Menue-Button
← FACHDEBATTE Interview

Fliegende Stadtautos ohne Perspektive?

Aber woanders heben autonom gesteuerte Fahrzeuge bald ab

John Brown, COO Carplane(R) GmbH Quelle: Carplane(R) John Brown COO Carplane(R) 01.03.2017
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Alexander Hiller
Redakteur
Meinungsbarometer.info
ZUR FACHDEBATTE

Fliegende Autos bekommen nicht so einfach eine Zulassung. Die Firma Carplane stattet daher "lediglich ein Kleinflugzeug mit Flügelverstauung und Antriebsrädern aus", berichte Carplane-COO John Brown.







Autonom fahrende Bodenfahrzeuge, Drohnen, jetzt bringen Carplane, PAL-V, Lilium Aviation und auch Airbus autonom und senkrecht startende Flugmobile für die städtische Urbanität ins Spiel. Nur ein Gedankenspiel oder erleben wir tatsächlich zeitnah die Geburtsstunde des „privaten“ Luftverkehrs?
Luftbasierte Individualmobilität existiert schon lange (Kleinflugzeuge). Es geht darum, diese praktisch zu machen. Was im Moment gesehen werden kann, sind teilweise Gedankenspiele, die sich vom Praktischen teilweise entfernen.

Fliegende Autos sind nicht neu. Bereits 300 sind geflogen und gefahren. Die Herausforderung reicht weit darüber hinaus, so etwas zu entwickeln, zu bauen oder zu fliegen. Man muss vielmehr
a). eine Zulassung dafür bekommen
b). eine Betriebsperspektive haben,
c). einen Markt bedienen, und
d). gute Leistungsmerkmale vorweisen.
Ad a). Viele Konzepte scheitern schon an der Zulassung:
Zunächst einmal ist autonome Steuerung in der Luft nichts Neues. Aber, für Behörden ist
- gewerbliche Passagierbeförderung ohne Pilot an Bord
- insb. mittels Drohnenflugs über bewohntem Gebiet ein rotes Tuch.
Das wird auf absehbare Zeit so bleiben. Und es gibt keine Anzeichen dafür, dass es kommt. (Hierbei sollte man experimentelle Flüge über Wüstengebiete mit realen Betriebs-bedingungen nicht verwechseln.) Es kommt vielleicht irgendwann. Aber niemand weiss, ob, oder wann. Die Behörde entscheidet. Und sie wird sich immer für die sicherere Variante entscheiden.

Die Gründer von Google (Zee Aero), Uber (Vahalla) und Skype (Lilium) entwickeln sogenannte "Convertiplanes". Diese starten senkrecht und gehen in den Tragflächenflug über. Experimentelle Convertiplanes gibt es seit Jahrzehnten*. Einige wenige haben es in den Militärdienst geschafft. Diese für den Zivildienst zuzulassen, wäre "sportlich" (= teuer/schwierig/langwierig). Ist es technisch möglich? Ja. Ist es praktisch wahrscheinlich? Wir werden sehen. [*ausgerechnet eine Firma namens Hiller war Vorreiter bei der Entwicklung von Convertiplanes.]

PAL-V möchte eher herkömmliche Technologie einsetzen. Starts/Landungen sollen an vorhandenen Flugplätzen stattfinden. Dieser Gedanke ist praktisch. Aber, PAL-V sieht vor, einen herkömmlichen Rotor in der Blattmitte zu falten. Ist das technisch machbar? Vielleicht. Hat PAL-V es schon geschafft? Vermutlich nicht, sonst hätte sie es veröffentlicht und es würde im Kleingedruckten des Bestellformulars keine Rückzahlung für den Fall der Nichtzulassung stehen. Gleichwohl ist der Tragschrauber eine taugliche Technologie für ein Flugauto.

