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Bundeszentrale braucht klare Aufgaben

Was am Entwurf zum neuen Jugendschutzgesetz gut ist - und was noch nicht

Klaus Hinze - Geschäftsführer der Aktion Kinder und Jugendschutz Brandenburg Quelle: pr Klaus Hinze Geschäftsführer Aktion Kinder und Jugendschutz Brandenburg 07.04.2020
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Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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"Die föderale Aufteilung der Zuständigkeiten im Jugendmedienschutz des Bundes für Trägermedien und der Länder für Telemedien beruhte auf dem historischen Irrtum, dass Online-Medien in Analogie zum Rundfunk geregelt werden könnten", konstatiert Klaus Hinze - Geschäftsführer der Aktion Kinder und Jugendschutz Brandenburg. Eine Reform des Jugendschutzgesetzes müsse das Regelwerk mit den Bestimmungen des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages kompatibel machen.







Wie fügt sich der Entwurf zum neuen Jugendschutzgesetz (JuSchG) aus Ihrer Sicht in die bestehenden Regeln der föderalen Bundesrepublik (etwa: Jugendmedienschutzstaatsvertrag/ JMStV), ein?
Die föderale Aufteilung der Zuständigkeiten im Jugendmedienschutz des Bundes für Trägermedien und der Länder für Telemedien beruhte auf dem historischen Irrtum, dass Online-Medien in Analogie zum Rundfunk geregelt werden könnten. So gelten zwei Gesetzeswerke – ein Anachronismus angesichts der Medienkonvergenz.

Jugendmedienschutz muss für Kinder, Jugendliche und ihre Eltern nachvollziehbar, verständlich und überzeugend sein, aber auch für pädagogische Fachkräfte und Medienmacher – für alle Betroffenen. Davon sind wir weit entfernt, notwendig wäre ein einheitliches Jugendmedienschutzgesetz.

Eine Reform des Jugendschutzgesetzes muss das Regelwerk mit den Bestimmungen des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages kompatibel machen. An dieser Stelle stößt der Entwurf auf verfassungsrechtliche Einwände, die wir nicht abschließend beurteilen können. So sollen zu weit gehende Kompetenzen beim Bund im Vergleich zu den Ländern verschoben worden sein.

Wir halten es für dringend erforderlich, dass Bund und Länder dieses aus der föderalen Zuständigkeit heraus entstehende Konfliktpotenzial endlich einvernehmlich klären. Es ist für die Öffentlichkeit nicht nachvollziehbar, dass für weltweit auftretende Phänomene der Mediennutzung keine einheitliche rechtliche Grundlage entwickelt wird.

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Der Entwurf sieht den Ausbau der Bundesprüfstelle zur Bundeszentrale für Kinder-und Jugendmedienschutz vor. Was halten Sie davon?
Die Neugestaltung der bisherigen BPjM zu einer Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (Bundeszentrale) halten wir grundsätzlich für sinnvoll, unter der Voraussetzung, dass klare Aufgabenprofile benannt werden.

Die Bundeszentrale sollte

1. die bisherigen Aktivitäten und Ergebnisse der Arbeit des I-KiZ (Zentrum für Kinderschutz im Internet) aufgreifen und systematisch weiter entwickeln, um die Impulse für ein »Intelligentes Risiko-Management« fortzuführen und mit allen Beteiligten an der Implementierung eines »Safety by Design« und der Förderung alltagstauglicher technischer Schutzmöglichkeiten zu arbeiten.

2. den 2019 erstmalig veröffentlichten »Gefährdungsatlas« in regelmäßigen Abständen (mindestens alle drei Jahre) aktualisieren und fortschreiben. Dieser »Gefährdungsatlas« kann für die Praxis des Kinder- und Jugendmedienschutzes wichtige Hinweise bieten, um die Arbeit den jeweiligen Erfordernissen anzupassen und weiter zu entwickeln.

3. die notwendigen Abstimmungsprozesse auf europäischer Ebene anregen und koordinieren, mit dem Ziel einheitlicher Schutzziele für den Kinder- und Jugendmedienschutz und weitestgehend vergleichbarer regulatorischer Maßnahmen in der EU. Die Anbieterverantwortung sollte in allen EU-Mitgliedsstaaten gleichermaßen eingefordert werden. Die Einführung der Datenschutz-Grundverordnung kann hier als Vorbild dienen.

Der Entwurf befasst sich mit sogenannten Interaktionsrisiken wie Cybermobbing oder Persönlichkeitsrechtsverletzungen - wie bewerten Sie die diesbezüglich geplanten Regeln?
Wir begrüßen ausdrücklich die Definition von Schutzzielen des Kinder- und Jugendmedienschutzes. Hier wird auch der Tatsache Rechnung getragen, dass sich die Risikodimensionen des Jugendmedienschutzes von der Konfrontation mit angstauslösenden Inhalten, Gewalt- und desorientierenden Darstellungen zunehmend hin zu Risiken der Interaktion verschoben haben.

Umstritten ist derzeit jedoch die Frage, wie Interaktionsrisiken in Altersfreigaben oder Alterskennzeichnungen abgebildet werden können. Verletzungen der persönlichen Integrität wirken unabhängig vom Lebensalter und sollten durch übergeordnete regulatorische Maßnahmen erfasst werden – z.B. Vorschriften für Chatfunktionen, kindgerechte Voreinstellungen, die Einrichtung eines Melde- und Beschwerdesystems - in deutscher Sprache und mit einer »altersentsprechenden Benutzerführung«, dies sollte auch konsequent eingefordert werden.

Was sollte aus Ihrer Sicht in ein endgültiges JuSchG unbedingt noch aufgenommen und was unbedingt aus dem Entwurf gestrichen werden?
Ergänzt werden sollten die Aufgaben der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (siehe Frage 2) – dies kann aber auch in einer Rechtsverordnung geschehen.

Gestrichen werden sollte die Nummer 4 in §10a. Die Förderung von Medienkompetenz ist kein Schutzziel, sondern eine der Maßnahmen, um die Schutzziele umzusetzen. Wir brauchen mit der Bundeszentrale auch keine Parallelstrukturen zu den Präventionsangeboten der Kinder- und Jugendhilfe.

Auch die Parental-Guidance-Regelung beim Kinobesuch sollte noch einmal überprüft werden, sowohl hinsichtlich einer speziellen PG-Kennzeichnung als auch der Ausweitung auf andere Altersgruppen.

Medienübergreifende einheitliche Regelungen und ggf. Verbote von Werbung für Tabak (inklusive Ersatzstoffen und Verdampfern) und Alkohol fehlen.

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