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Gesetzliche Regeln gegen Bots wären überzogen

Welche Mittel für einen sauberen Wahlkampf besser helfen

Jan-Hinrik Schmidt, Wissenschaftlicher Referent für Digitale Interaktive Medien und Politische Kommunikation beim Hans-Bredow-Institut für Medienforschung Quelle: David Ausserhofer Jan-Hinrik Schmidt Wissenschaftlicher Referent Hans-Bredow-Institut für Medienforschung 20.04.2017
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Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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Bestimmte Automatismen, etwa Chatbots; sind aus Sicht des Experten Jan-Hinrik Schmidt vom Hans-Bredow-Institut auch im Wahlkampf unproblematisch. Für gefährlicher hält er Social Bots, auch wenn sie "von ihrer Reichweite und ihrem Einflusspotenzial sehr begrenzt sind."







Nach Presseberichten gibt es Erwägungen, im Bundestagswahlkampf Bots einzusetzen. Wie bewerten Sie das?
Unter „Bots“ fällt eine große Bandbreite von automatisiert betriebenen Kommunikationswerkzeugen, die nicht über einen Kamm zu scheren sind. Auf der einen Seite gibt es Bots, die Nutzer/innen dabei helfen können, sich in der Informationsfülle der digitalen Medien zu orientieren, z. B. indem sie Inhalte zu bestimmten Schlagworten aus unterschiedlichen Quellen aggregieren und verbreiten (etwa als „newsbots“) oder als „chatbots“ Fragen von Nutzer/innen beantworten und diese auf weiterführende Quellen, etwa zu politischen Standpunkten einer Partei weiter verweisen. Sofern diese Bots technisch sauber programmiert sind, also keinen fehlerhaften Output produzieren, und sofern sie sich als Bots zu erkennen geben, sehe ich kein Problem darin, diese Technologien auch im Bundestagswahlkampf einzusetzen. Auf der anderen Seite stehen Bots, die sich als „normale Nutzer“ ausgeben und automatisiert Inhalte produzieren, etwa um hohe Popularität für bestimmte Standpunkte oder Parteien vorzutäuschen (sog. „social bots“). Sie verletzen in aller Regel kommunikationsethische Prinzipien, insbesondere die Norm der Wahrhaftigkeit, und sollten daher meiner Ansicht nach nicht im Wahlkampf (wie auch nicht in anderen Angelegenheiten öffentlicher politischer Kommunikation) eingesetzt werden.

Einzelne Experten fordern gesetzliche Regeln für Bots – etwa eine Kennzeichnungspflicht. Wie stehen Sie dazu?
Die Forderung nach einer Kennzeichnungspflicht reagiert auf die Verschleierung der kommunikativen Absichten von Social Bots, adressiert also ein durchaus drängendes Problem. Ich halte es dennoch für überzogen, die – unbestritten sinnvolle – Transparenz und Wahrhaftigkeit von Kommunikation mit einer gesetzlichen Pflicht regeln zu wollen; andere Wege, etwa Selbstverpflichtungen der Parteien oder auch von einschlägigen Berufsverbänden wie dem Deutschen Rat für Public Relations, scheinen mir da angemessener. Hinzu kommt, dass intransparent betriebene Social Bots in den meisten Fällen auch gegen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Betreiber von Social-Media-Plattformen o.ä. verstoßen werden, sodass auch auf diesem Wege eine Sanktionierung, d. h. eine Löschung der Accounts möglich sein wird, sofern die Plattformbetreiber ihrer moderierenden Aufgabe nachkommen.   

Experten streiten darüber, wie groß der Einfluss von Bots etwa auf den vergangenen amerikanischen Präsidentschafts-Wahlkampf waren. Wie schätzen Sie das ein?
Die These, Bots hätten die Präsidentschaftswahl (oder den Brexit) mitentschieden, ist zwar populär und intutiv plausibel, aber ich halte sie für nichtzutreffend. Zwar lässt sich wohl zeigen, dass ein beachtlicher Anteil der Twitter-Aktivitäten pro Trump (und wohl auch pro Brexit) auf das Konto von Bots ging. Aber ich halte es für sehr fraglich, ob diese Aktivitäten auch tatsächlich (a) von vielen Menschen wahrgenommen wurden und (b) diese in ihrer Meinungsbildung bzw. Stimmabgabe entscheidend beeinflusst haben.

Wie lässt sich verhindern, dass digitale Wahlkampfhelfer die Demokratie bedrohen?
Ich glaube nicht, dass diese Gefahr derzeit und in absehbarer Zukunft besteht, da Social Bots von ihrer Reichweite und ihrem Einflusspotenzial sehr begrenzt sind und sich, wie oben erläutert, ja auch durchaus in demokratiefördernder Absicht einsetzen lassen. Sicherlich gilt es den Blick dafür zu schärfen, an welchen Stellen von wem mit welchen Absichten automatisiert kommuniziert wird, und gegebenenfalls, d. h. bei Verstößen gegen das Transparenz- und Wahrhaftigkeitsgebot auch darauf hinzuweisen, dass hier unlautere Mittel eingesetzt werden. Aber das ist meiner Ansicht ohnehin Teil der allgemeinen Aufgabe einer kritischen demokratischen Öffentlichkeit; Bots haben daran nichts Grundlegendes geändert.

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