Menue-Button
← FACHDEBATTE Interview

FSF für konzertierte Aktion von Bund und Ländern für konvergenten Rechtsrahmen

Wie der Jugendschutz zukunftsfest werden könnte

Claudia Mikat - Geschäftsführung Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen Quelle: FSF Claudia Mikat Geschäftsführerin Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen 22.04.2020
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
ZUR FACHDEBATTE

"Entgegen der erklärten Absicht, die kompetenzrechtliche Zuständigkeit der Länder zu wahren, werden die Bestimmungen des JMStV durch den JuSchG-E de facto überprägt", erklärt FSF-Geschäftsführerin Claudia Mikat mit Blick auf den Entwurf des Jugendschutzgesetzes. Aus ihrer Sicht gehören eine ganze Reihe der Regeln noch einmal auf den Prüfstand.







Wie fügt sich der Entwurf zum neuen Jugendschutzgesetz (JuSchG) aus Ihrer Sicht in die bestehenden Regeln der föderalen Bundesrepublik (etwa: Jugendmedienschutzstaatsvertrag/ JMStV), ein?
Leider nicht hinreichend. Entgegen der erklärten Absicht, die kompetenzrechtliche Zuständigkeit der Länder zu wahren, werden die Bestimmungen des JMStV durch den JuSchG-E de facto überprägt. Ein Großteil der im Online-Jugendmedienschutz etablierten Strukturen und Expertise – zum Beispiel der Jugendschutzbeauftragten in den Häusern - würde so obsolet. Tragisch daran ist, dass neuen Herausforderungen mit alten Rezepten begegnet wird. So wird die de-facto-Prüfpflicht aus dem Zeitalter der Videokassette auf den Telemedien-Bereich übertragen und in § 14 a mit einer Kennzeichnungspflicht verbunden. Dabei passt bereits die Grundannahme nicht mehr in die Zeit, dass selbst offenkundig harmlose Inhalte – auch Kinderserien wie Bob der Baumeister - für die Veröffentlichung einer hoheitlichen Erlaubnis bedürfen, weil sie ansonsten erst „ab 18 Jahren“ freigegeben werden können. Funktionierende Ko- und selbstregulative Modelle, die im JMStV verankert sind und auf Anbieterverantwortung setzen, verlieren demgegenüber an Bedeutung.

JETZT HERUNTERLADEN

DIE DOKUMENTATION DIESER FACHDEBATTE

DIE DOKUMENTATION ENTHÄLT

alle Debattenbeiträge ungekürzt im Original
Übersicht aller aktiven Debattenteilnehmer
Summary für Ihr Top-Management
MEHR ERFAHREN


Der Entwurf sieht den Ausbau der Bundesprüfstelle zur Bundeszentrale für Kinder-und Jugendmedienschutz vor. Was halten Sie davon?
Eine zentrale Stelle klingt verlockend, weil sie eine Vereinfachung des Systems, einen zentralen Ansprechpartner und die Bündelung von Expertise nahelegt. Die Bundeszentrale würde aber zum bestehenden System hinzukommen. Anstatt bestehende Strukturen zu verschlanken und effizienter zu machen, soll also eine neue Aufsichtsstruktur eingeführt werden, ohne dass die Befugnisse der verschiedenen Stellen trennscharf voneinander abgegrenzt sind – es ist fraglich, ob dies zu einer Verbesserung des Systems führt.

Der Entwurf befasst sich mit sogenannten Interaktionsrisiken wie Cybermobbing oder Persönlichkeitsrechtsverletzungen - wie bewerten Sie die diesbezüglich geplanten Regeln?
Dynamische Interaktionsrisiken, die je nach Umgebung variieren können, sollten nicht mit den statischen Altersfreigaben vermischt werden, um diese nicht zu verwässern. Ansonsten könnte ein und derselbe Inhalt auf verschiedenen Plattformen unterschiedliche Altersfreigaben erhalten, je nachdem, ob beispielsweise Kommentarfunktionen oder Merchandising-Angebote vorhanden sind. Es würde mehr Orientierung bieten, die Altersfreigaben wie bisher ausschließlich auf die Inhalte zu beziehen und Interaktionsrisiken über zusätzliche Informationen wie Deskriptoren oder Texthinweise anzuzeigen.

Was sollte aus Ihrer Sicht in ein endgültiges JuSchG unbedingt noch aufgenommen und was unbedingt aus dem Entwurf gestrichen werden?
Die Prüf- bzw. Kennzeichnungspflichtpflicht in § 14 a ist dem dynamischen Online-Markt nicht angemessen und sollte überdacht werden. Doppelprüfungen sind zu vermeiden. Inhalte, die bereits auf der Grundlage des JMStV bewertet wurden, bedürfen keiner weiteren Prüfung, wenn sie online mit einem entsprechenden Alterskennzeichen versehen werden sollen. Die nach § 7 JMStV bestellten Jugendschutzbeauftragten sollten daher in § 14 a eingebunden werden. In § 14 Abs. 6 sollte eine echte Durchwirkung geregelt sein. Altersbewertungen einer Freiwilligen Selbstkontrolle sollten für alle Vertriebswege wirken.

