Verschiedene Politiker fordern, im Unterricht verstärkt auf Smartphones zu setzen. Wie stehen Sie dazu?
Smartphones oder Tablets werden mit Sicherheit in Zukunft eine größere Rolle im Unterricht spielen. Diese Entwicklung ist schon allein deshalb unaufhaltsam, weil die Gesellschaft digitale Medien in immer größerem Maße nutzt und nachfolgende Generationen als ‚digital natives‘ aufwachsen. Und schließlich soll Schule ja keine Parallelwelt von gestern sein. Ich lege Wert darauf, diese Entwicklung weder zu verteufeln noch zu glorifizieren. Es geht um sinnvolle Steuerung und einen besonnenen Umgang mit der Technik. Denn Technik erweitert die Möglichkeiten, aber bleibt – wie das Buch oder die Tafel – ein Instrument, das die Lehrkraft nicht ersetzen kann. Für Schule stellt sich deshalb nicht die Frage ob, sondern wie wir diese Geräte am besten einsetzen, um den Unterricht moderner, vielfältiger und dabei weiterhin pädagogisch sinnvoll zu gestalten.
Ein Problem aus Sicht der Kritiker – nicht alle Kinder haben Smartphones. Wie kann frühzeitige digitale Spaltung der Gesellschaft verhindert werden?
Die gesellschaftliche Frage sozialer Ungleichheit bleibt eine Daueraufgabe für alle Politikfelder. In der Schule ist Bildungsgerechtigkeit ein ganz wichtiger Aspekt, der immer mitgedacht werden muss. Es darf nicht sein, dass ein Kind einen Lernvorteil hat, nur, weil es im Gegenteil zu anderen ein besseres Smartphone besitzt. In solchen Fällen würde der digitale Medieneinsatz schaden. An allererster Stelle muss daher immer ein gut durchdachtes pädagogisches Medienkonzept stehen, das auch derartige Diskriminierungen ausschließt. Einige Schulen lösen das zum Beispiel über schuleigene Tabletsätze. Hier sind natürlich die Schulträger gefragt, da sie für die Ausstattung der Schulen zuständig sind. Planen sie eine Schule mit digitalen Medien auszurüsten, müssen sie in jedem Fall bedenken, dass etwaige Kosten für alle Eltern angemessen sein müssen.
Welche Maßnahmen zur Digitalisierung treiben Sie in Ihrem Bundesland vorrangig voran?
Zusätzlich zu vielen bereits lange laufenden Maßnahmen haben wir im vergangenen Jahr noch einmal deutlich das Tempo erhöht: Wir haben als erstes Bundesland ein ‚Leitbild für das Lernen im digitalen Wandel‘ erarbeitet und gemeinsam mit der NRW-Bank das zwei Milliarden schwere Investitionsprogramm ‚Gute Schule 2020‘ aufgelegt, durch das die Kommunen Fördermittel für den Ausbau der digitalen Infrastruktur ihrer Schulen erhalten – obwohl Schulbaufinanzierung eigentlich Schulträgeraufgabe ist. Und kurz vor Jahresende haben wir hierzu noch eine ganz wichtige Vereinbarung mit den Kommunalen Spitzenverbänden getroffen: Wir wollen gemeinsam, dass bis 2020 alle Schulen ein Medienkonzept erstellt haben und an ein leistungsfähiges Breitband angebunden werden. Parallel wollen wir das Lernen mit digitalen Medien schrittweise verbindlich in alle Lehrpläne aufnehmen (zu finden im Bildungsportal des Schulministeriums). Außerdem sollen alle Schulträger in den nächsten drei Jahren ihren Schulen ein Angebot zum Einsatz von LOGINEO NRW machen, einem digitalen Organisations- und Lernraum für Schulen, dessen Bereitstellung wir noch für dieses Schuljahr planen.
Der Bund will für einen sogenannten Digital-Pakt in den kommenden Jahren fünf Milliarden Euro für die Schulen zur Verfügung stellen. Wie bewerten Sie das? Insbesondere: Reicht das aus?
Fünf Milliarden Euro klingt und ist auch erstmal viel. Doch dieses Geld verteilt sich auf 16 Bundesländer mit großem Investitionsbedarf, also auf insgesamt etwa 33.500 allgemeinbildende und berufliche Schulen, darunter allein die rund 6.000 in NRW. Das vor Augen geführt, relativiert sich die Zahl schon deutlich. Aber: Der Bund hat seine Verantwortung erkannt, die Kommunen und Schulträger bei diesem Thema zu unterstützen. Das ist ein guter Anfang und hoffentlich kein ‚One-Hit-Wonder‘. Schule ist Ländersache, aber bei den wachsenden sozialpolitischen Herausforderungen in unserer Gesellschaft muss der Bund trotzdem investieren – in Integration, Inklusion, Ganztag, Sanierung und eben auch Digitalisierung. Ein Quantensprung wäre es, wenn das Kooperationsverbot endlich fiele, weil sich dann der Bund ohne Hürden finanziell nachhaltig für Schulen engagieren könnte.
Abgesehen von der technischen Ausstattung – wie werden die Lehrer fit für die digitale Zukunft?
Das muss auf mehreren Ebenen passieren. Für uns in Nordrhein-Westfalen sind Ausbildung, Fortbildung und Beratung das A und O. Wir haben entsprechende Fortbildungsprogramme, eine zentrale Medienberatung und vor Ort in den 53 Kompetenzteams der Kreise und kreisfreien Städte 60 Medienberaterstellen für die Unterstützung der Schulen. Diese Stellen haben wir gerade verdoppelt. Außerdem haben wir in der jüngsten Überarbeitung des Lehrerausbildungsgesetzes das Lernen in der digitalen Welt verbindlicher verankert: Fragen der Medienkompetenz haben einen festen Platz im Vorbereitungsdienst der Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter erhalten. Vorrangiges Ziel muss es immer sein, Interesse bei Lehrkräften zu wecken, zum Beispiel für die Chancen der digitalen Medien für das individualisierte Lernen. Ich bin überzeugt: Mit jeder weiteren Lehrergeneration werden Akzeptanz und Affinität zu digitalen Medien im Unterricht ein großes Stück wachsen.“