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Interview15.12.2017

Gründershows haben mit realer Wirtschaft wenig zu tun

Warum die Sendungen trotzdem spannend sind

Prof. Dr. Christian Schicha, Professur für Medienethik, Institut für Theater- und Medienwissenschaft, Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg Quelle: Georg Pöhlein Prof. Dr. Christian Schicha Professur für Medienethik Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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Bei Gründershows im TV "handelt sich um ein Fernsehformat, bei dem es darauf ankommt, eine möglichst hohe Einschaltquote zu erzielen und zusätzlich Werbung für die prominenten Investoren zu machen, die die Produkte und Konzepte der Kandidaten bewerte", sagt Medienethiker Prof. Dr. Christian Schicha. Eine relevante Stärkung des Unternehmergeistes und der Investitionsbereitschaft hält er für unwahrscheinlich.





Nach dem Erfolg von „Die Höhle der Löwen“ folgen nun weitere Gründershows im deutschen TV. Können solche Formate aus Ihrer Sicht dazu beitragen, dass Unternehmergeist und Investitionsbereitschaft hierzulande gestärkt werden – oder ist das nur zur Unterhaltung gut?
In erster Linie handelt es sich hierbei um eine Unterhaltungsshow. In der Regel können Firmengründer auch nicht auf die Unterstützung derartig finanzkräftiger „Löwen“ zurückgreifen. Es handelt sich um ein Fernsehformat, bei dem es darauf ankommt, eine möglichst hohe Einschaltquote zu erzielen und zusätzlich Werbung für die prominenten Investoren zu machen, die die Produkte und Konzepte der Kandidaten bewerten. Diese Form der Inszenierung hat mit den realen Bedingungen in der Wirtschaft wenig zu tun. Gleichwohl werden die angenommenen Produkte nach der Präsentation in der Sendung in den Supermärkten intensiv beworben. Dies kann ggf. positive Wirkungen auf den Verkauf haben. Eine relevante Stärkung des Unternehmergeistes und der Investitionsbereitschaft durch die Ausstrahlung von „Die Höhle der Löwen“ halte ich für unwahrscheinlich.

In Einzelfällen wurden angekündigte Investitionen letztlich aus rechtlichen oder anderen Gründen doch nicht getätigt. Ist die Wirtschaft doch zu komplex für eine Fernsehshow?
Natürlich kann die Komplexität ökonomische Prozesse in einer Fernsehshow schon aus zeitlichen Gründen nicht angemessen vermittelt werden. Die Bewerber können nur schlaglichtartig ihre Produkte und Geschäftsmodelle skizzieren und müssen dabei vor allem auf eine überzeugende Selbstdarstellung achten. Ob das entsprechende Produkt eine Chance hat, inwiefern der vorgestellte Businessplan überhaupt tragfähig ist und wie die Konkurrenz sich mit ähnlichen Produkten bereits auf dem Markt positioniert hat, bedarf weiterer Analysen, die nicht fernsehkompatibel sind. Insofern kann die Show sich nur auf die Produkte und die Performance der Bewerber um Investitionen konzentrieren. Die tatsächlich ablaufenden Prozesse und Prüfverfahren, die bei einer Markteinführung neuer Produkte in der unternehmerischen Praxis erforderlich sind, können in einem derartigen Fernsehformat auch nicht ansatzweise angemessen erfasst und umgesetzt werden.

Kritiker wenden ein, dass bei TV-Shows vor allem Gründer mit „handfesten“ Produkte vorgestellt werden können, Ideen für komplexere Software-Lösungen aber eigentlich die Zukunft seien. Wie sehen Sie das?
Im Fernsehen ist es zentral, dass die angebotenen Produkten sich auch gut visualisieren lassen. Zudem wird ja auch häufig auf den Anwendungseffekt gesetzt. Die Kandidaten bringen dann die Produkte mit in die Sendung, führen sie vor und lassen sie von den möglichen Investoren testen. Derartige Produktpräsentationen in Wort und Bild lassen sich mit komplexen Software-Lösungen nicht bewerkstelligen. Insofern wird der Fokus der angebotenen Produkte von den Existenzgründern sich auch zukünftig auf die Entwicklungen richten, die sich haptisch bedienen lassen. Somit kann im optimalen Fall der Produktnutzen unmittelbar erläutert werden. In der Show sind die Szenen ja besonders interessant, in denen die Investoren die angebotenen Produkte selbst testen und zu einem Qualitätsurteil gelangen.

Nach verschiedenen Medien-Berichten sprechen Gründershows maßgeblich junge Frauen an. Wie erklären Sie sich das?
Dies ist zunächst überrascht, da die Existenzgründung nach wie vor eine primär männliche Domäne ist. Ich vermute, dass der Erfolg der Sendung bei den jungen Frauen weniger durch die inhaltliche Fokussierung auf die potenziellen Produktinvestitionen begründet ist. Interessant scheinen mir für diese Zielgruppe vielmehr die Dialoge zwischen den Bewerbern und den Investoren zu sein. Der Kampf um Ruhm und Geld, das Scheitern oder der Erfolg der Geschäftsmodelle sind das, was die Sendung spannend und unterhaltsam macht. Alle prominenten Investoren sind Kult. Sie können sich und ihre Marke gut verkaufen und tragen dazu, dass die „Höhle der Löwen“ gut funktioniert. Es geht aber wie in anderen Castingshows auch primär um Emotionen, die fernsehgerecht inszeniert werden. Einige Kandidaten bekommen durch die Finanzspritze und die Werbung der prominenten Investoren die Chance für einen ökonomischen Erfolg. Genauso spannend ist es aber, die Gründer zu beobachten, deren Produkte und Geschäftsmodelle von den Investoren gnadenlos kritisiert und abgelehnt werden. Insofern ähnelt das Format anderen  Castingshows, bei denen es u.a. um körperliche Attraktivität oder künstlerische Darbietungen geht. Derartige Formate sind bei jungen Frauen besonders beliebt.

 

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