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Grüne für Abschaffung von Presseähnlichkeits-Verbot und 7-Tageregelung

Wie das duale System in der digitelen Welt aussehen sollte

Tabea Rößner, MdB Sprecherin für Medien, Kreativwirtschaft und digitale Infrastruktur Obfrau im Ausschuss für Kultur und Medien, Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Quelle: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Tabea Rößner MdB Sprecherin für Medien, Kreativwirtschaft und digitale Infrastruktur Bundestagsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN 27.07.2017
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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Gebühren für Private? - dieser Vorschlag ist für die Grüne Medienpolitikern Tabea Rößner "nicht neu und zudem wenig durchdacht." Die Öffentlich-rechtlichen ihrerseits brauchen aus ihrer Sicht Reformen und dafür einen neuen Rahmen.







ProSiebenSat.1-Vorstand Conrad Albert hat Gebührengelder für private Sender gefordert, da diese den einen Teil der Grundversorgung übernehmen würden. Wie stehen Sie dazu?
Dieser Vorschlag ist nicht neu und zudem wenig durchdacht. Er wird immer mal wieder in die medienpolitische Debatte eingebracht, wenn es darum geht, die Legitimation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu hinterfragen. Wenn man sich die Ertragslage der von Herrn Albert vertretenen Sendergruppe ansieht, ist jedem klar, dass ProSiebenSat.1 Beitragsgelder gar nicht benötigt. Und wenn Herr Albert Rundfunkbeiträge für private Sender fordert, muss er sich schon die Frage gefallen lassen, ob er die vom Bundesverfassungsgericht festgeschriebenen hohen Qualitäts- und Vielfaltsstandards denn auch erfüllt oder zukünftig erfüllen will. Zudem müssten einige beihilferechtlichen Hürden genommen werden, bevor Privatsender an den Rundbeiträgen partizipieren könnten. RTL hat übrigens schon signalisiert, keinen Anteil am Rundfunkbeitrag haben zu wollen.

Namentlich die junge Zielgruppe wird nach Ansicht Alberts mit Informationen vornehmlich von den Privaten versorgt, da die Öffentlich-rechtlichen diese Zielgruppe kaum anspreche. Sehen Sie ARD und ZDF da stärker in der Pflicht?
Alberts Behauptung bezieht sich in erster Linie auf audiovisuelle Angebote. Wenn man das ganze Angebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks betrachtet, muss man auch das Radio einbeziehen. Da gibt es einige Formate für Jugendliche, die gut angenommen werden. Und im audiovisuellen Bereich ist mit "Funk" ein neues Angebot gestartet, das diese Zielgruppe adressiert und dort abholt, wo Jugendliche sich bewegen: im Netz. Das ist angesichts des Verlusts an Reichweite bei den Jugendlichen sicher noch nicht ausreichend. Deshalb müssen die öffentlich-rechtlichen Sender weiter daran arbeiten, die junge Zielgruppe stärker zu erreichen, in die gesellschaftliche Debatte einzubeziehen und für hochwertige Informationsangebote zu begeistern. Bei alledem muss aber auch die Medienpolitik bereit sein, den Auftrag der Öffentlich-rechtlichen insbesondere im Netz sinnvoll zu modernisieren.

Eine Anregung ist es, Gebühren nicht an Institutionen, sondern am Inhalt zu orientieren. Wie könnte eine Förderung „gesellschaftlich relevanter“ Medien-Inhalte aussehen?
Zunächst einmal müsste eine den beihilferechtlichen Präzisionsanforderungen entsprechende Konkretisierung erfolgen, welche Angebote denn gefördert werden sollen. Ich habe jedenfalls erhebliche Zweifel, ob es sich lohnt, mit der Formulierung "gesellschaftlich relevante Medien-Inhalte" im Gepäck bei der EU-Kommission anzuklopfen. Im Übrigen ist auch ist dieser Vorschlag nicht neu. Und ich habe noch kein überzeugendes Konzept gesehen, wie eine solche Förderung ausgestaltet sein könnte. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist ja nicht ohne Grund so organisiert, dass es erstens eine unabhängige Finanzierung gibt und zweitens der Auftrag von den Sendern im Rahmen ihrer Programmautonomie erfüllt werden soll. Hochwertiger Journalismus bedarf einer kontinuierlichen, dauerhaften und verlässlichen Finanzierung, mit der beispielsweise ein Korrespondentennetz für fundierte und hintergründige Information aufgebaut werden kann. Und es stellt sich die Frage, ob dies mit einer projektbezogenen Förderung überhaupt ermöglicht werden kann.

In dem Interview kritisiert Albrecht Art und Umfang des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland auch insgesamt. Sehen Sie Reformbedarf?
Es ist unbestritten, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk dringend notwendige Reformen durchführen muss. In diesem Zusammenhang ist es dringend notwendig, dass der Telemedienauftrag endlich zeitgemäß ausgestaltet wird. Daher begrüße ich die jüngste Initiative der Rundfunkreferenten. Leider wollen sie aber auf das Verbot der Presseähnlichkeit nicht vollständig verzichten. Die Kategorie der Presseähnlichkeit ist ja ein Konstrukt, mit dem versucht wird, Kategorien der analogen Welt auf das Internet zu übertragen, auf dessen Dienste sie aber gar nicht passen.

Die öffentlich-rechtlichen Medien müssen online wie offline Öffentlichkeit schaffen. Und um alle Bevölkerungsgruppen zu erreichen, müssen sie auffindbar sein. Hürden, die sie in ihrem Auftrag derart einschränken, sollten daher abgebaut werden. Ebenso wie das Verbot der Presseähnlichkeit gehören die 7-Tageregelung und die Archivbeschränkung nicht in einen zukunftsgerichteten Telemedienauftrag und sollten dringend abgeschafft werden. Nicht zuletzt: Zur Sicherung des Pluralismus und der Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks muss als Kultur gelebt werden, was das Bundesverfassungsgericht im ZDF-Urteil eingefordert hat.

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