§ 14 a privilegiert automatisierte Bewertungssysteme, die von einer nach dem JuSchG tätigen Selbstkontrolleinrichtung entwickelt und von den Obersten Landesjugendbehörden anerkannt wurden. Das ist nicht gerechtfertigt, zumal die Anerkennungsvoraussetzungen für solche Systeme nicht bestimmt werden. Hier sollten JMStV-Selbstkontrollen ebenfalls Spielräume für die Entwicklung technischer Systeme überlassen werden.

Dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk von zentralen Regelungen ausgenommen ist, ist aus Jugendschutzsicht wenig plausibel. Die Ungleichbehandlung von öffentlich-rechtlichen und privaten Medienanbietern ist aufzuheben.

Wir plädieren insgesamt für eine konzertierte Aktion von Bund und Ländern für einen konvergenten Rechtsrahmen. Bundes- und Landesgesetzgebung sollten sinnvoll miteinander verzahnt werden, um konsistente und praktikable Verfahren im Sinne eines zeitgemäßen Jugendschutzes zu entwickeln. Wünschenswert wäre ein nach Gefährdungsgrad abgestuftes System von Verfahren und Rechtsfolgen, in dem alle Selbstkontrollen gleichberechtigt mitwirken.

UNSER NEWSLETTER

Newsletter bestellen JETZT BESTELLEN

■■■ WEITERE BEITRÄGE DIESER FACHDEBATTE

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Martin Drechsler
Geschäftsführer
Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM)

Martin Drechsler, Geschäftsführer Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter e.V. (FSM)
Jugendschutz | Games

FSM kritisiert faktische Vorzensur

Warum Bund und Länder beim Jugendschutzgesetz ■ ■ ■

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Martin Drechsler
Geschäftsführer
Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM)

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Lorenzo von Petersdorff
Stellvertretender Geschäftsführer
Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK)

Lorenzo von Petersdorff | Stellvertretender Geschäftsführer & Legal Counsel Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK)
Jugendschutz | Games

USK befürchtet Doppelregulierungen, ■ ■ ■

Wie das neue Jugendschutzgesetz noch angepasst ■ ■ ■

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Lorenzo von Petersdorff
Stellvertretender Geschäftsführer
Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK)

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Klaus Hinze
Geschäftsführer
Aktion Kinder und Jugendschutz Brandenburg

Klaus Hinze - Geschäftsführer der Aktion Kinder und Jugendschutz Brandenburg
Jugendschutz | Games

Bundeszentrale braucht klare Aufgaben

Was am Entwurf zum neuen Jugendschutzgesetz gut ■ ■ ■

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Klaus Hinze
Geschäftsführer
Aktion Kinder und Jugendschutz Brandenburg

ZUR FACHDEBATTE

ÜBER UNSERE FACHDEBATTEN

Meinungsbarometer.info ist die Plattform für Fachdebatten in der digitalen Welt. Unsere Fachdebatten vernetzen Meinungen, Wissen & Köpfe und richten sich an Entscheider auf allen Fach- und Führungsebenen. Unsere Fachdebatten vereinen die hellsten Köpfe, die sich in herausragender Weise mit den drängendsten Fragen unserer Zeit auseinandersetzen.

überparteilich, branchenübergreifend, interdisziplinär

Unsere Fachdebatten fördern Wissensaustausch, Meinungsbildung sowie Entscheidungsfindung in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Medien und Gesellschaft. Sie stehen für neue Erkenntnisse aus unterschiedlichen Perspektiven. Mit unseren Fachdebatten wollen wir den respektvollen Austausch von Argumenten auf Augenhöhe ermöglichen - faktenbasiert, in gegenseitiger Wertschätzung und ohne Ausklammerung kontroverser Meinungen.

kompetent, konstruktiv, reichweitenstark

Bei uns debattieren Spitzenpolitiker aus ganz Europa, Führungskräfte der Wirtschaft, namhafte Wissenschaftler, Top-Entscheider der Medienbranche, Vordenker aus allen gesellschaftlichen Bereichen sowie internationale und nationale Fachjournalisten. Wir haben bereits mehr als 600 Fachdebatten mit über 20 Millionen Teilnahmen online abgewickelt.

nachhaltig und budgetschonend

Mit unseren Fachdebatten setzen wir auf Nachhaltigkeit. Unsere Fachdebatten schonen nicht nur Umwelt und Klima, sondern auch das eigene Budget. Sie helfen, aufwendige Veranstaltungen und überflüssige Geschäftsreisen zu reduzieren – und trotzdem die angestrebten Kommunikationsziele zu erreichen.

mehr als nur ein Tweet

Unsere Fachdebatten sind mehr als nur ein flüchtiger Tweet, ein oberflächlicher Post oder ein eifriger Klick auf den Gefällt-mir-Button. Im Zeitalter von X (ehemals Twitter), Facebook & Co. und der zunehmenden Verkürzung, Verkümmerung und Verrohung von Sprache wollen wir ein Zeichen setzen für die Entwicklung einer neuen Debattenkultur im Internet. Wir wollen das gesamte Potential von Sprache nutzen, verständlich und respektvoll miteinander zu kommunizieren.