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Medienanstalten wollen Klarheit beim Zero-Rating

Warum die Landesmedienanstalten bilaterale Vereinbarungen zwischen Netzbetreibern und einzelnen Inhalteanbietern verbieten wollen

DLM-Vorsitzender Siegfried Schneider Quelle: Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) Siegfried Schneider Präsident Landeszentrale für neue Medien (BLM) 27.04.2016
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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Musikhören ohne das Datenvolumen auf dem Smartphone zu belasten. Was für viele Endverbraucher ein wunderbarer Service ist, wird von den Medienanstalten kritisch gesehen. Denn die Zero-Rating-Optionen werden in der Regel exklusiv nur für ausgewählte Streaming-Dienste angeboten. Doch das passt nicht mit dem Grundsatz der Netzneutralität zusammen. Der Vorsitzende der Direktorkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM), Siegfried Schneider, fordert jetzt, bilaterale Vereinbarungen zwischen Netzbetreibern und einzelnen Inhalteanbietern zu untersagen.







In sogenannten Zero-Rating-Angeboten können Nutzer einzelne (Audio-) Dienste in Anspruch nehmen, ohne ihr Datenvolumen zu belasten. Wie geht das mit dem Grundsatz der Netzneutralität zusammen? Sehen Sie hier Regulierungsbedarf?
Seit über fünf Jahren wird unter dem Begriff der „Netzneutralität“ diskutiert welche Formen von technischer und wirtschaftlicher Differenzierung der Datenübertragung, die über das notwendige Maß an Netzwerkmanagement hinausgeht, unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten erlaubt werden soll. Mit dem Erlass der europäischen Telekom Single Market-Verordnung vom November 2015 ist ein erster rechtlich verbindlicher Rahmen entstanden, der durch Leitlinien weiter spezifiziert werden muss. Die Zero-Rating-Modelle für Audio-Dienste im Mobilfunk, die eine wirtschaftliche Differenzierung ohne technische Priorisierung darstellen, sind bisher lediglich ein Randaspekt in der Diskussion.
Nach der europäischen Verordnung zur Netzneutralität darf es keine Bevorzugung einzelner Datenpakete nach kommerziellen Erwägungen geben. Eine rein wirtschaftliche Bevorzugung einzelner Dienste auf Basis von Vermarktungskonzepten wie Zero-Rating ist hiervon allerdings nicht erfasst. Eine Ausnahmeregelung hat die EU für sog. „Spezialdienste“ zugelassen. Ob auch Live-Streaming und VoD-Inhalte als Spezialdienste eingestuft werden, ist bisher unklar. Sofern jedoch bestimmte Dienste nicht als „Spezialdienste“ eingestuft werden, dürfen sie keinerlei technische Priorisierung innerhalb derselben Verkehrsklasse erfahren. Damit fallen auch Dienste, die mit Zero-Rating-Flatrates vermarktet werden, unter dieses Gleichbehandlungsgebot.
An den angesprochenen „Leitlinien für die Umsetzung der Verpflichtungen der nationalen Regulierungsbehörden“ wird gerade gearbeitet. Sie sollen bis zum 30. August vorliegen. Dabei geht es u. a. auch darum, inwieweit Zero-Rating-Praktiken mit der Verordnung vereinbar sind. Die Landesmedienanstalten fordern in ihrer Stellungnahme zur Umsetzung der EU-Verordnung, bilaterale Vereinbarungen zwischen Netzbetreibern und einzelnen Inhalteanbietern, z. B. auf Basis von Zero-Rating, zu untersagen.

Wie lässt sich Meinungskonzentration verhindern, wenn einzelne zahlungskräftige Anbieter privilegierten Zugang zum Nutzer haben?
Ich sehe das derzeit nicht primär als eine Frage der Meinungskonzentration, auch weil es zumindest in der aktuellen Zero-Rating Diskussion vorrangig um Musikstreaming geht. Aber es bleibt natürlich bei der Forderung der Landesmedienanstalten, dass Zero-Rating, soweit es telekommunikationsrechtlich zulässig ist, nicht in den publizistischen Wettbewerb eingreifen darf und ein chancengleicher Zugang für alle Anbieter sichergestellt wird, damit Meinungskonzentration gar nicht erst entsteht.

In den USA gibt es Modelle, bei denen Zero-Rating-Programme für alle Medienanbieter offen sind. Wie lässt sich dieser Zustand in Deutschland herstellen?
Technisch wäre eine Öffnung der Datenvolumenverträge für mehr oder alle Streaming-Angebote umsetzbar, wie das Beispiel T-Mobile in den USA zeigt, wo die Kunden von T-Mobile US mittlerweile praktisch unbegrenzt mobil streamen können. In Deutschland besteht jedoch aufgrund der konsolidierten Marktsituation derzeit für keinen der drei großen Mobilfunknetzbetreiber die Notwendigkeit, mit anbieterübergreifenden Streaming-Flatrates ohne Kostenbeteiligung der Inhalteanbieter auf den Markt vorzustoßen und das aktuelle Preis-Leistungsgefüge aufzubrechen. Echte mobile Flatrates ohne Datenvolumenbegrenzung sind deshalb in Deutschland kurzfristig wohl nicht zu erwarten und können auch nicht erzwungen werden.

Bislang wird die Diskussion über Audioangebote geführt. Wie sollte der Markt aussehen, wenn bandbreitenintensivere Video-Dienste über Zero-Rating-Angebote nutzbar werden?
Die Forderungen der Landesmedienanstalten bzgl. Zero-Rating für Audio-Angebote haben selbstverständlich auch für Video-Dienste Gültigkeit. D. h., alle Modelle, die es Mobilfunkkunden erlauben, zu vergünstigten Konditionen auf Streaming-Inhalte zuzugreifen, müssen grundsätzlich allen Anbietern offen stehen.

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