Ad b). Bei Senkrechtstartern gilt: je kleiner die Rotoren, desto schneller müssen sie sich drehen. Dadurch werden sie lauter (Anm.: ausschlaggebend für den Lärm ist die Drehgeschwindigkeit und nicht, ob der Motor elektrisch ist). Es gibt jetzt schon deswegen kaum Hubschrauberlandeplätze in Ballungszentren -und dann meistens nur für Notdienste. Das ganze Geld von Google, Uber und Skype wird Anrainer-Bürgerinitiative kaum davon überzeugen, diesen Lärm zu ertragen - egal, ob mit oder ohne Pilot. Es gibt also (derzeit) praktisch keine Betriebsperspektive abseits der existierenden Flugplätze. Und Letztere werden eher weniger, als mehr - insb. in Stadtgebieten.

Ad c). Der Markt für Hubschrauber ist klein. Die Anschaffung, der Betrieb, die Wartung und die Pilotenausbildung sind teuer. Gibt es einen Markt für ein Luftfahrzeug, das noch komplexer und teurer ist? Eher nicht.

Ad d). Hat man eine Zulassung und einen Markt, so ginge es darum, ein Fahrzeug zu bauen, das gut fährt und gut fliegt. Daran sind bislang alle Flugauto-Konzepte gescheitert.
Carplanes Slogan lautet: "built for reality". Damit grenzen wir uns von Konzepten ab, die auf vage Zukunftsprognosen beruhen.

Carplane verfügt nicht nur über technisches Knowhow, sondern insbesondere über Knowhow bei der Zulassung von Luftfahrzeugen. Deshalb sind wir darum bemüht, alles so einfach wie möglich zu halten. Wir statten lediglich ein Kleinflugzeug mit Flügelverstauung und Antriebsrädern aus. Dadurch, dass wir unsere Flügel nicht falten, bekommen wir leichter eine Zulassung. (Wir sind mit unserer Prototypenzulassung fast fertig - am 14. Nov. 2016 haben wir unseren Haupt-Lasttest bestanden!)

Wir werden eine Nische im Markt für Kleinflugzeuge besetzen. Für uns muss also keine neue Zulassungsart geschaffen werden. Wir haben zwei Kennzeichen (jeweils für die Luft und die Straße) sowie zwei Versicherungspolicen (was logisch ist, da zwei unterschiedliche Risiken abgesichert werden). Und wir benutzen existierende Flugplätze. Wer mit dem Carplane fliegt, muss einen Privatpilotenschein besitzen. Das sind keine Gedankenspiele, sondern realer Alltag.

Welche Vorteile hätten autonom gesteuerte Kleinflugzeuge/fliegende Autos für die städt. Mobilität, welche strategischen und politischen Voraussetzungen müssten dafür erfüllt sein?
Gar keine.
a). Es gibt derzeit keine reelle Betriebsperspektive für autonom gesteuerte Luftfahrzeuge im Stadtgebiet (siehe oben).
b). Unser Fahrzeug ist nicht für die städtische Mobilität gedacht, sondern für die Nischenentfernung 200km bis 1.200km. Nur, wer über diese Entfernungen reist, hat Vorteile vom Carplane.
c). Für den Betrieb eines Carplane müssen keine Voraussetzungen (weder rechtlich, noch politisch, noch infrastrukturmäßig) geschaffen werden.

Wann werden die ersten Prototypen vorgestellt?
Prototypen hat es über die Jahrzehnte schon viele gegeben (siehe oben). Entscheidend ist, wann die ersten zugelassenen Fahrzeuge dieser Art vorgestellt werden. Wenn alles nach Plan verläuft, wird Carplane dieses oder nächstes Jahr eine Einzelstück-Zulassung haben. Danach dauert die gewerbliche Typenzulassung (bei der EASA) noch mindestens zwei Jahre.

Werden irgendwann fliegende Kleinstmobile das Auto auf den Straßen ersetzen oder wird es dauerhaft eine intelligente Koexistenz geben?
Die Kernkompetenz von Carplane ist die Entwicklung von Fahrzeugen für absehbare Zeiträume. Die Erforschung der fernen Zukunft gehört nicht zu unserer Kernkompetenz, weshalb wir hierüber keine Prognose abgeben. Erkennbare Trends hin zur verbrauchsarmen, leisen Mobilität würden aber mit einer solchen Perspektive eher nicht im Einklang stehen.

