Die ARD hat beim vieldiskutierten „Themenabend Terror“ einen fiktiven Stoff mit einer Zuschauerabstimmung verbunden. Inwieweit ist das Medium TV geeignet für die Debatte um komplexe ethische Themen?
Das Fernsehen ist nach wie vor das Medium, das am meisten genutzt wird. Das zeigt die Langzeitstudie von ARD und ZDF. Danach hat im vergangenen Jahr jeder Bürger im Durchschnitt 3 Stunden und 28 Minuten ferngesehen. Das Medium Fernsehen ist also hervorragend dazu geeignet, ein Massenpublikum zu erreichen. Den Film „Terror“ haben knapp 6,9 Millionen Menschen gesehen. Das entspricht einem Marktanteil von über 20 Prozent. Diese hohe Quote zeigt doch, dass Fernsehzuschauer durchaus bereit sind, sich mit anspruchsvollen und komplexen Thematiken auseinanderzusetzen. Und das ist es doch, was wir brauchen. Solche Themen, wie im Film gezeigt, müssen aus den Fachzirkeln heraus und in und von der Öffentlichkeit diskutiert werden.
Kritiker bezeichneten den Themenabend als „Populisten-Porno“, andere hielten dem Format zugute, dass tagelang über Grundgesetz und Werte diskutiert wurde. Wie sehen Sie das?
Der Film hat die Zuschauer ins Grübeln gebracht. Die Menschen an den Bildschirmen haben sich die Fragen gestellt: Wie hätte ich selbst gehandelt? Wie hätte ich geurteilt? Viele Fernsehzuschauer haben nach dem Film in ihren Familien, ihren Freundes- und Bekanntenkreisen und mit ihren Kollegen bei der Arbeit über moralische und rechtliche Fragen diskutiert. Sie haben sich damit auseinandergesetzt, welche Werte in unserer Gesellschaft gelten (sollten). Sie haben darüber nachgedacht, welchen Stellenwert die Menschenwürde in unserer Gesellschaft hat und/oder haben sollte. Wann erreicht eine Wertedebatte, ein Nachdenken über das Grundgesetz schon ein solch breites Publikum? Ich finde es gut, wenn diese Fragen nicht allein in den Hörsälen der Universitäten diskutiert werden. Denn das führt dazu, dass Recht und Ethik als etwas Abstraktes, Abgehobenes wahrgenommen werden. Dabei beschäftigen sich Juristen – wie auch Ethiker – mit Fragen des ganz normalen Lebens. Das hat der Film meines Erachtens nach gut gezeigt.
Wie sehr können solche interaktive TV-Formate den demokratischen Kurs verändern?
Das Besondere an dem Film war doch, dass die Zuschauer am Ende selbst über das Urteil abstimmen konnten. In meinen Augen war dieses Voting ein gutes dramaturgisches Mittel, um die Zuschauer zu involvieren. Ich fand es bei diesem Film schwer, sich im Fernsehsessel zurückzulehnen und das Ende des Films dem Regisseur zu überlassen, wie man das sonst oft macht. Bei diesem Film musste man sich positionieren, man musste Stellung beziehen. Jedenfalls ging es mir so. Dass es auch vielen anderen so ging, zeigt die immense Beteiligung an der Abstimmung online und per Telefon. Sich selbst zu fragen: Welche Werte sind mir wichtig? und dann darüber nachzudenken und zu diskutieren, halte ich ganz wesentlich für unsere Demokratie. Gerade in der pluralistischen Gesellschaft, in der wir leben. Zur Diskussion gehört oft auch, andere Meinungen aushalten zu können und sich im besten Fall sogar mit ihnen auseinanderzusetzen. Ich glaube, dazu hat der Film beigetragen.
Top-Quoten und riesiges Medienecho. Wie sehr muss das klassische Fernsehen polarisieren, um sich in der neuen, digitalen Medienvielfalt zu behaupten?
So stark hat der Film „Terror“ ja gar nicht polarisiert. Zumindest nicht die Fernsehzuschauer. Denn 86,9 Prozent und damit die überwältigende Mehrheit entschied sich für einen Freispruch des Piloten. Ich glaube, ein Erfolgsrezept des klassischen Fernsehens und der Medien insgesamt ist es, spannende Stoffe zu zeigen. Dabei muss es sich nicht um „leichte Kost“ handeln. Das hat der Film „Terror“ eindrucksvoll gezeigt. Auch schwierige und komplexe Themen werden vom Publikum angenommen, wenn sie gut aufbereitet sind und spannend erzählt werden.