Menue-Button
← FACHDEBATTE Interview

Königsweg wäre die Einführung einer Gesamtkonzernbesteuerung

Über Briefkastenfirmen, Steuersümpfe und Steueroasen

Martin Schirdewan, Mitglied des Europaparlaments (Die Linke) Quelle: Serkis Martin Schirdewan MdEP Die Linke 05.04.2019
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
ZUR FACHDEBATTE

"Die Steuerenthüllungen der letzten Jahre haben ja gezeigt, dass gerade Internetkonzerne sehr aggressiv ihren Steuerbeitrag drücken", sagt Martin Schirdewan, MdEP und Spitzenkandidat der Linken bei den Europawahlen. Deswegen bedauert er das Scheitern einer europaweiten Digitalsteuer. Dabei wäre diese aus seiner Sicht auch nur ein erster Schritt in die richtige Richtung gewesen.







Die EU-Digitalsteuer ist gescheitert. Wie bewerten Sie das?
Das Scheitern der EU-Digitalsteuer, nicht zu Letzt am Widerstand von Finanzminister Olaf Scholz, ist bedauernswert. Die Steuerenthüllungen der letzten Jahre haben ja gezeigt, dass gerade Internetkonzerne sehr aggressiv ihren Steuerbeitrag drücken. Da hätte man mit der Digitalsteuer zumindest ein wenig gegensteuern und somit einen Beitrag zu mehr Steuergerechtigkeit liefern können. Klar wäre eine umfassendere Lösung, die auf das Steuerdumping aller Unternehmen abgestellt hätte, besser gewesen. Immerhin unterhalten alle DAX30 Konzerne Briefkastenfirmen in Steuersümpfen. Aber das ist kein Grund, erste Schritte in die richtige Richtung zu torpedieren.

Einzelne Länder, wie etwa Frankreich und Österreich, wollen nun nationale Digitalsteuern einführen. Was helfen nationale Alleingänge in Zeiten einer globalen Digitalwirtschaft?
Wenn man von seiner Gemeinschaft im Stich gelassen wird, muss man manchmal mit seinen Ideen vorpreschen. Dadurch lässt sich positiver Druck auf andere Staaten ausüben, gerade wenn eine solche Initiative von einem ökonomischen Schwergewicht wie Frankreich ausgeht. Als zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone ist der französische Markt für Unternehmen viel zu wertvoll, als dass diese darauf verzichten könnten.

Auch Deutschland sollte im Kampf gegen die Steuertrickserei multinationaler Konzerne nicht vor unilateralen Abwehrmaßnahmen zurückschrecken. Quellensteuern auf Finanzflüsse in Steueroasen wären beispielsweise ein probates Mittel, mit dem dem Steuerraub effektiv entgegengewirkt werden könnte.

Eine große Lösung soll nun im Rahmen der OECD angegangen werden. Sehen Sie in absehbarer Zeit Chancen für eine Einigung auf dieser Ebene?
Bei Vorhaben auf OECD Ebene lasse ich immer das Prinzip Vorsicht walten. Dass eine Einigung erzielt werden kann, nachdem die OECD Mitte 2020 ihren Bericht zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft vorgelegt hat, kann schon gut möglich sein. Ich bin aber doch eher skeptisch, ob diese dann auch zufriedenstellend sein wird. 

Wie könnte sich auf anderem Wege mehr Steuergerechtigkeit für die Digitalriesen herstellen lassen? 
Wie oben bereits kurz erwähnt, sollte der Fokus darauf liegen, wie wir zu einem System übergehen, dass Konzerne allgemein gerecht besteuert, unabhängig davon, wie ihr Geschäftsmodell aussieht. Der Königsweg dahin wäre die Einführung einer Gesamtkonzernbesteuerung. Die Niederlassungen von Konzernen in verschiedenen Ländern würden dann nicht mehr als voneinander unabhängige Teile betrachtet werden, sondern als das, was sie sind: ein großes Ganzes. Unter einem solchen System wäre es egal, wenn Konzerne ihre Gewinne quer über Ländergrenzen hinweg verschieben würden, denn die Besteuerung würde tatsächlich am Ort der wirtschaftlichen Aktivität anknüpfen.  Da aber die Umstellung auf ein solches System nicht unmittelbar in Sicht ist, sollten große Volkswirtschaften wie Deutschland in der Zwischenzeit dazu übergehen, Quellensteuern auf Finanzflüsse in Steueroasen zu erheben.

