Die öffentliche Hand fördert vielerorts den Einbau von Luftfiltern. Welchen Beitrag kann diese Technik dazu leisten, dass im Herbst und Winter Lockdown-Maßnahmen verhindert werden?
Vielen Dank für Ihre Eingangsfrage, die ich gerne beantworte – und die im Übrigen sehr deutlich den Bedarf an klaren Definitionen aus dem Bereich der Raumlufttechnik zeigt. Der fachlich richtige Begriff für die von Ihnen angesprochenen Luftfilter lautet Sekundärluftreinigungsgerät - wir können uns aber gerne auf den umgangssprachlich verwendete Bezeichnung Luftreiniger einigen. Luftreiniger gibt es in mobiler oder stationärer Ausführung. Es sind Geräte, die ohne komplexe Installation weiterer Komponenten aufgestellt und betrieben werden können. In ihnen kommen verschiedene Technologien zur Anwendung. Die gängigsten sind die Filtration der Raumluft über hochwirksame Schwebstofffilter, sogenannte HEPA-Filter, oder die Entkeimung beziehungsweise Inaktivierung von Mikroorganismen wie Viren oder Bakterien über die Bestrahlung mit kurzwelligem ultraviolettem Licht - kurz UV-C-Strahlung. Es gibt auch die Kombination beider Technologien in einem Gerät.
Richtig ist, dass die öffentliche Hand aktuell diese mobilen Luftreiniger fördert. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) fördert aber ebenfalls Maßnahmen wie den Einbau von zentralen und dezentralen Raumlufttechnische Anlagen. Bei diesen sogenannten RLT-Anlagen wird Außenluft konditioniert, sprich gefiltert, erwärmt oder gekühlt und darüber hinaus optional be- und entfeuchtet. Die aufbereitete Luft gelangt anschließend mit Hilfe von Ventilatoren in den Raum. Die Abluftanlage transportiert die verbrauchte Innenraumluft wieder ab. Ein integrierter Wärmetauscher dient der Wärmerückgewinnung.
Sowohl RLT-Anlagen als auch mobile Luftreiniger können einen großen Beitrag dazu leisten, Gebäude und deren Räume im Betrieb sicherer zu machen, dauerhaft benutzbar zu halten und weitere Lockdown-Maßnahmen zu verhindern. Denn all diese raumlufttechnischen Maßnahmen sorgen für eine Reduktion von Viren. Der große und bestechende Vorteil von RLT-Anlagen und somit der deutliche Mehrwert gegenüber Luftreinigern ist der kontinuierliche Austausch von verbrauchter Raumluft gegen konditionierte Außenluft. Dies ist Luftreinigern, die ja ausschließlich im Umluftbetrieb arbeiten, nicht möglich und hat unter anderem zur Folge, dass der CO2-Pegel im Raum von Luftreinigern nicht gesenkt werden kann. In Hinblick auf eine hygienische und leistungsunterstützende Innenraumluftqualität ist das natürlich ein gravierender Nachteil.
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Mobile Luftfilter sind flexibel und schnell einsetzbar – welche Vor- und Nachteile sehen Sie beim Einsatz dieser Geräte?
Grundsätzlich sollten beim Kauf eines Luftreinigers, unabhängig von dessen Aufstellungsart, also mobil und somit ortsveränderlich oder fest installiert, die Qualität und die Leistungsfähigkeit des Gerätes im Vordergrund stehen. Diese zu beurteilen ist für den Laien jedoch gar nicht so einfach.
Hilfestellung bieten technische Richtlinien, wie die im September erschienene VDI-Expertenempfehlung VDI-EE 4300 Blatt 14. Aus diesem Blatt 14 ist eine Herstellererklärung entstanden, die Prüfkriterien, Prüfanforderungen und Leistungsdaten vergleichbar macht und in der bestätigt wird, dass die geforderten Kriterien auch wirklich eingehalten werden. Im Fokus stehen dabei wichtige Parameter wie die Reinigungsleistung gegenüber SARS-CoV-2 und ähnlichen Viren. Darüber hinaus weitere Aspekte wie die Wirksamkeit, der Luftvolumenstrom in Bezug auf die Geräuschentwicklung, Filter- und Bestrahlungssysteme, Behaglichkeit, Aufstellposition, ein sicherer Umgang und der Schutz vor Vandalismus. Gerade bei den genannten Parametern wie Volumenstrom und Akustik ist das immens wichtig, denn das beste Gerät ist nutzlos, wenn es im Betrieb viel zu laut ist und daher gar nicht erst eingeschaltet wird.
Ein Vorteil hochwertiger mobiler Luftreiniger liegt klar in deren unkomplizierter Installation: einfach aufstellen und einschalten – fertig. Richtig dimensionierte mobile Luftreiniger sorgen dafür, dass gereinigte Luft in ausreichender Menge, idealerweise über Kopfhöhe, aus dem Gerät strömt. Aerosole werden durch den Luftstrom verdünnt und über den Boden in die Geräte mit ihren Filtern geführt. So entsteht eine optimierte Luftbewegung.
Da ein Luftreiniger im Vergleich zu einer RLT-Anlage keine Frischluft in den Raum bringt, muss der CO2-Gehalt der Luft, gegebenenfalls auch der von weiteren Schadgasen, auf anderem Wege reguliert werden. Das heißt, dass eine kontinuierliche oder zumindest regelmäßige Fensterlüftung trotz alledem erforderlich ist.
