Vor genau 5 Jahren begann die Einführung von DAB+ in Deutschland. Bis zum Jahresende werden 110 DAB+ Antennenstandorte in Betrieb sein. Welchen Anteil hat Kathrein an diesem Sendernetzaufbau?
Grundsätzlich kann man sagen, dass Kathrein beim Digitalradio-Ausbau in Europa eine führende Rolle hat. Rundfunk hat eine lange Tradition in Europa. Kathrein hat im analogen Rundfunk-Zeitalter über viele Jahrzehnte sehr erfolgreich kleine wie große Rundfunkanstalten beim Sendebetrieb unterstützt. Bei der Einführung von DAB/ DAB+ in Deutschland vertrauten viele Rundfunkanstalten auf Kathrein als bewährten Partner. Mit einem umfangreichen Portfolio im Band III waren wir für den Wechsel bestens gerüstet. Somit änderten sich bei vielen Kunden einfach die Anfragen von UKW-Projekten hin zu DAB-Projekten. Technisch bedienen können wir weiterhin beides: Zum einen, um in der Übergangszeit UKW aufrechterhalten zu können, zum anderen, weil DAB ein sehr stark europäischer Trend ist. Andere Erdteile migrieren z.B. erst von Mittelwelle (AM) zu UKW (FM). Dort ist weiterhin UKW gefragt.
Können Sie uns von einem Aufbau oder auch einer Kanalumstellung auf einem besonders spektakulären Standortes berichten?
Wir sind an fast allen publikumsträchtigen Standorten mit Sehenswürdigkeits-Charakter wie etwa Fernsehtürmen in irgendeiner Form technisch vertreten, zum Beispiel mit Antennen oder Weichen. Meist werden dort aus Zeit- und Platzgründen Antennenmontagen per Helikopter in großer Höhe durchgeführt. Diese Projekte sind immer spektakulär und sehr öffentlichkeitswirksam. Allerdings sind diese für DAB-Projekte eher untypisch. Bei dieser Technologie werden viele, dafür kleinere Stationen benötigt. Hier liegt die Herausforderung oft darin, Antennensysteme auf kleinen Standorten im technisch sinnvollen Rahmen zu realisieren. Oft sind diese mechanisch bereits stark ausgelastet. Ebenso ergeben sich meist technische Herausforderungen wie z.B. Terrassen mit Publikumsverkehr, die nicht bestrahlt werden dürfen. So erfordert ein kleiner Standort oft eine intensive Ingenieursleistung, um die Diagrammanforderungen des Kunden einerseits und die Standortspezialitäten andererseits befriedigen zu können.
Dazu kommt, dass vermeintlich spektakuläre Standorte zwar Unterhaltungswert von außen bieten, aber meist auch sehr gefährliche Arbeitsumgebungen für die Techniker darstellen. Alle Beteiligten sind speziell geschult und es gibt vorher intensive Ablaufbesprechungen. Man fokussiert sich dann ziemlich schnell auf seine Aufgabe. Das ist im Sinne von Arbeitssicherheit auch gut so. Manchmal realisieren Kollegen die Dimension ihrer Arbeit erst danach aus Presseberichten.
Gerade im ersten Jahren der DAB+ Einführung war die Umstellung der alten DAB-Kanäle auf den einheitlichen Kanal 5 C eine große Herausforderung, um die Programme des Bundesmux deutschlandweit über einen einzigen Kanal zu vereinheitlichen. War das auch für Ihr Unternehmen eine Herausforderung?
Speziell im Band III gab es bei Kathrein die Überschneidung von alten und neuen Anforderungen. Die ursprünglichen Antennen im Band III wurden für analoges Fernsehen und daher mit sehr guter Anpassung entworfen. Der Nachteil war fehlende Breitbandigkeit. In den ersten DAB-Ausbauphasen wurden zumeist auch nur schmalbandige Lösungen nachgefragt. Das konnte man nahtlos bedienen. Parallel dazu hatte Kathrein sehr schnell einen Strategiewechsel bei der Entwicklung von neuen Antennen eingeleitet. Digitaler Rundfunk hat neue Anforderungen ins Spiel gebracht, gleichzeitig ergaben sich aber neue physikalische Freiheitsgrade. Unser Unternehmen hat dann ab Ende der 2000er-Jahre verstärkt breitbandige Antennen entwickelt, um mögliche Kanalwechsel leichter abbilden zu können. So waren wir technisch gut aufgestellt, als der Wechsel zum sog. Bundesmux anstand. Die Herausforderung war dann eher eine organisatorische, denn alle Kunden mussten zur gleichen Zeit umstellen. Aber auch das konnten wir zur Zufriedenheit unserer Partner meistern.
