Wie fügt sich der Entwurf zum neuen Jugendschutzgesetz (JuSchG) aus Ihrer Sicht in die bestehenden Regeln der föderalen Bundesrepublik (etwa: Jugendmedienschutzstaatsvertrag/ JMStV), ein?
Nach dem bisher bekannten Stand sind die geplanten Regelungen für das JuSchG nicht mit den bestehenden Regelungen des JMStV abgestimmt, was ein großes Problem ist. Zwischen Bund und Ländern war es lange Konsens, dass die Jugendschutzregeln für Fernsehen und Internet von den Ländern in einem bundeseinheitlichen Staatsvertrag aufgestellt werden, der Bundesgesetzgeber hingegen für den Jugendschutz in der Öffentlichkeit und bei sogenannten Trägermedien zuständig ist. Davon weicht das JuSchG nun ab und trifft zahlreiche Vorgaben, die neue Beschränkungen für Onlinedienste enthalten. Diese widersprechen den Regelungen im JMStV. Sie führen auch nicht zu einer Verbesserung des Jugendschutzes und treffen nur deutsche Anbieter, die bereits heute in einem engmaschig überwachten System agieren und sich in aller Regel rechtskonform verhalten.
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Der Entwurf sieht den Ausbau der Bundesprüfstelle zur Bundeszentrale für Kinder-und Jugendmedienschutz vor. Was halten Sie davon?
Hier muss man differenzieren. Es ist grundsätzlich sehr zu begrüßen, dass der Staat das Thema Jugendmedienschutz als wichtige Aufgabe begreift und hier auch viel investieren will. Bedenken haben wir jedoch in zwei sehr wesentlichen Punkten: Zum einen ist die Medienaufsicht in Deutschland aus guten verfassungsrechtlichen Gründen „staatsfern“ organisiert, sie wird also gerade nicht von Behörden wahrgenommen, sondern von unabhängigen Anstalten des öffentlichen Rechts – den Landesmedienanstalten. Weil Jugendmedienschutz aber zumindest potenziell auch mit der Einschränkung von Grundrechten einhergehen kann, ist hier besondere Vorsicht geboten. Zum anderen gibt es mit diesen Landesmedienanstalten und vor allem den Einrichtungen der Freiwilligen Selbstkontrolle wie der FSM bereits hervorragend etablierte Institutionen, zu denen die neue Bundeszentrale in Konkurrenz treten würde, ohne damit einen Mehrwert für die Familien zu bieten.
Der Entwurf befasst sich mit sogenannten Interaktionsrisiken wie Cybermobbing oder Persönlichkeitsrechtsverletzungen - wie bewerten Sie die diesbezüglich geplanten Regeln?
Es ist richtig, dass sich der Jugendschutz im Internet nicht allein mit den angebotenen Inhalten beschäftigt, sondern auch damit, was Nutzerinnen und Nutzer mit den Angeboten und Diensten machen – und wie sie darin miteinander umgehen. Deshalb ist es gut, wenn es die Anbieter leicht machen, beispielsweise unangemessenes Verhalten anderer Personen zu melden. Nicht richtig finden wir aber, allein die Tatsache, dass es zum Beispiel eine Kommentar- oder Chatfunktion auf einer Plattform gibt, in die Altersbewertung einzelner Inhalte einzubeziehen: Dass man sich in einem Spiel mit anderen austauschen kann, macht diesen Titel nicht automatisch zu „ab 18“.
Was sollte aus Ihrer Sicht in ein endgültiges JuSchG unbedingt noch aufgenommen und was unbedingt aus dem Entwurf gestrichen werden?
In dem zuletzt diskutierten Entwurf wird verlangt, dass alle Spiele und Filme vor ihrer Veröffentlichung im Internet ein staatlich kontrolliertes oder sanktioniertes Verfahren durchlaufen müssen. Damit würde die Verantwortlichkeit der jeweiligen Anbieter komplett aufgehoben und durch eine faktische Vorzensur, die unser Grundgesetz verbietet, ersetzt. Kein Trickfilm für Kinder und keine Folge einer beliebten Serie dürfte mehr in die Mediathek eines Fernsehsenders hochgeladen werden, ohne dass der Sender zuvor ein solches Verfahren durchlaufen hat – das darf nicht sein. Bei den meisten Anbietern und Sendern arbeiten hochqualifizierte Jugendschutzbeauftragte, deren Expertise bei der Bewertung jugendschutzrelevanter Inhalte zwingend auch durch das JuSchG anerkannt werden muss.
Zwingend erforderlich ist hingegen, dass Bund und Länder sich noch einmal an einen Tisch setzen und ihre jeweiligen Vorhaben aufeinander abstimmen. Das betrifft die Zuständigkeiten der bestehenden Institutionen genauso wie die Frage, welche neuen Regeln wirklich erforderlich sind. Was dem Entwurf bislang noch völlig fehlt, ist eine Idee, wie mit bereits bestehenden Inhalten umgegangen werden soll: Zum einen wären ohne Übergangsregelungen praktisch alle deutschen Mediatheken und Video-on-Demand-Angebote wegen der Vorlage- und Freigabepflichten ab Inkrafttreten des Gesetzes über eine längere Zeit praktisch leergefegt (oder nicht rechtskonform). Zum anderen bräuchte es wegen der neuen Regeln ganz neue Prüfkriterien, denn die bisherige Spruchpraxis bei der Bewertung von Spielen und Filmen müsste radikal verändert werden, woraus zahlreiche veränderte Altersstufen resultieren könnten.