sie bei diesen Geräten für den Einsatz in kulturellen Einrichtungen?
Der Einsatz von mobilen Luftfiltern bzw. mobilen Luftreinigern in kulturellen Einrichtungen ist eher eine unterstützende Maßnahme. Wenn es im Veranstaltungsraum eine gut funktionierende Raumlufttechnische Anlage gibt, wird die Luft im Raum durchgehend erneuert und hält dabei das durchschnittliche Infektionsrisiko für alle Personen im Raum auf einem niedrigem Niveau. Ist eine Lüftungsanlage nicht effektiv genug oder lassen sich zum Beispiel im Gebäude Bereiche identifizieren, an denen viele Personen auf kleinerem Raum für länger als 15 Minuten zusammen kommen und an denen kaum Luftwechsel herrscht, sollten genau hier mobile Luftreiniger das lokale Lüftungskonzept vervollständigen. Sollen mobile Luftreiniger z.B. während einer Theatervorstellung zum Einsatz kommen, muss darauf geachtet werden, dass die Geräte die notwendige Leistung bei einem vertretbaren Geräuschpegel erbringen können.
Die Hotspots in kulturellen Einrichtungen wie Theatern sind eher die Foyers. Dort essen und trinken die Gäste, tragen also ggfs. nicht durchgehend einen Mund-Nasen-Schutz und unterhalten sich dabei recht laut, weil es in den Pausen viele Umgebungsgeräusche gibt. Viele Foyers besitzen aber keine Lüftungsanlage und können häufig nur über Fenstervorrichtungen oder geöffnete Türen gelüftet werden. "Einfach nur Fenster auf" reicht bei größeren Räumen in der Praxis leider oft nicht aus und ist spätestens im Winter suboptimal fürs Wohlbefinden, da es "zieht" und innen kühl wird. Aber auch hier lässt sich im Einzelfall durch gezielte Maßnahmen die Lüftungsqualität im Foyer verbessern.
Die Deutsche Theatertechnische Gesellschaft (DTHG) hat speziell für diese Problematik das sogenannte Überström-Konzept entwickelt, bei dem die Frischluft (Zuluft) durch eine Anpassung der Abluftventilation während der Pausen den Menschen aus dem Zuschauerraum in das Foyer "hinterher strömt" und im Anschluss durch ausgewählte geöffnete Fenster abgeführt wird.* Das reicht in vielen Foyers für eine gute Lüftung bereits aus.
Grundsätzlich sollten mobile Luftreiniger an kritischen Bereichen aufgestellt werden, wie z.B. in der Nähe einer Theke oder Bar, welche dann im Betrieb sogar laut sein dürfen, weil es hier sowieso schon laut ist. Weitere Bereiche, in denen sie sehr effektiv sein können, sind enge Räume mit viel Bewegung, wie Übungsbereiche und Garderoben für Künstler:innen – vor allem, wenn hier keine sonstige ausreichende Lüftung gegeben ist. Steht ein mobiler Luftreiniger in der Ecke eines großen Raumes und die Besuchenden halten sich alle mehr als zehn Meter davon entfernt auf, dann ist dessen effektiver Beitrag zur Senkung des Infektionsrisikos logischerweise ziemlich gering.
Welche weiteren (technischen) Tools können aus Ihrer Sicht helfen, weitere Lockdown-Maßnahmen zu verhindern oder zumindest abzumildern?
Das ist ein sehr breites und vielschichtiges Themenfeld. Wir können das aber mal Ansatzweise für den Bereich Lüftung formulieren:
A) CO2-Messgeräte: In allen Räumen ohne Lüftungsanlage, in denen sich überwiegend mehr als vier Personen gleichzeitig aufhalten, sollten CO2-Messgeräte aufgestellt werden, die über bei einem Wert von über 800 ppm solange ein akustisches Signal abgeben, bis die Raumnutzer:innen genügend gelüftet haben. Die CO2-Konzentration ist eine gute Ersatzmessgrösse für eine mögliche Viruslast im Raum.
B) Überprüfung der Wirksamkeit von Raumlufttechnischen Anlagen. Das ist weniger aufwendig als man vermuten mag. Die DTHG hat beispielsweise für die öffentlich zugänglichen Bereiche in Theatern, Opern- und Konzerthäusern ein Erhebungs- und Zertifizierungsverfahren entwickelt, das bereits an mehr als 100 Spielstätten in Deutschland durchgeführt wurde. Im Kern wird die Lüftungsleistung für einen Raum ermittelt und bei zu geringen Werten können oft einfache Verbesserungsmöglichkeiten identifiziert werden.**
C) Medien zur Aufklärung mit konkreten Hilfestellungen: Es besteht immer noch viel Unkenntnis, Halb- oder Falschwissen über richtiges Lüftungsverhalten. Der mit Abstand häufigste Infektionsweg ist und bleibt momentan das "Aerosol", bzw. das Einatmen einer Viruslast aus der Raumluft. Hier benötigen wir generell mehr praktisches Wissen zum Ergreifen von Selbstschutzmaßnahmen. Ein kreatives Beispiel zum Händewaschen ist hier die Kampagne "Ghen Cô Vy" des vietnamesischen Gesundheitsministeriums, welches Anfang 2020 mit einem sehr eingängigem Pop-Song über korrektes Händewaschen sowie Abstandhalten weltweit Aufsehen erregte. Die zum Song passende und "hygienisch korrekte" Tanzchoreographie wurde auf TikTok zur viralen Dance-Challenge. Allein auf YouTube wurde das Ursprungsvideo fast 100 Millionen mal angesehen.
* https://lueftung.dthg.de/2021/08/17/dthg-ratgeber-lueftung-nr1-ueberstroemung/
** https://lueftung.dthg.de