UNSER NEWSLETTER

Newsletter bestellen JETZT BESTELLEN

■■■ WEITERE BEITRÄGE DIESER FACHDEBATTE

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Prof. Dr.-Ing. habil. Hartmut Fricke
Dekan
Technische Universität Dresden

Prof. Dr.-Ing. Hartmut Fricke, Dekan der Fakultät Verkehrswissenschaften der Technischen Universität Dresden
Verkehr | Mobilität

Mit dem fliegenden Auto übers Watt

Die Geburtsstunde einer neuen kommerziellen ■ ■ ■

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Prof. Dr.-Ing. habil. Hartmut Fricke
Dekan
Technische Universität Dresden

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Andreas Eschbach
Bestsellerautor
Schriftsteller

Andreas Eschbach, Science-Fiction-Autor

Starautor hält fliegende Autos für Spinnerei

Andreas Eschbach will von Vorteilen autonomer ■ ■ ■

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Andreas Eschbach
Bestsellerautor
Schriftsteller

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Prof. Rolf Henke
Vorstand
DLR

Prof. Rolf Henke, Mitglied des DLR-Vorstandes für Luftfahrtforschung und –technologie
Politik | Forschung

Rechtliche Fragen bremsen fliegende ■ ■ ■

Wann die privaten Luftfahrzeuge wie abheben

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Prof. Rolf Henke
Vorstand
DLR

ZUR FACHDEBATTE

■■■ DIESE FACHDEBATTEN KÖNNTEN SIE AUCH INTERESSIEREN

Uwe Rempe

INITIATOR
Uwe Rempe
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info

Dipl.- Journ. Thomas Barthel

INITIATOR
Dipl.- Journ. Thomas Barthel
Founder & Herausgeber
Meinungsbarometer.info

Simone Ulrich

INITIATORIN
Simone Ulrich
Freie Journalistin
Meinungsbarometer.info

ÜBER UNSERE FACHDEBATTEN

Meinungsbarometer.info ist die Plattform für Fachdebatten in der digitalen Welt. Unsere Fachdebatten vernetzen Meinungen, Wissen & Köpfe und richten sich an Entscheider auf allen Fach- und Führungsebenen. Unsere Fachdebatten vereinen die hellsten Köpfe, die sich in herausragender Weise mit den drängendsten Fragen unserer Zeit auseinandersetzen.

überparteilich, branchenübergreifend, interdisziplinär

Unsere Fachdebatten fördern Wissensaustausch, Meinungsbildung sowie Entscheidungsfindung in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Medien und Gesellschaft. Sie stehen für neue Erkenntnisse aus unterschiedlichen Perspektiven. Mit unseren Fachdebatten wollen wir den respektvollen Austausch von Argumenten auf Augenhöhe ermöglichen - faktenbasiert, in gegenseitiger Wertschätzung und ohne Ausklammerung kontroverser Meinungen.

kompetent, konstruktiv, reichweitenstark

Bei uns debattieren Spitzenpolitiker aus ganz Europa, Führungskräfte der Wirtschaft, namhafte Wissenschaftler, Top-Entscheider der Medienbranche, Vordenker aus allen gesellschaftlichen Bereichen sowie internationale und nationale Fachjournalisten. Wir haben bereits mehr als 600 Fachdebatten mit über 20 Millionen Teilnahmen online abgewickelt.

nachhaltig und budgetschonend

Mit unseren Fachdebatten setzen wir auf Nachhaltigkeit. Unsere Fachdebatten schonen nicht nur Umwelt und Klima, sondern auch das eigene Budget. Sie helfen, aufwendige Veranstaltungen und überflüssige Geschäftsreisen zu reduzieren – und trotzdem die angestrebten Kommunikationsziele zu erreichen.

mehr als nur ein Tweet

Unsere Fachdebatten sind mehr als nur ein flüchtiger Tweet, ein oberflächlicher Post oder ein eifriger Klick auf den Gefällt-mir-Button. Im Zeitalter von X (ehemals Twitter), Facebook & Co. und der zunehmenden Verkürzung, Verkümmerung und Verrohung von Sprache wollen wir ein Zeichen setzen für die Entwicklung einer neuen Debattenkultur im Internet. Wir wollen das gesamte Potential von Sprache nutzen, verständlich und respektvoll miteinander zu kommunizieren.