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Radio bringt neue Hits in den Mainstream

Warum SWR3 popkulturell relevant sein will

Gregor Friedel, Musikchef von SWR3 Quelle: SWR/ Stephanie Schweigert Gregor Friedel Musikchef SWR3 14.08.2018
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Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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"Das Medium Radio nimmt Menschen an die Hand, die gerne neue Musik entdecken wollen, sich aber nicht in den Tiefen von Streamingdiensten verlieren wollen", sagt SWR3-Musikchef Gregor Friedel mit Blick auf eine Untersuchung des Streaminganbieters Deezer zur Offenheit der Nutzer gegenüber neuer Musik. Dafür setzt SWR3 auf eine ausgewogene Mischung aus bekannten „Ankertiteln“ und neuer Musik.







Nach einer Deezer-Studie hören Deutsche im Schnitt mit 31 Jahren auf, neue Musik zu entdecken – wie bewerten Sie das?
Am liebsten hören Menschen die Musik, die sie in ihrer Teenagerzeit gehört haben. Dazu kommen andere Studien, die sagen, dass in Deutschland das Interesse an Musik bei Menschen ab 23 Jahren bereits um 80% abnimmt. Die Hintergründe sind wahrscheinlich die geänderten Lebensumstände: Mit Anfang 20 ist man im „Festival-Alter“, die Musik spielte und spielt eine zentrale Rolle in der Sozialisation und dem Erwachsenwerden. Mit Ende der Ausbildung/des Studiums, Auszug aus dem Elternhaus, Kinder usw. rücken andere Dinge in den Vordergrund, die Lebenssituation ändert sich grundlegend. Insofern überrascht das Ergebnis der Studie von Deezer bestenfalls darin, dass der Altersdurchschnitt – auch im Verhältnis zu anderen Ländern – doch eher hoch liegt.

Als Begründung geben die Probanden unter anderem die schiere Masse an verfügbarer Musik an – warum kann ausgerechnet Vielfalt zum Ende der Neugier führen?
Es ist naheliegend, dass ein Überangebot von Dingen zu einer schnellen Sättigung führt – das ist nicht nur im Bereich der Musik so. Seitdem die Streamingdienste einen immer größeren Markt erschließen, hat Musik an dem verloren, was sie immer ausgemacht hat, nämlich Emotionalität und ist immer mehr zu einer stets verfügbaren Ware geworden. Hierin liegt übrigens die große Stärke des Radios: wir sind für die Hörerinnen und Hörer ein Wegweiser im Musikdschungel, wir erzählen den Hörern, wer den Song singt, woher er kommt, was dahinter steckt. Kurzum: das Medium Radio nimmt Menschen an die Hand, die gerne neue Musik entdecken wollen, sich aber nicht in den Tiefen von Streamingdiensten verlieren wollen. Radio bringt die Musik und neue Hits in den Mainstream – das ist für Hörer und das Medium Radio von unschätzbarem Wert. Wir bringen die Musik dorthin, wo sie hingehört: zu den Menschen.

Was bedeutet die mangelnde Neugier der deutschen ab Anfang 30 für ein Radioprogramm?
Die Studie sagt ja nicht, dass  die Menschen ab 31 Jahren nicht mehr neugierig auf neue Musik sind und nichts mehr entdecken WOLLEN, sondern dass sie in bestimmten Genres verharren – das aus dem bereits oben genannten Grund: das proaktive Bemühen darum, neue Musik zu entdecken, nimmt im Alltag und dem riesigen, fordernden Angebot der Streamingdienste zu viel Zeit ein. SWR3 plant eine ausgewogene Mischung aus bekannten „Ankertiteln“ und neuer Musik. Unsere Hörer haben die Chance, Neues zu entdecken und befinden sich dennoch auf bewährtem Terrain. Wie gut es Radio gelingt, Newcomer im Mainstream zu verankern, sieht man beispielsweise beim Künstler Rag’n’Bone Man. SWR3 war als Radiostation, die ihn mit Erscheinen seiner Single „Human“ in die Rotation genommen hat, maßgeblich am Erfolg des Künstlers beteiligt. Nach nur einem Jahr, nachdem wir die Single zum ersten Mal im Programm hatten, spielte er 2017 beim SWR3 New Pop Festival in Baden-Baden. Das Durchschnittsalter der SWR3 Hörer liegt bei etwas mehr als 44 Jahren. Daraus lesen wir, dass wir hier als Radiostation in einem Bereich reüssieren können, den die Streamingdienste schlicht nicht bedienen können.

58 % der Befragten geben an, sich zu wünschen, mehr Musik zu entdecken – welche Schlüsse ziehen Sie daraus?
Das ist einfach: wir machen einfach so weiter, wie wir das bislang gemacht haben. SWR3 verfolgt nicht den Grundsatz anderer Radiostationen, die keine Hits machen, sondern nur Hits spielen. SWR3 hat immer den Anspruch, Künstler früh zu unterstützen und unseren Hörerinnen und Hörern immer wieder neue Künstler vorzustellen. Was uns als Musikredaktion besonders wichtig ist: unser Ziel ist es stets, popkulturell relevant zu sein. Wir fördern nationale wie internationale Künstlerinnen und Künstler. Das beste Beispiel hierfür ist das SWR3 New Pop Festival, das seit 1994 für höchste Qualität im Booking steht. Wir sind die Fachleute, die unseren Hörern die Chance geben, neue Musik zu entdecken. Aus dem Hörerfeedback und nicht zuletzt dem Ergebnis der ma 2018 Audio II, bei dem SWR3 knapp vier Millionen Hörer täglich attestiert wurden, haben wir gute Anhaltspunkte, dass unsere Hörer unser Bestreben, dass sie bei uns auch neue Musik entdecken können, wahrnehmen und goutieren.

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