Kathrein hat sich tradiotionell bei neuen terrestrischen Rundfunktechnologien stark engagiert – ob bei DAB oder DVB-T, aber auch bei DVB-H oder DMB. Gerade mit Blick auf DVB-H oder DMB: Ist damit nicht auch immer ein großes Risiko verbunden?
Auf dem Gebiet haben wir dank unserer sehr bedarfsorientierten Entwicklungsabteilung frühzeitig kundennahe Lösungen anbieten können. Unsere Antennen strahlen ja keine Standards ab wie beispielsweise DMB oder DVB-H, sondern sind für bestimmte Frequenzbereiche ausgelegt. Diese sind vom Aus einiger Standards nicht betroffen. Auch für die L-Band–Übertragung von DAB haben wir seinerzeit diverse Antennentypen entwickeln, die man im Moment nicht mehr benötigt. Wenn aber zukünftig Mobilfunk in diesem Frequenzbereich abgestrahlt wird, kann man auf Erfahrungen in diesem Bereich des Frequenzspektrums zurückgreifen.
Wir freuen uns sehr, in Versuche zu Themen wie „Tower Overlay“, LTE A+ oder ATSC 3.0 involviert zu sein und versprechen uns daraus einen großen Schritt zum Rundfunk der Zukunft.
Ein Blick in die Zukunft zum digitalen Fernsehen: Kathrein hat kürzlich angekündigt, auf der IBC in Amsterdam eine neue Generation von Antennen vorzustellen, eine kostengünstige Breitband-Antennenlösung für die Aussendung digitaler Fernsehkanäle im gesamten UHF-Bereich. Was verbirgt sich hinter dieser neuen Modellreihe und wie können die Rundfunkanbieter davon profitieren?
Hinter dieser Modellreihe verbirgt sich eine sogenannte UHF-Plug-and-Play-Antenne mit Richtdiagramm. Das heißt, wo nach konventioneller Art mehrere Antennenfelder mit Verbindungskabeln, Verteiler und Halterung zum Einsatz kämen, ist mit der „Cavity-Slot“ nur eine einzelne Antenne aufzubauen und anzuschließen. Die wesentlichen Vorteile sind die einfachere Montage und die niedrigere Windlast im Vergleich zu konventionellen Felder-Antennenlösungen.
Wo steht Digitalradio Ihrer Meinung nach in den nächsten 5 Jahren und was muss Ihrer Meinung nach passieren, dass sich DAB+ schnell durchsetzt?
Da ich seit 1995 im Bereich DAB arbeite und schon viel schlechtere Zeiten in Sachen Digitalradio mitgemacht habe, bin ich sehr erfreut über die derzeitige Entwicklung. Industrie, Regulierer, Netzbetreiber und Programmveranstalter arbeiten weitestgehend Hand in Hand. Jedoch besteht noch erheblicher Handlungsbedarf auf vielen Seiten.
Hier nur einige Beispiele: Die Autoindustrie sollte weltweit DAB-Radios als Standard und ohne Zusatzkosten in ihre Fahrzeuge einbauen. Die Politik sollte überall dem Beispiel einiger Bundesländer folgen und freigeräumte UKW-Frequenzen nicht wieder besetzen. Zudem sollte sie ein Umstiegs-Szenario umgehend und verpflichtend in Kraft setzen. Content sells, der zweite Bundesmux sollte spätestens 2017 on air gehen. Und die Hersteller von Geräten sollten mehr Digitalradios zu kundenfreundlicheren Preisen und viel zielorientierter vermarkten. Wenn das alles in einem zumindest europäischen Einklang passiert, sehe ich der massenhaften Verbreitung des seit Jahrzehnten besten Rundfunkübertragungsstandards nichts mehr im Wege stehen.