Ihre Stadt ist die smarteste in Deutschland. Welche Anstrengungen haben Sie in der letzten Zeit dafür unternommen?
Zur smartesten Stadt wird man nicht über Nacht. Es erfordert ein langjähriges, aktives, breites – das heißt in unserem Fall stadtweites – Engagement in den Handlungsfelder Smart City, zu denen neben Smart Government und Digitalisierung unter anderem auch Teilhabe, Mobilität und Umwelt gehören. Alle Bereiche der Stadtverwaltung sind aufgefordert an der Smart City München zu bauen und tragen ihren Teil bei – die IT ist da natürlich ganz vorne mit dabei.
Eines unserer smarten Steckenpferde sind sicher die digitalen Bürgerservices. In kaum einer Stadt gibt es so viele Onlinedienste wie München, allein 2023 sind über 30 neue Dienste online gegangen. Das ist vor allem deshalb ein Highlight, weil es da um die Stadtgesellschaft, die Bürger*innen und die Mitarbeiter*innen der LHM geht. Aber wir digitalisieren natürlich nicht nur den Status Quo, wir verfolgen auch visionäre Zukunftsthemen. Wir haben in diesem Jahr unser KI-Kompetenzzentrum aufgebaut, MucGPT steht kurz vor dem stadtweiten Launch.
Mit unserer Beteiligung an nationalen und internationalen Förderprojekten wie SmarterTogether und Connected Urban Twins schaffen wir außerdem eine breite Basis an Wissen und Erfahrung, etablieren Netzwerke mit Städten, Unternehmen, IT-Community und Forschung für den umfassen Austausch von Informationen und gemeinsame Initiativen. Daneben etablieren wir aber auch übergreifende, interne Projekte sowie einen Handlungsrahmen in der Digitalisierungsstrategie und das Integrierte Handlungsprogramm Smart City (ISCH).
JETZT HERUNTERLADEN
DIE DOKUMENTATION DIESER FACHDEBATTE
DIE DOKUMENTATION ENTHÄLT
Übersicht aller aktiven Debattenteilnehmer
Summary für Ihr Top-Management
Welche Projekte wollen Sie als nächstes angehen?
Wie erwähnt, steht MucGPT kurz vor dem stadtweiten Launch. Aber das ist nicht alles. Das neueste internationale Förderprojekt ist ASCEND* – mit dem Ziel, innerhalb von fünf Jahren ein energiepositives Quartier zu schaffen. Hier kooperieren wir mit vielen Partnerkommunen in der EU wie Lyon, Prag, Porto, Stockholm.
Auch der Ausbau des Ökosystems des Digitalen Zwillings und der Urbanen Datenplattform als zentrale Informationsdrehscheibe sind wichtige Beispiele an denn wir arbeiten.
Smart ist eine City vor allem, wenn sie sich mit den Bedürfnissen der Menschen beschäftigt. Digitale Teilhabe wird deshalb nicht erst 2024 ein großes Thema: alle Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen, unterschiedlichen Perspektiven, Hintergründen und Kenntnissen an der Digitalisierung teilhaben zu lassen – dort, wo und wie sie sie im Alltag benötigen. Gerade erst hat der Stadtrat die Gründung eines Digitalrats beschlossen. Dessen Hauptaufgabe wird es sein, als Ideen- und Impulsgeber für die Digitalisierung in München zu wirken. Zudem soll er den Abbau von Kommunikationsbarrieren und den Informationsaustausch zwischen Kommune und Stadtgesellschaft in Bezug auf die Digitalisierung fördern.
Das Ranking betrachtet deutsche Städte - wie sehen Sie Ihre Kommune im Europa-weiten Vergleich aufgestellt?
Neben der Studie der Bitkom haben wir auch im Ranking von Haselhorst Associates den bundesweit den ersten Platz belegt.** Im internationalen Vergleich ist solch ein Ranking immer schwierig, da jede Region – egal ob EU, Asien, Amerika – ein anderes Verständnis von Smart City hat. Im Europäischen Vergleich, und das sehen wir in den internationalen Förderprojekten, sind wir gut unterwegs, aber natürlich bestimmen Gesetze, Förderungen und Kultur die jeweiligen Rahmenbedingungen.
Selbstverständlich stehen wir aber mit vielen anderen Städten wie Wien und Barcelona in Kontakt und schauen, wie wir voneinander lernen können. Aktuelle internationale Studien mit fundierten Vergleichen, in denen München vorkommt, sind mir derzeit nicht bekannt, da international eher die Hauptstädte verglichen werden.
Welche Unterstützung würden Sie sich bei Ihren Maßnahmen von Land, Bund und EU wünschen?
Innovationsprojekte gibt es meines Erachtens genügend. Was fehlt, sind Standards. Sehen wir uns allein die Causa Onlinezugangsgesetz (OZG) an. Die Tatsache, wie unterschiedlich weit die Kommunen und Landkreise allein bei der Umsetzung der 575 Onlinedienste entwickelt sind, zeigt doch, dass es am einheitlichen Fundament mangelt. Gleichwertige Voraussetzungen müssen auch im Digitalen gelten, hier ist der Staat in der Pflicht.
Ein Ansatz, wie dies besser gelingen könnte, war bisher „Eine für alle“: Ein Bundesland entwickelt eine digitale Verwaltungsleistung, die alle anderen dann übernehmen. Unterschiedliche Systeme und Datenbanken verhinderten allerdings eine erfolgreiche Umsetzung dieses Konzepts. Wir müssen deshalb erst einmal ein Fundament schaffen und nicht auf die Vereinheitlichung bestimmter Anwendungen für digitale Verwaltungsleistungen pochen. Es geht um einheitliche Schnittstellen, es geht um den Austausch von Daten, es geht um Standards.
Immer deutlicher wird zudem, dass wir auch über die Aufgabenverteilung in unserem Staat mit seinen unterschiedlichen Ebenen einschließlich der EU sprechen müssen. Wir brauchen einen Dialog über den Föderalismus und wer künftig für was zuständig ist.
Aber natürlich warte ich nicht darauf, sondern versuche wo ich kann unsere Perspektive als Kommune auch auf Bundesebene einzubringen.
* https://stadt.muenchen.de/infos/ascend.html
** https://www.haselhorst-associates.com/smart-city-ranking-2023/