Eine maschinelle Lüftungsanlage ist daher die bessere Lösung, denn sie bedeutet eine nachhaltige Investition – und das nicht nur in Bezug auf das Infektionsrisiko, sondern vor allem auch in gute Raumluftqualität. Richtig dimensioniert ermöglicht eine RLT-Anlage auch bei Maximalbelegung eine konstant virenfreie und frische Raumluft. Sie schafft ein echtes Wohlfühlklima und amortisiert sich durch die Wärmerückgewinnung innerhalb weniger Jahre. Die Installation erfordert allerdings bauliche Eingriffe.
Welche Probleme könnte die Wartung solcher Luftfilter mit sich bringen?
Luftreiniger können in aller Regel unter Beachtung der Herstellervorgaben ohne fremdes Fachpersonal aufgestellt, betrieben und auch gewartet werden. Geräte mit HEPA-Filtern und UV-C-Bestrahlungseinrichtungen verfügen über eine interne Sensorik, die das Gerät überwacht, den Betriebszustand anzeigt und anstehende Instandhaltungsmaßnahmen ankündigt. Bei Filtergeräten ist davon auszugehen, dass circa alle zwei Jahre, wenn der Druckverlust zu hoch wird, der HEPA-Filter getauscht werden muss. Der Austausch und die Entsorgung durch geschultes Personal sind problemlos möglich.
Mobile Luftreiniger mit UV-C erfordern einen regelmäßigen Lampentausch. Bei diesem Vorgang, der ebenfalls circa alle zwei Jahre notwendig sein kann, verhindert ein Sicherheitskonzept, dass die Leuchten im Betrieb zugänglich sind und demontiert werden können.
Welche weiteren (technischen) Tools können aus Ihrer Sicht helfen, weitere Lockdown-Maßnahmen zu verhindern oder zumindest abzumildern?
Informationsschriften zur richtigen Belüftung, wie beispielsweise die Veröffentlichung des VDMA Fachverbands Allgemeine Lufttechnik „Raumlufttechnische Anlagen in Zeiten von COVID-19 - Anforderungen an Lüftung und Luftreinigung zur Reduktion des Infektionsrisikos über den Luftweg – AHA + Lüftung“, bieten hierzu eine gute und wichtige Hilfestellung.
Die Informationsschrift beschreibt ein Verfahren, das auf Basis europäischer Normen die Anforderungen an eine infektionsschutzgerechte Lüftung, also das „+L“ bei den allgemein bekannten AHA-Regeln, definiert und dadurch Räume hinsichtlich des Infektionsrisikos individuell bewertbar macht. Bei einem Seminarraum beispielsweise ist der Aktivitätsgrad mäßig, da die Personen im Raum normal atmen und nur vereinzelt sprechen. Das ist in Restaurants und Fitnessstudios ganz anders. In diesen Räumlichkeiten spricht die Mehrzahl der anwesenden Personen und ist auch körperlich aktiver, so dass die Atmung mit erhöhter Frequenz erfolgt. Das wiederum führt zu einem höheren Aerosoleausstoß. Diese Bedingungen wurden in der Publikation berücksichtigt und fließen in die entsprechenden Berechnungs- und Bewertungsverfahren ein.
Ein Beispiel: Ein Restaurant hat Raum für 50 Personen und verfügt über eine Grundfläche von 100 m². Es erfüllt nicht die Vorgaben für ein infektionsschutzgerechtes +L. Dies kann jedoch durch eine der folgenden Maßnahmen erreicht werden: Lüftungsanlage mit 3.000 m³/h Außenluft, Reduzieren der Belegung von 50 auf 32 Personen und ein zusätzlicher Luftreiniger mit H13-Filter und 808 m³/h. Bei gleichzeitiger Einhaltung der anderen AHA-Regeln kann der Raum dann als ausreichend sicher betrachtet werden.
Unter diesen Voraussetzungen ist ein Betrieb des Restaurants auch unter Corona-Bedingungen sicher möglich, da das +L erfüllt ist und somit ein Infektionsrisiko – unter Einhaltung aller anderen Regeln und Vorgaben – praktisch nicht mehr existiert.
Langfristig bedeutet das, dass durch die Berechnungen, in Verbindung mit effektiven Infektionsschutzmaßnahmen zur Reduzierung der Virenlast in der Raumluft, pauschale Schließungen von Nutzräumen und Gebäuden zukünftig vermieden werden können.
Die oben genannte VDMA-Schrift basiert auf dem Status-Report 52 des Fachverbandes Gebäude-Klima e.V. (FGK). Sowohl FGK als auch der Fachverband Allgemeine Lufttechnik des VDMA bringen die Expertise ihrer Mitglieder ein, um sich an Politik und Öffentlichkeit zu wenden.
Auf der FGK-Kampagnenwebsite „LebensmittelLuft“, bieten die Verbände Entscheidungsgrundlagen für flexible beziehungsweise differenzierte Strategien, um zukünftigen Lockdown-Maßnahmen entgegenwirken zu können. Natürlich immer unter der Voraussetzung, dass ergriffene Maßnahmen und eingesetzte Techniken nachweislich geeignet sind, das Infektionsrisiko gering zu halten.