Der Hörbüchermarkt hat sich nach den Boom-Jahren zuletzt konsolidiert. Woran liegt das aus Ihrer Sicht?
Aus der Beobachtung von Bookwire stehen wir aktuell erst am Anfang eines andauernden und vielfach begründbaren Hörbuch- und Voice-Product-Booms.
Ob Sie mit Michelle Cobb von der amerikanischen Audiobook Publishers Association sprechen, die fundierte internationale Zahlen von diversen Hörbuchmärkten sammelt und veröffentlicht, oder mit den lokalen Hörbuchverlagen in Deutschland oder international, alle bestätigen starke Wachstumsraten im digitalen Absatzbereich.
Smartphones und viele weitere digitale Abspielgeräte bieten die nötige Intimität und elaborierte Nutzerfreundlichkeit für die Hörer, die sich perfekt in den aktuellen Alltag der Menschen einpassen können. Das Hören ist für die Menschen heute zu einer willkommenen Alternative zu anderen medialen Konsumformen geworden. Hintergrund ist auch eine gestiegene Anzahl starker und interessanter Anbieter mit diversen Geschäftsmodellen, die die Aufmerksamkeit der Hörer in spannenden Geschichten oder auch interessanten Sachthemen nachhaltig binden können.
Stark angestiegen ist das Hörbuch-Streaming – welche Chancen und Herausforderungen sehen Sie darin?
Streaming hat sich zunächst in der Musikindustrie als super erfolgreiches Vertriebsmodell etabliert und enorm attraktive Marktreichweiten aufgebaut. Alleine Spotify hat heute bekanntlich über 200 Mio. Nutzer. Neben Spotify, Apple Music, Deezer, Napster und anderen Musik-Anbietern haben sich außerdem tolle Hörbuch-Spezialisten wie BookBeat, Storytel oder Nextory auf den Weg gemacht, eben genau hörbuchspezifische Streaming-Angebote zu lancieren.
Eine positive Entwicklung, die den Hörbuch-Produzenten jedoch, damit diese dort erfolgreich ihr Publikum finden können, einiges abverlangt. Neben einer Strategie hinsichtlich effektiver und sinnvoller Vermarktung benötigen die Content-Inhaber technische Grundlagen, um auch operativ Hörbücher 360 Grad im Markt verkaufen zu können. Bookwire OS, unser Operating System für Digital Publishing, bietet hier diverse Funktionalitäten, z. B. um mit einer sogenannten Windowing-Funktionalität zum richtigen Zeitpunkt erst Flatrate-Portale zu beliefern, wenn man dies will. Dies natürlich mit Streaming-optimierten Files, durch unser Feature BASS, das Track-Längen automatisiert auf die beste Länge für Streamingdienste schneidet. Damit können dann erst auch die Musiklogiken der Monetarisierung von Musikportalen für Hörbuch-Anbieter greifen.
Interessant ist außerdem: Stand heute sehen wir keine Kannibalisierung von Hörbuch-Verkäufen, wenn diese auf Streaming-Portalen und sogenannten reinen Download-Portalen zeitgleich angeboten werden. Ein weiteres Indiz, dass der Markt grundsätzlich wächst und man eben verschiedene Zuhörer an verschiedenen Portalen erreichen kann.
Der Markt bleibt dennoch weiter in Bewegung hinsichtlich neuer Anbieter und Ideen, wie man Hörbücher in die Ohren und Herzen der Zuhörer bringen kann.
Bei der Audio-Nutzung erleben Podcasts gerade einen erneuten Hype. Was bedeutet das für den Hörbuchmarkt?
Zum Golden Age of Audio gehört, dass serielle attraktive Audio-Inhalte in Form von Podcasts, die mehr oder weniger schnell und themenspezifisch konsumiert werden können, nach langen Jahren im Schatten nun zur vollen Blüte kommen.
Hörbücher und Podcasts unterscheiden sich zwar durchaus, haben aber viele Gemeinsamkeiten. Sie können sich gegenseitig in der öffentlichen Wahrnehmung verstärken, aber klarerweise nicht wechselseitig davon profitieren, wenn Podcasts versuchen Hörbücher zu sein und/oder umgekehrt.
Ich glaube weniger daran, dass die beiden Formate sich gegenseitig Hörer wegnehmen. Der Trend geht jedoch dann eher in die Richtung, dass Podcasts als Marketing-Tool oder Werbeplattform für Dritte Markenreichweite aufbauen sollen. Wenn der Nutzer nicht zahlt, dann ist der Nutzer Produkt und andere zahlen. Es macht für alle Hörbuchproduzenten Sinn, mit dem Format Podcast zu experimentieren und Wechselwirkungen zu erforschen.
Sicherlich kann dazu auch serielles Storytelling gehören. Ich rate jedoch jedem dazu, dass man vom Hörbuch ausgehend um 2-3 Ecken denken sollte, um zu verstehen, was attraktive Hörbücher ausmacht und was bei Podcasts anders sein muss. Das Hörbuch entsteht eben auch meist aus einer Buchgrundlage, einer kulturell tief und lange verankerten Medienform.
Wie könnte sich der Hörbuchmarkt durch die zunehmende Verbreitung von Smart Speakern verändern?
Auf der Jahrestagung der Interessengemeinschaft Hörbuch habe ich vor wenigen Tagen einen Vortrag gehalten mit dem Titel „Das Hörbuch und der Aufstieg der Smart Speaker“, in dem ich das enorme Potential von Smart Speakern aufzeige, die aber wiederum ohne die Voice Assistant Software (Alexa, Siri, Google, Bixbi) eben auch nicht mehr sind als ein stationärer Lautsprecher.
In einigen unterschiedlichen Marktuntersuchungen in den USA, Großbritannien und Deutschland zeigt sich deshalb, dass Smart Speaker derzeit noch wenig für Hörbuch-Inhalte genutzt werden, wenn man alle Smart-Speaker-Eigner fragt. Da ist das Potential!
Es geht jetzt darum, auf Smart Speakern Skills zu etablieren, die auch über den Smart Speaker hinaus, also auf dem Handy oder dem Tablet, dem Nutzer Hörbücher und vergleichbare Inhalte näher bringen und die Nutzung dort attraktiv macht.
Erste Ansätze sind vorhanden. Das Potential ist aber noch nicht gehoben. Wenn man alleine von 100.000 Millionen Geräten ausgeht, auf denen Amazon Alexa installiert ist (Stand Januar 2019), wird die mögliche Zuhörerschaft auch am Smart Speaker jeden Tag größer und größer.