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Interview17.08.2017

Ist die Bundesregierung Schuld am Autodebakel?

Warum Politik und Industrie bei der E-Mobilität keine gute Figur abgeben

Stephan Kühn, Sprecher für Verkehrspolitik der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen Quelle: Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Stephan Kühn Sprecher Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen
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Alexander Hiller
Redakteur
Meinungsbarometer.info
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"Die deutschen Autobauer haben entscheidende Entwicklungen zu spät erkannt, vor allem bei der Elektromobilität. Statt das Modellangebot bei Elektroautos auszubauen, hat die Autoindustrie zu lange auf den fossilen Verbrennungsmotor gesetzt, weil sie damit gutes Geld verdient hat." Das sagt Stephan Kühn, Sprecher für Verkehrspolitik der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen. Auch die Bundesregierung habe zu diesen Versäumnissen beigetragen. "Sie hat es unterlassen, klare regulatorische Leitplanken zu setzen, um Innovationen bei der Autoindustrie voranzutreiben."





Diesel-Skandal, selbstfahrende Autos von Start-Ups, künftige Verbrennungsmotoren-Verbote in verschiedenen Ländern - die deutsche Autoindustrie steht unter starkem Druck. Wo ist die sprichwörtliche deutsche Innovationskraft geblieben?
Die deutschen Autobauer haben entscheidende Entwicklungen zu spät erkannt, vor allem bei der Elektromobilität. Statt das Modellangebot bei Elektroautos auszubauen, hat die Autoindustrie zu lange auf den fossilen Verbrennungsmotor gesetzt, weil sie damit gutes Geld verdient hat. Gleichzeitig drohen deutsche Autobauer bei der Elektromobilität von der internationalen Konkurrenz überholt zu werden. Dieser Wandel muss sich endlich in den Konzernzentralen herumsprechen, damit unsere Hersteller nicht den Anschluss verlieren.

Die Bundesregierung hat zu diesen Versäumnissen beigetragen. Sie hat es unterlassen, klare regulatorische Leitplanken zu setzen, um Innovationen bei der Autoindustrie voranzutreiben. Damit Autohersteller mehr emissionsfreie Autos auf die Straße bringen, brauchen wir endlich strenge CO2-Flottengrenzwerte für die Zeit nach 2020/2021. Auch die ausufernden Dieselsubventionen gehören abgeschafft. Diese liegen jährlich deutlich über den Mitteln für die Förderung der Elektromobilität.

Welche Zukunft hat der Individual-Verkehr angesichts von Klimawandel und Umweltproblemen überhaupt?
Natürlich werden auch in Zukunft noch Autos unterwegs sein, vor allem in ländlichen Regionen. In den Ballungsräumen ist das anders. Mit Carsharing-Angeboten gibt es effizientere Möglichkeiten, Autos zu nutzen. Ein besseres ÖPNV-Angebot sowie sichere Rad- und Fußwege sorgen dafür, dass wir insgesamt weniger abhängig vom motorisierten Individualverkehr sind. Dafür muss die nächste Bundesregierung nicht nur ein Zukunftsprogramm Nahverkehr mit einem Budget von jährlich einer Milliarde Euro auflegen, sondern auch die Mittel für Radschnellwege auf 100 Millionen Euro pro Jahr vervierfachen.

Noch attraktiver werden die Alternativen zum eigenen Auto, wenn wir die Verkehrsmittel besser miteinander vernetzen. Deshalb mache ich mich für den grünen MobilPass stark. Mit einer Smartcard oder App wird es möglich, sämtliche Angebote des öffentlichen Verkehrs sowie Car- und Bikesharing zu buchen und zu bezahlen. Die Autos, die wir in Zukunft noch brauchen, werden zudem mit Strom aus Sonne und Wind angetrieben und sind damit umweltfreundlich unterwegs. Deshalb setze ich mich für 100% erneuerbare Energien im Strombereich bis 2030 ein.

In der Vergangenheit – etwa bei der Einführung der Katalysatoren – hat die Politik einen Technologiewandel massiv unterstützt. Wie kann und sollte die Politik in künftigen Strukturwandel der Autoindustrie eingreifen?
Wir müssen jetzt der Elektromobilität zum Durchbruch verhelfen. Ab 2030 sollten keine neuen Pkw mit fossilen Verbrennungsmotoren mehr neu zugelassen werden. Damit bekommt die Autobranche Planungs- und Investitionssicherheit.

Um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir in die notwendige Infrastruktur investieren. Das gilt vor allem für die Ladeinfrastruktur, denn sie muss flächendeckend ausgebaut und bei Bedienung und Abrechnung vereinfacht werden. Mit Änderungen im Wohneigentums- und Mietrecht müssen wir die Einrichtung von heimischen Ladepunkten erleichtern. Die Entwicklung und Produktion von Batterien für E-Autos muss ein Standbein der deutschen Autoindustrie werden. Dafür brauchen wir einen „Zukunftspakt Batteriezellentechnologie“ mit der Automobil- und Zulieferindustrie, um Industrie und Beschäftigte bei dieser Transformation zu stärken. Mit einer Beschaffungsoffensive für öffentliche Fuhrparks und einem Marktanreizprogramm für E-Busse muss die künftige Bundesregierung dafür sorgen, dass die öffentliche Hand bei der Elektromobilität zum Vorbild wird.

Millionen Besitzer von Diesel-Autos müssen sich vermutlich auf Fahrverbote einstellen – wer sollte die Diesel-Fahrer wie entschädigen?
Meine Fraktion will Fahrverbote vermeiden. Doch weil die Automobilindustrie mit Duldung der Bundesregierung zur immensen Luftbelastung durch Stickoxide beigetragen hat, drohen nun Fahrverbote in etlichen Städten. Wir müssen die Autohersteller in die Pflicht nehmen und dafür sorgen, dass sie die Abgaswerte zugelassener Fahrzeuge deutlich verbessern. Anders als auf unzureichende Software-Updates, die beim Dieselgipfel beschlossen wurden, plädiere ich für wirksame technische Nachrüstungen, z.B. durch den Einbau neuer oder verbesserter Abgasreinigungssysteme.

Für mich ist klar: Alle Kosten müssen ausschließlich von den Autobauern übernommen werden. Das gilt auch für einen höheren Verbrauch nach der Umrüstung, beispielsweise beim AdBlue. Außerdem brauchen wir umfassende Garantien der Autohersteller auf die Bauteile, die von den Umrüstungen betroffen sind. Die Autohersteller müssen den Autofahrern diese Sicherheit geben. Nur dann werden sie überhaupt an den freiwilligen Umrüstungsaktionen teilnehmen.

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