Politik und Gesellschaft debattieren intensiv über Fake News. Was unterscheidet Fake News von klassischen Zeitungs-Enten oder schlichten Lügen?
„Fake news“ sind schädliche und manipulative Informationen, die absichtlich verbreitet werden. Sie wurden so manipuliert, dass sie glaubwürdigem Journalismus ähneln, um mit ihrer Aussage so viel Aufmerksamkeit wie möglich - und dadurch auch Geld - zu generieren. Ihr Ziel ist es, Verwirrung zu stiften, politische Gegner zu diffamieren oder Wahlkämpfe durch Meinungsmache zu beeinflussen. Lügen gezielt in die Welt zu setzen, um zu täuschen, ist nichts Neues. Aufgrund unserer heutigen Mediennutzung erzeugen diese Lügen jedoch sehr viel mehr Resonanz.
Zentral ist hierbei zum einen ihr Einsatz in den Sozialen Medien. Selbstverstärkende virale Effekte können genutzt werden, um in kürzester Zeit sehr hohe Reichweiten und Emotionen zu erzeugen. Diese Effekte werden durch den Einsatz von Algorithmen und sogenannten „Social Bots“ noch verstärkt. Für den Nutzer bleibt meist unklar, ob die Beiträge von echten Menschen, Bots oder bezahlten Schreibern stammen. Zum anderen gibt es aber auch eine Öffentlichkeit, die ohne Plausibilitätscheck diesen Nachrichten vertraut.
Bei der Bundesregierung ist ein „Abwehrzentrum gegen Desinformation“ im Gespräch. Welche Regulierungen halten Sie für nötig?
Keine. Wir brauchen kein Wahrheitsministerium wie in Orwells Dystopie „1984“. Wie so oft, wenn eine Situation unkontrollierbar erscheint, greift die Politik zu ihrem Lieblingsheilmittel: Kontrolle und Einschränkungen. Mit welcher Kompetenz soll das Bundespresseamt, dem dieses Abwehrzentrum unterstehen soll, zensieren, was wahr und falsch ist? Ein solches Abwehrzentrum greift viel zu spät in den Prozess ein, da die falsche Meldung bereits in die Welt gesetzt wurde. Entscheidend ist etwas ganz anderes. Technisch gilt, dass Social Bots entdeckt werden. Dafür benötigen wir vor allem mehr Personal und Kompetenz. Letztendlich bedeutet das auch zu wertschätzen, dass freie Gedanken zu unseren höchsten Gütern zählen. Das bedeutet aber auch, dass wir in der Verantwortung leben, uns unabhängig zu informieren, aufzuklären und vermeintliche Wahrheiten zu hinterfragen. Der Staat hat nicht die Aufgabe einer Gedankenpolizei. Medien und Öffentlichkeit müssen zuerst selbst dagegen vorgehen.
Das Soziale Netzwerk Facebook hat angekündigt, das Melden von Fake News zu vereinfachen, mit externen Faktencheck-Spezialisten zusammenzuarbeiten und die Einnahmequellen der Autoren gefälschter Nachrichten auszutrocknen. Was erwarten/fordern Sie von den Betreibern sozialer Netzwerke?
Immerhin ein Ansatz: Es sollen zukünftig die Algorithmen, die entscheiden, welche Artikel im Newsfeed der Nutzer erscheinen, angepasst werden. Wenn ein Beitrag nach dem Lesen nicht geteilt wird, könnte dies beispielsweise als eine Art Warnung in die Gewichtung einfließen. Zudem sollen Nutzer und Fakten-Check-Organisationen als Falschmeldung identifizierte Beiträge mit einer Art Warnstempel versehen. Diese Schritte zeigen, das Facebook endlich reagiert. Es wird auch Zeit. Facebook ist mehr als Plattform, es muss sich seiner redaktionellen Verantwortung stellen.
Das entlässt die Nutzer aber nicht aus ihrer Verantwortung. Wer ernsthaft dem Facebook-Algorithmus als Basis seiner Informationen vertraut, ist selbst schuld, wenn er Manipulationen zum Opfer wird.
Politiker der SPD fordern einen „Schulterschluss der Demokraten gegen Mittel wie manipulative ‚Social Bots‘ und den gemeinsamen Kampf gegen ‚Fake-News‘. Was kann und muss die Gesellschaft aus Ihrer Sicht tun?
Ein Schulterschluss in Form eines Fairnessabkommen der Parteien zum Wahlkampf ist sicherlich ein guter Ansatz. Schließlich lebt Demokratie vom Austausch von Argumenten und dem fairen Diskurs. In den kommenden Wahlkämpfen müssen sich alle Parteien verpflichten, mit Tatsachen zu argumentieren und gezielte Manipulationen zulasten der politischen Gegner zu unterlassen.
Von einem Kampf gegen „Fake-News“ zu sprechen, halte ich jedoch für falsch, da so diesen Manipulationsversuchen zu viel Macht zugesprochen wird. Wir sollten mit Aufklärung und Gelassenheit reagieren. Ein gutes Beispiel ist Hillary Clinton, die selbst Opfer von „Fake News“ geworden ist. Zur Amtseinführung des neuen US-Präsidenten drückt sie trotzdem bei Twitter ihr unerschütterliches Vertrauen in demokratische Werte aus.
In einer Demokratie zu leben, die Meinungs- und Pressefreiheit garantiert, bedeutet, das Angebot an Informationen, was durch diese Freiheiten entsteht, selbstkritisch zu hinterfragen. Das Medienangebot kann niemals völlig objektiv sein. Jede Information ist in einen Kontext eingebettet und dieser bestimmt die subjektive Entscheidung über den Nachrichtenwert. Deswegen brauchen wir Qualitätsjournalismus, der nicht nur von zahlenden Nutzern unterstützt gehört. Es macht eben einen großen Unterschied, ob man sich an Fakten hält – oder von alternativen Fakten redet, die nichts anderes sind als Lügen.