UNSER NEWSLETTER

Newsletter bestellen JETZT BESTELLEN

■■■ WEITERE BEITRÄGE DIESER FACHDEBATTE

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Dr. Wolf Klinz
Europaabgeordneter
FDP

Dr. Wolf Klinz, Abgeordneter im Europäischen Parlament (FDP)
EU | Digitalsteuer

Nationale Digitalsteuern bringen keine ■ ■ ■

Welche Lösung international helfen könnte

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Dr. Wolf Klinz
Europaabgeordneter
FDP

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Prof. Dr. Bernd Lucke
MdEP
LKR

Prof. Dr. Bernd Lucke - MdEP (LKR)
EU | Digitalsteuer

Steuern sind nur ein nachgelagertes Problem

Wo die Digitalsteuer ihrer Probleme hat

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Prof. Dr. Bernd Lucke
MdEP
LKR

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Achim Berg
Präsident
Bitkom

Achim Berg, Präsident Bitkom - Bundesverband Informationswirtschaft,Telekommunikation und neue Medien e.V.
EU | Digitalsteuer

EU-Pläne zur Digitalsteuer waren ein Irrweg

Warum man nichts gleichzeitig fördern und ■ ■ ■

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Achim Berg
Präsident
Bitkom

ZUR FACHDEBATTE

ÜBER UNSERE FACHDEBATTEN

Meinungsbarometer.info ist die Plattform für Fachdebatten in der digitalen Welt. Unsere Fachdebatten vernetzen Meinungen, Wissen & Köpfe und richten sich an Entscheider auf allen Fach- und Führungsebenen. Unsere Fachdebatten vereinen die hellsten Köpfe, die sich in herausragender Weise mit den drängendsten Fragen unserer Zeit auseinandersetzen.

überparteilich, branchenübergreifend, interdisziplinär

Unsere Fachdebatten fördern Wissensaustausch, Meinungsbildung sowie Entscheidungsfindung in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Medien und Gesellschaft. Sie stehen für neue Erkenntnisse aus unterschiedlichen Perspektiven. Mit unseren Fachdebatten wollen wir den respektvollen Austausch von Argumenten auf Augenhöhe ermöglichen - faktenbasiert, in gegenseitiger Wertschätzung und ohne Ausklammerung kontroverser Meinungen.

kompetent, konstruktiv, reichweitenstark

Bei uns debattieren Spitzenpolitiker aus ganz Europa, Führungskräfte der Wirtschaft, namhafte Wissenschaftler, Top-Entscheider der Medienbranche, Vordenker aus allen gesellschaftlichen Bereichen sowie internationale und nationale Fachjournalisten. Wir haben bereits mehr als 600 Fachdebatten mit über 20 Millionen Teilnahmen online abgewickelt.

nachhaltig und budgetschonend

Mit unseren Fachdebatten setzen wir auf Nachhaltigkeit. Unsere Fachdebatten schonen nicht nur Umwelt und Klima, sondern auch das eigene Budget. Sie helfen, aufwendige Veranstaltungen und überflüssige Geschäftsreisen zu reduzieren – und trotzdem die angestrebten Kommunikationsziele zu erreichen.

mehr als nur ein Tweet

Unsere Fachdebatten sind mehr als nur ein flüchtiger Tweet, ein oberflächlicher Post oder ein eifriger Klick auf den Gefällt-mir-Button. Im Zeitalter von X (ehemals Twitter), Facebook & Co. und der zunehmenden Verkürzung, Verkümmerung und Verrohung von Sprache wollen wir ein Zeichen setzen für die Entwicklung einer neuen Debattenkultur im Internet. Wir wollen das gesamte Potential von Sprache nutzen, verständlich und respektvoll miteinander zu kommunizieren.